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Weihnachtsmarkt-Reportage in Goslar

GZ Plus IconGZ-Redakteur Sowa im WC-Einsatz: Zwischen Klobürste und Flatrate

Zwei Männer in schwarzen Kapuzenpullovern in einem kleinen Raum, einer hält Toilettenpapier, an der Wand ein Schild mit der Aufschrift 'Liebe Marktbesicker, bitte haltet die Toiletten sauber und ordentlich!'

GZ-Redakteur Sebastian Sowa und Toiletten-Chef Maik Jankowsky bereiten sich auf ihre Schicht vor. Foto: Epping

Was passiert hinter den Kulissen des Weihnachtsmarktes, hinter die kaum jemand schaut? Eine Reportage vom vielleicht menschlichsten Ort des Abends.

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Von Sebastian Sowa
Sonntag, 30.11.2025, 18:00 Uhr

Goslar. 18 Uhr, Marktplatz, mitten im Trubel des Goslarer Weihnachtsmarktes. Noch ist es erstaunlich ruhig, als ich meine Schicht bei WC-Unternehmer Maik Jankowsky beginne. Einen Euro kostet der normale Gang zur Toilette, wer öfter muss, greift zur Drei-Euro-Tagesflatrate. Kinder gehen kostenlos – und bekommen nach dem Geschäft sogar eine Tüte Gummibärchen. Ein cleveres System, zumindest für den Nachwuchs.

Jankowsky ist seit gut fünf Jahren Toiletten-Unternehmer, vorher arbeitete er in der Gastronomie. „Hier ist es deutlich familienfreundlicher“, sagt der zweifache Vater und lacht. Um 18.15 Uhr darf ich das Kassenhäuschen übernehmen. Jetzt wird es voller. Deutlich mehr Frauen als Männer stehen an, gut gelaunt, vermutlich auch dank der ersten Heißgetränke. Kartenzahlung ist möglich – und wird rege genutzt. Nebenbei verteilt Jankowsky Rabattmarken für einen Glühweinstand: „Die sollen ja schließlich wiederkommen“, scherzt der WC-Boss.

Flat-Rate wird beliebter

In der Region ist er Marktführer: 400 Baustellen-Toiletten, 45 Container, 12 Toilettenwagen, dazu Rollstuhl-Kabinen und Urinalstellen sind sein Eigen. Das Geschäft brummt. Um 18.40 Uhr tauchen bereits die ersten Wiederholungstäter auf. Ich empfehle die Flatrate – mit Erfolg. Um 18.50 Uhr verlasse ich meine Komfortzone und gehe zu den Kabinen. Eine lange Schlange, fast ausschließlich Frauen.
Menschen in Winterkleidung stehen in einer Schlange vor einem festlich geschmückten WC-Holzstand mit Lichterketten und Tannenzweigen.

Vor allem abends kann es bei dem Toiletten-Stand auch mal zu kleinen Wartezeiten kommen. Foto: Epping

Jankowsky reagiert pragmatisch und gibt kurzerhand die Männertoilette frei. Die Stimmung bleibt entspannt, wir reden mit den Wartenden, vertreiben die Zeit mit Smalltalk. Dabei erfahre ich Fakten. An einem Wochenende nutzen bis zu 1000 Menschen täglich die Anlage, unter der Woche 300 bis 400. Während wir die Schausteller-Toiletten reinigen, die überraschend sauber sind, erzählt Jankowsky Anekdoten: von eingeschlafenen Gästen am Urinal, die liebevoll geweckt werden mussten, oder von Pärchen, die die Kabinen zweckentfremdeten. Um 19.20 Uhr ist wieder alles blitzblank. Auch die Besuchertoiletten sind deutlich erträglicher, als ich erwartet hatte.

Das Geschäft zieht deutlich an

Der Abend schreitet voran, draußen mischen sich Glühweinduft, gebrannte Mandeln und kalte Winterluft. Immer wieder fliegen Münzen in die Kasse, dazwischen kurze Gespräche, Lachen, manchmal auch entschuldigende Blicke von häufigen Wiederholern. Man spürt, wie der Alkoholpegel langsam steigt – die Wege werden unsicherer, die Gespräche lauter. Ein Gast bedankt sich überschwänglich, weil es „so sauber hier“ sei. Ein anderer Witzbold fragt nach dem Rückweg zum Marktplatz, als wäre die Toilette eine eigene kleine Zwischenwelt, bei der man Raum und Zeit vergisst. Kurz vor Schichtende wird der Andrang noch einmal dichter.
Mann in dunklem Mantel steht an einem weihnachtlich geschmückten WC-Kassen-Holzstand mit zwei Fenstern, an einem Fenster bedient eine Frau.

Christin Funk kümmert sich im Kassenhäuschen um die Bezahlung der Toiletten-Gänge. Foto: Epping

Eine Gruppe junger Leute kichert nervös vor der Kabine, drinnen läuft leise Jingle Bells aus einem Handy, ansonsten ist es hier wenig weihnachtlich. Jankowsky hat auf jegliche Deko im Inneren verzichtet. Er erkennt viele Stammgäste inzwischen schon am Gang. „Weihnachtsmarkt ist auch Wiedersehen“, sagt er, während er routiniert eine Kabine kontrolliert. Der Respekt vor seiner Arbeit ist spürbar. Viele bedanken sich ausdrücklich. Hier, zwischen Fliesen, Desinfektionsspendern und Hektik, zeigt sich eine andere, oft übersehene Seite des Weihnachtsmarktes: unspektakulär, aber notwendig und überraschend menschlich.

100 Klorollen pro Tag

Rund 100 Klopapierrollen – zweilagig – gehen pro Tag über den Tisch. Ob je geklaut wurde? „Normal nicht“, sagt Jankowsky. „Aber wir hatten mal rosafarbenes Sonderpapier. Das war schneller weg als wir gucken konnten.“ Um 19.55 Uhr sorge ich für Nachschub, der steht hinten zwischen Abflussrohren und Wasserschläuchen. Ich hoffe inständig, dass hier nie etwas platzt. Prominente auf dem Klo? Nicht auf dem Weihnachtsmarkt – aber seine Toiletten nutzten schon Sarah Connor, Bushido und Hartmut Engler von Pur.

Gegen 20 Uhr endet meine Schicht. Ich bin erleichtert, aber auch ein wenig stolz. Zwischen Münzen, Glühwein-Rabatten und Warteschlangen habe ich vor allem eines erlebt: unglaublich viele Begegnungen. Zum Abschied verrät mir Jankowsky, dass er und auf Namen wie „WC-Maiki“, „Toiletten-Guru“ oder „Braun-gelber Engel“ hört – er nimmt es mit Humor – und dass er zahllose Klosprüche kennt. Beispiel? „Wenn einem die Sch... bis zum Hals steht, dann darfst Du den Kopf nicht hängen lassen.“

Ein Mann in schwarzem Kapuzenpullover schrubbt mit der Klobürste die Toilette  in einem kleinen Zimmer.

Die Arbeit muss gemacht werden: Sebastian Sowa schrubbt das Schausteller-Klo. Foto: Uwe Epping

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