GZ-Redakteur Sowa im WC-Einsatz: Zwischen Klobürste und Flatrate
GZ-Redakteur Sebastian Sowa und Toiletten-Chef Maik Jankowsky bereiten sich auf ihre Schicht vor. Foto: Epping
Was passiert hinter den Kulissen des Weihnachtsmarktes, hinter die kaum jemand schaut? Eine Reportage vom vielleicht menschlichsten Ort des Abends.
Goslar. 18 Uhr, Marktplatz, mitten im Trubel des Goslarer Weihnachtsmarktes. Noch ist es erstaunlich ruhig, als ich meine Schicht bei WC-Unternehmer Maik Jankowsky beginne. Einen Euro kostet der normale Gang zur Toilette, wer öfter muss, greift zur Drei-Euro-Tagesflatrate. Kinder gehen kostenlos – und bekommen nach dem Geschäft sogar eine Tüte Gummibärchen. Ein cleveres System, zumindest für den Nachwuchs.
Jankowsky ist seit gut fünf Jahren Toiletten-Unternehmer, vorher arbeitete er in der Gastronomie. „Hier ist es deutlich familienfreundlicher“, sagt der zweifache Vater und lacht. Um 18.15 Uhr darf ich das Kassenhäuschen übernehmen. Jetzt wird es voller. Deutlich mehr Frauen als Männer stehen an, gut gelaunt, vermutlich auch dank der ersten Heißgetränke. Kartenzahlung ist möglich – und wird rege genutzt. Nebenbei verteilt Jankowsky Rabattmarken für einen Glühweinstand: „Die sollen ja schließlich wiederkommen“, scherzt der WC-Boss.
Flat-Rate wird beliebter
In der Region ist er Marktführer: 400 Baustellen-Toiletten, 45 Container, 12 Toilettenwagen, dazu Rollstuhl-Kabinen und Urinalstellen sind sein Eigen. Das Geschäft brummt. Um 18.40 Uhr tauchen bereits die ersten Wiederholungstäter auf. Ich empfehle die Flatrate – mit Erfolg. Um 18.50 Uhr verlasse ich meine Komfortzone und gehe zu den Kabinen. Eine lange Schlange, fast ausschließlich Frauen.
Vor allem abends kann es bei dem Toiletten-Stand auch mal zu kleinen Wartezeiten kommen. Foto: Epping
Das Geschäft zieht deutlich an
Der Abend schreitet voran, draußen mischen sich Glühweinduft, gebrannte Mandeln und kalte Winterluft. Immer wieder fliegen Münzen in die Kasse, dazwischen kurze Gespräche, Lachen, manchmal auch entschuldigende Blicke von häufigen Wiederholern. Man spürt, wie der Alkoholpegel langsam steigt – die Wege werden unsicherer, die Gespräche lauter. Ein Gast bedankt sich überschwänglich, weil es „so sauber hier“ sei. Ein anderer Witzbold fragt nach dem Rückweg zum Marktplatz, als wäre die Toilette eine eigene kleine Zwischenwelt, bei der man Raum und Zeit vergisst. Kurz vor Schichtende wird der Andrang noch einmal dichter.
Christin Funk kümmert sich im Kassenhäuschen um die Bezahlung der Toiletten-Gänge. Foto: Epping
Eine Gruppe junger Leute kichert nervös vor der Kabine, drinnen läuft leise Jingle Bells aus einem Handy, ansonsten ist es hier wenig weihnachtlich. Jankowsky hat auf jegliche Deko im Inneren verzichtet. Er erkennt viele Stammgäste inzwischen schon am Gang. „Weihnachtsmarkt ist auch Wiedersehen“, sagt er, während er routiniert eine Kabine kontrolliert. Der Respekt vor seiner Arbeit ist spürbar. Viele bedanken sich ausdrücklich. Hier, zwischen Fliesen, Desinfektionsspendern und Hektik, zeigt sich eine andere, oft übersehene Seite des Weihnachtsmarktes: unspektakulär, aber notwendig und überraschend menschlich.
Geteilte Meinung
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100 Klorollen pro Tag
Rund 100 Klopapierrollen – zweilagig – gehen pro Tag über den Tisch. Ob je geklaut wurde? „Normal nicht“, sagt Jankowsky. „Aber wir hatten mal rosafarbenes Sonderpapier. Das war schneller weg als wir gucken konnten.“ Um 19.55 Uhr sorge ich für Nachschub, der steht hinten zwischen Abflussrohren und Wasserschläuchen. Ich hoffe inständig, dass hier nie etwas platzt. Prominente auf dem Klo? Nicht auf dem Weihnachtsmarkt – aber seine Toiletten nutzten schon Sarah Connor, Bushido und Hartmut Engler von Pur.
Gegen 20 Uhr endet meine Schicht. Ich bin erleichtert, aber auch ein wenig stolz. Zwischen Münzen, Glühwein-Rabatten und Warteschlangen habe ich vor allem eines erlebt: unglaublich viele Begegnungen. Zum Abschied verrät mir Jankowsky, dass er und auf Namen wie „WC-Maiki“, „Toiletten-Guru“ oder „Braun-gelber Engel“ hört – er nimmt es mit Humor – und dass er zahllose Klosprüche kennt. Beispiel? „Wenn einem die Sch... bis zum Hals steht, dann darfst Du den Kopf nicht hängen lassen.“

Die Arbeit muss gemacht werden: Sebastian Sowa schrubbt das Schausteller-Klo. Foto: Uwe Epping
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