Wie erpressbar sind Staaten heute? Energiepolitik im Fokus
In einer Halle des Atommüll-Zwischenlagers Ahaus stehen hochradioaktive gelbe CASTOR-Behälter aus Atomkraftwerken. Foto: Guido Kirchner/dpa
Die Bundesgesellschaft für Endlagerung von Atommüll hat auch den Brocken im Harz als Terrain auf der Karte. Soll Deutschland neue Kernkraftwerke bauen?
Goslar. „Ein Staat ist nicht erpressbar“, hieß die Maxime des früheren Bundeskanzlers Helmut Schmidt (SPD) im heißen Herbst 1977. RAF-Terroristen hatten den damaligen Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer entführt und wollten damit andere Terroristen freipressen. Schmidt blieb hart, und die Bundesregierung nahm damit auch den Tod von Schleyer in Kauf.
Ölkrise in 1970er Jahren: Wie erpressbar sind Staaten?
Wie erpressbar Staaten dennoch sind, wurde allerdings schon vier Jahre vorher durch die Ölkrise bewusst: Die arabischen Ölscheichs kündigten an, die Fördermenge zu drosseln, und alsbald vervierfachte sich der Ölpreis weltweit. Deutschland erließ ein Energiesicherungsgesetz, es gab Tempolimits auf Autobahnen und vier autofreie Sonntage. Gott sei Dank kam damals die Bahn noch pünktlich, möchte man heute schmunzelnd anfügen. Im Rückblick hatten die Öl-Länder zwar gar nicht weniger produziert, aber allein das taktische Manöver zeigte rohstoffarmen Ländern die Grenzen auf.
Aktuell zeigt China seine Stärke als Mutterland der Seltenen Erden und lässt durch Exportbeschränkungen nicht nur Unternehmen, sondern ganze Industrienationen zittern. Da rücken auf dem diplomatischen Parkett ganz schnell Fragen nach Menschenrechten und Demokratie in den Hintergrund, um den Strom der Rohstofflieferungen möglichst nicht versiegen zu lassen. Und bei allen Sanktionen gegen Russland, liefert der Putin-Staat sein Gas und sein Öl munter weiter, das direkt oder indirekt eben auch an deutschen Zapfsäulen nicht auszuschließen ist.
Der wachsende Bedarf an Energie und Strom
Angesichts des gigantischen Strombedarfs, der durch Smartphones, smarte Technologien, Künstliche Intelligenz, immer mächtigere Server, immer mehr Datentransfer und E-Mobilität weiter wachsen wird, wäre es da nicht sinnvoll, Atomkraftwerke wieder ins Reich der Möglichkeiten aufzunehmen? Erst im April 2023 wurden die letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland abgeschaltet. Unter dem Deckmantel von Netzstabilität, Klimaschutz, CO2-Neu-tralität und vor allem nach dem Regierungswechsel in Berlin kommt Kernkraft quasi durch die Hintertür wieder aufs Tapet.
Atomkraft und Fusionsreaktor
Deutschland wolle „auf praktische Weise“ zur Atomkraft zurückkehren zitiert „Die Welt“ den Chef der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO), Rafael Grossi. Dabei berufe er sich auf Gespräche mit Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) Ende Oktober in Toronto beim Treffen der G7-Energieminister. Großes Ziel im schwarz-roten Koalitionsvertrag ist zudem, dass Deutschland den ersten Fusionsreaktor der Welt dereinst zum Strahlen bringt.
Atombefürworter rühmen die Sicherheit von Kernkraftwerken in Deutschland und vermeintlich günstigen Strom. Doch zur Sicherheit gehört vor allem auch die Lagerung des Atommülls, die selbst nach Jahrzehnten in Deutschland ungelöst geblieben ist. Das Salzbergwerk Asse bei Wolfenbüttel, wo radioaktiver Müll über Jahre in Blechfässern auf Salzlauge landete, ist jedenfalls die falsche Antwort – die Steuerzahler mit Geld und Gesundheit zu begleichen haben. Und weniger erpressbar ist Deutschland dadurch nicht geworden.
Der Brocken-Granit auf der Karte als geeignetes Atom-Endlager
Dass dieser Tage die Bundesgesellschaft für Endlagerung von Atommüll just auch den Brocken im Harz als geeignetes Terrain für strahlende Altlasten auf der Karte hat, macht die unselige Atomdebatte umso schmerzlicher.
Prognose zum Fusionsreaktor: Bevor aus dieser Kernschmelze der erste Strom kontrolliert und flächenhaft ins Netz fließt, hat Elon Musk ein Reisebüro auf dem Mars eröffnet.
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