Jeden Morgen eine Kröte zum Frühstück schlucken

Stoische Morgenroutine am Abend in Seesen: Erwin Pelzig spricht über Kröten, Kriege und Krisen. Foto: Mateo
Nach sechsjähriger Abstinenz kam Frank-Markus Barwasser alias Erwin Pelzig zum Kulturforum Seesen und zeigte auf der Bühne der Aula sein neues Programm „Der wunde Punkt“ . Sein letzter Auftritt in Seesen war 2018.
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Seesen. Heute schon eine Kröte geschluckt? Nach sechsjähriger Abstinenz kam Frank-Markus Barwasser alias Erwin Pelzig zum Kulturforum Seesen und zeigte auf der Bühne der Aula sein neues Programm „Der wunde Punkt“ – mit kulinarischem Amphibiengehalt. Da sein letzter Auftritt in Seesen 2018 war, schwelt bei Pelzig neben der Vorfreude auf den Abend die unberechtigte Sorge mit, er sei entbehrlich geworden.
Pelzig sieht sich selbst nicht als Pessimisten, was man denken könnte, wenn man ihn reden hört, sondern sieht sich selbst als Stoiker und hält es wie Seneca: „Ein Mann sollte jeden Morgen eine Kröte schlucken, um sichergehen zu können, dass ihm an dem Tag, der vor ihm liegt, nichts Widerlicheres begegnet!“
Leckeres vom Nabu
Das stellt für Pelzig, das Leckermäulchen, auch kein Problem dar, denn als Mitglied des Nabu bieten sich da gerade gute Möglichkeiten, selbst wenn man schon mal zwei schlucken müsste. An diesem Tag hätte Pelzig auf seine Morgenroutine mit der Kröte gut verzichten können, denn er erhält am Ende des Abends Standing Ovations.
Der Abend ist gefüllt mit den Kriegen, Krisen und Kränkungen der Gesellschaft, die Pelzig in schonungsloser Ehrlichkeit garniert serviert. Gemeinsam mit Hartmut und Dr. Göbel wird wild diskutiert und ein Dreiergespräch simuliert.
Demokratie, Erziehung, KI, Gendern – nichts lässt Pelzig unkommentiert, zeigt mit dem spitzen Finger darauf und bohrt dann tiefer. Da den Stoiker zu erkennen statt des Pessimisten, fiele schwer, würde dies nicht so amüsant vermittelt. Charmant kommt noch der fränkische Akzent hinzu, der trotz erhobener Stimme immer sanfter erscheint als schweres Hochdeutsch.
Zitate von Philosophen
Die passenden Zitate, die ins Programm gestreut sind, sind von Männern, dies wird beim Thema „Gendern“ von der Frauenstimme aus dem Off kritisiert, und sie „arbeitet“ nicht mehr. Pelzig wird sich bewusst, dass er nur Männer hat zu Wort kommen lassen und reagiert. Die folgenden Zitate, die fortan im Programm auftauchen und die Pelzig selbst vorträgt, stammen alle von Frauen.
Es fehlt Pelzig der passende Abgang der Pandemie. So wird er selbst zur Seuche und hält seine pathetische Abschiedsrede mit Warnungen und dem Hinweis, dass es nie wieder so sein wird wie zuvor. Die Normalität „kriegen wir nimmer!“
Ein geistreicher tiefgründiger Abend endete mit verdienten Standing Ovations für den Künstler. Das Kulturforum Seesen hofft, dass nicht wieder so viel Zeit vergeht, ehe Frank-Markus Barwasser Cordhut und Handtäschchen auspackt und als Erwin Pelzig auf die Aula-Bühne kommt. Kleiner Tipp: Nicht alle Kröten muss man schlucken!