Windpark Haar: Wo in der Nacht die Schwertransporte rollen

Überholverbot: Durch die Nacht schiebt sich der Schwertransport mit dem Rotorblatt bei Langelsheim über die Seesener Straße Richtung Feldmark. Foto: Gereke
Die Arbeiten am Windpark auf der Haar laufen – bald schon soll sich das erste Windrad drehen und Strom erzeugen. Unterdessen stellen die Betreiber der Öffentlichkeit ihr Beteiligungsmodell vor. Was sieht es vor?
Nordharz. Wer rauscht da so spät durch Nacht und Wind? Es ist ein Schwertransport mit einem Windkraftanlagen-Element... Aber einer kommt jetzt in diesen Nächten nicht allein. Sie bringen die Bauteile für den Windpark, der derzeit auf der Haar entsteht.

Mit Schwerlastmatten ist der Weg in der Feldmark verbreitert, damit die Fahrzeuge die Kurve kriegen können. Foto: Gereke
Bei den Anlagen handelt es sich um Beton-Hybridtürme – bis in etwa 80 Meter Höhe reicht der Betonsockel, darauf kommen jetzt die Großkomponenten aus weiteren Turmteilen, Maschinenhaus, Nabe, Maschinenstrang, Rotorblätter. Alles kommt derzeit des Nachts über die Straße. Durch Dörfer führt ihr Weg nicht, anhand der verlegten Schwerlastmatten ist ihre Route durch die Feldmark bei Tageslicht gut nachzuvollziehen. Aber im Dunkeln der Nacht ist es noch einmal eine besondere Herausforderung.

Um von der B 82 bei Langelsheim abfahren zu können, wird die Bundesstraße kurzzeitig gesperrt. Foto: Gereke
Die Bauteile kommen aus Richtung Norden in dieser Nacht. Unterwegs sind drei Schwertransporte mit Rotorblättern, den längsten Bauteilen. Knapp 80 Meter misst ein Blatt – mit Fahrzeug ist der Transport um die 90 Meter lang. Von Cuxhaven aus geht es über die Autobahn nach Rhüden. Noch ist in der Dunkelheit das gelbe Warnlicht der Armada der Begleitfahrzeuge nicht zu erkennen. Sie müssen erst das Nadelöhr der Anschlussstelle passieren. Kurzzeitig wird die A 7 gesperrt, damit die Fahrzeuge die Abfahrt hindurchrangieren können. Die Zugmaschine ist nur durch Kabel mit dem sogenannten Nachläufer verbunden. Der kann von einem Folgefahrzeug separat gesteuert werden.
Sternschnuppen über den Köpfen
Auf der Brücke an der B82-Anschlussstelle Lutter haben es sich zwei Personen in Warnwesten eingerichtet – sie warten offenbar auch gespannt auf das Spektakel. An der Abfahrt Langelsheim-West – am sogenannten Bypass, den die Trucks passieren müssen, um auf die Seesener Straße und später die Feldmark kommen zu können – herrscht nur Dunkelheit. Über den Köpfen rauschen Sternschnuppen am Himmel. Dann taucht wie aus dem Nichts das erste Begleitfahrzeug auf, Nummer zwei und drei folgen. Die Gegenfahrbahn wird gesperrt, damit die Schwerlasttransporte die B82 verlassen können, Leitpfosten und Verkehrsschilder demontiert, damit nichts im Wege steht.

Durch den Bypass an der B82-Anschlussstelle Langelsheim-West bahnt sich der Schwertransport seinen Weg. Foto: Gereke
Jetzt geht es Schlag auf Schlag. Transport eins bahnt sich langsam über die Schwerlastmatten seinen Weg, zwei und drei folgen. Staub wirbelt auf. Die mehr als 80 Meter lange Lichterkette, die entlang des Blatts gespannt ist, um das Bauteil in der Nacht sichtbar zu machen, passt zu Spekulatius und Lebkuchen, die es schon im Supermarkt gibt. Das Heckfahrzeug schnauft, der Transport quietscht, Scheinwerfer blenden auf. Binnen weniger Minuten ist alles schon wieder vorbei. Alle sind durchgekommen, keiner ist stecken geblieben – das sieht an einem neuralgischen Punkt in der Feldmark einen guten Kilometer weiter anders aus.

Das Heck des Schwerlasttransports lässt sich von einem folgenden Begleitfahrzeug steuern. Foto: Gereke
Während eins und zwei durch sind, scheint für die drei eine alte Eiche ein Problem zu sein. Der Fahrer steigt aus, bespricht mit der Besatzung des Heckfahrzeugs das Problem. Im Schneckentempo geht es weiter – und auch der ist durch. Die Eiche steht noch, kein Blatt fehlt – und in der Dunkelheit wartet das Ziel, die Windpark-Baustelle. Die wird aber erst bei Tageslicht angesteuert, wenn Autokräne die Lasten entladen und an den Windkraftanlagen so in der richtigen Reihenfolge positionieren, dass ein problemloser Aufbau erfolgen kann.

Am Tag nach dem Transport rollen die Schwertransporte in den Windpark, um von Autokränen entladen zu werden. Foto: Gereke
„Nach dem Abladen fliegen wir die Rotorblätter mit einer Drohne ab, um sie auf Beschädigungen, die beim Transport entstanden sein könnten, zu untersuchen“, erzählt Frank Möckel von Terrawatt, dem einen Teil der Haar Wind GmbH, die Bauherr des Windparks ist. Möckel ist bei Terrawatt für die Transporte zuständig. Er schätzt, dass derzeit etwa 80 Prozent der benötigten Großkomponenten bereits die Haar erreicht haben. Die nächtlichen Transporte werden noch bis Ende September andauern.

Nachdem mehrere Tage der Wind blies, herrschen nun die passenden Bedingungen, um die Vollerrichtung der Anlagen fortzusetzen – ein Rotorblatt hebt ab. Foto: Gereke

Zwei Kräne sind derzeit auf der Haar zur Errichtung der zwölf Windenergieanlagen im Einsatz. Foto: Gereke
Im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) würden die Kommunen im Umkreis von 2500 Metern um die Windenergieanlagen an den Erträgen des Windparks beteiligt. Darüber hinaus hätten sich die Investoren freiwillig verpflichtet, die umliegenden Ortschaften Bredelem, Ostharingen und Upen ab 2027 mit einer jährlichen Zuwendung von jeweils 33.333,33 Euro zu unterstützen. Diese Mittel würden durch die Gründung von Vereinen in den jeweiligen Ortschaften für gemeinnützige Zwecke verwendet. Auch der nahe gelegene Waldkindergarten Waldwichtel Lutter profitiere von einer jährlichen Spende in Höhe von 5000 Euro, heißt es in der Pressemitteilung.
Fledermaus- und Schattenabschaltautomatik
Die Vertreter von Haar Wind verweisen darauf, dass die Errichtung des Windparks unter strikter Einhaltung sämtlicher Auflagen aus der Baugenehmigung erfolge. Die Investoren stünden hierzu in kontinuierlichem Austausch mit der zuständigen Genehmigungsbehörde des Landkreises Goslar. Das Genehmigungsverfahren für den Windpark sei gemäß Windenergieflächenbedarfsgesetz erfolgt, das auf einer EU-Notfallverordnung basiere und den beschleunigten Ausbau Erneuerbarer Energien fördere.

Kurz vorm Andocken: Bei der Vollerrichtung der Windenergieanlage ist Millimeterarbeit in luftiger Höhe gefragt. Foto: Gereke
Im Einklang mit den Anforderungen zum Artenschutz aus dem Windenergieflächenbedarfsgesetz würden für den Windpark jährlich Zahlungen in Höhe von 210.600 Euro an Artenschutzfonds geleistet. Zusätzlich würden Kompensationsmaßnahmen für die Auswirkungen auf Boden und Biotope umgesetzt. Beispielsweise seien am nördlichen Harzrand mehr als fünf Hektar naturnahe Waldumwandlung erfolgt, so die Haar Wind weiter. Auch für den Eingriff in das Landschaftsbild würde eine Ausgleichszahlung an die betroffenen Landkreise entrichtet. Alle zwölf Windenergieanlagen seien zudem mit einer Fledermaus- und Schattenabschaltautomatik ausgestattet. Bedeutet: Bei bestimmten Licht-, Temperatur- und Windverhältnissen schalten sich die Anlagen zum Schutz vor Fledermäusen genauso ab wie bei bestimmten Sonnenständen, um die sogenannten Discoeffekte zu verhindern. Ebenso verfügen die Anlagen über Sensoren, die die Eiswurfgefahr unterbinden sollen. „Sie erkennen Eisansatz und stoppen dann die Anlage“, erklärt Möckel. Für den späteren Rückbau des Windparks sei eine Rückbaubürgschaft bei einem deutschen Kreditinstitut hinterlegt worden, die eine umweltgerechte Demontage der Anlagen garantiere, so die Haar Wind abschließend.

Großkräne im Einsatz: Hinten steht die Montage des dritten Rotorblatts an, vorne kommt ein neues Turmsegment obendrauf. Foto: Gereke
Copyright © 2025 Goslarsche Zeitung | Weiterverwendung und -verbreitung nur mit Genehmigung.