Seit 50 Jahren feiert Seesen das Sehusafest: Wie alles begann

Immer vorneweg: Elisabeth Paetz-Kalich, die Mutter des Sehusafestes, führt einen der frühen Festumzüge in der Sehusa-Historie an. Foto: Archiv Paetz-Kalich
Jubiläum in Seesen: Die Stadt feiert seit 50 Jahren das Sehusafest. An diesem Wochenende ist es wieder so weit – das Historienspektakel versetzt den Ort in Ausnahmezustand. Doch wie begann einst alles? Die „Mutter“ erinnert sich.
Seesen. Wenn es darum geht, wofür die Sehusastadt bekannt ist, fällt mit Sicherheit ein Name: das Sehusafest. Das wird 2025 seit 50 Jahren gefeiert – an diesem Wochenende, Samstag und Sonntag, 6. und 7. September, ist es wieder so weit. Zu sehen gibt es natürlich wieder Schlachtszenen – und ein Kampf war es auch, das Fest auf die Beine zu stellen, erinnert sich Elisabeth Paetz-Kalich, die „Mutter des Sehusafestes“.
Mutter des Sehusafestes – diesen Beinamen trägt die Seesener Ehrenbürgerin zu Recht. Denn ohne ihren Einsatz würde es heute wahrscheinlich kein Sehusafest geben. „Das war ein Kampf“, erzählt sie – und zündet sich mit Genugtuung eine Zigarette an. Die Spur führt in die frühen 1970er Jahre. „Denkmalschutz spielte damals offenbar keine Rolle – es stand sogar der Abriss des historischen St.-Vitus-Tores zur Debatte“, erinnert sie sich. Doch nicht mit ihr – sie setzte sich für das Bauwerk ein, die Malerin initiierte eine Ausstellung für St. Vitus – und der Erlös diente dem Turmerhalt.

Hält ihr Gewand schon bereit: 50 Jahre Sehusafest würde es ohne Elisabeth Paetz-Kalich wahrscheinlich nicht geben. Foto: Gereke
Kurz danach ging es um die Zukunft eines anderen historischen Gebäudes – auch für dessen Erhalt engagierte sie sich. Und bei all diesem Engagement wurde der damalige Bürgermeister auf sie aufmerksam und trug ihr an, sich um den historischen Teil beim Festumzug zu den Feierlichkeiten für 1000 Jahre Seesen zu kümmern. Sie begann, die Geschichten aus den einzelnen Epochen zusammenzutragen, fertigte kleine Aquarelle, um den Seesener Darstellern zu zeigen: „So müsst ihr aussehen. Denn alle Szenen haben wir authentisch dargestellt.“
„Die Kostüme schmeißen wir nicht weg!“
Aber auch jedes noch so schöne Festjahr geht einmal zu Ende – und dann? „Ich sagte: Die Kostüme schmeißen wir nicht weg – wir machen damit ein Sehusafest! Eigentlich dachte ich, die Leute fangen vor Freude an zu tanzen, aber es gab Tumulte!“, erzählt sie. Die, die Kostüme hatten, waren begeistert, aber andere sagten, es gäbe doch schon zwei Schützenfeste, was soll es da noch ein Fest geben... „Aber ich habe mich trotzdem durchgesetzt.“ 1975 steigt das erste Sehusafest. „Die Mannen vom Sportverein mimten die Ratsherren von 1428, das Jahr, in dem Seesen die Stadtrechte verliehen bekam“, weiß sie, als ob es gestern war. Heute gehen die Ratsfrauen und -männer selbst beim Umzug vorweg. In roten Samtroben – den ausgemusterten Stoff bekam sie einst von der Einbecker Brauerei.

Was für ein Trubel in Seesen: Menschen über Menschen säumen bei einer frühen Auflage des Festes beim Festumzug den Straßenrand. Foto: Archiv Paetz-Kalich
Der erste Schritt war getan – nun galt es, das Fest zu etablieren, weiter auch auszugestalten und wachsen zu lassen. Wohl kaum eine Kulisse, die sie nicht selbst entwarf oder bei der sie nicht den Pinsel anlegte. „Vollgekleckst ging es anschließend noch zum Einkaufen. Wie ein Schweinchen sah ich aus. Da fragten mich dann die Leute schon: Na, haben Sie wieder fürs Sehusafest gemalt?“ Das Stadttor hat sie in den vergangenen Jahrzehnten zweimal entwerfen müssen, weil am ersten der Zahn der Zeit genagt hatte – „ein Merian-Stich diente als Vorlage. Es soll ja auch alles authentisch sein.“ Dieses Attribut verwendet sie oft. Rund 20.000 Gäste strömten zu den ersten Auflagen – 1981 auch hoher Besuch aus Hannover. Ministerpräsident Ernst Albrecht gab sich die Ehre – und ließ sich auf dem mittelalterlichen Markt rasieren.

Diese Medaille wird die Mutter des Sehusafestes am Sonntag beim Festumzug wieder um den Hals tragen. Foto: Gereke
Ob sie stolz auf ihre Leistung ist? „Ich bin nicht stolz, aber ich freue mich, dass alles so gelaufen ist, dass wir nicht aufgegeben, sondern durchgehalten haben“, sagt die Mutter des Sehusafestes. Programm und Ablauf seien all die Jahre so geblieben – „das gehört zu Seesen und ich freue mich, dass Seesen durch das Fest bekannt geworden ist. Alle haben begriffen, dass das Sehusafest Seesen gut tut – jetzt sagt keiner mehr, ein Sehusafest ist Blödsinn“. Ach ja, eines hat sich in all den Jahren doch gewandelt: „das Sicherheitskonzept.“

Die Reitervorführung der Sehusa-Ritter ist auf der großen Freifläche vor dem Städtischen Museum zu sehen. Foto: Neuendorf (Archiv)
50 Jahre Sehusafest bedeutet aber nicht gleichzeitig, dass es auch das 50. Fest ist – Corona ist daran schuld, denn während der Pandemie mussten die Seesener aussetzen. Übrigens feiert nicht nur das Sehusafest Jubiläum – auch Elisabeth Paetz-Kalich hat bald Grund zum Feiern. Sie wird in diesem November 100 Jahre alt. Und mit einem Jahrhundert im Rückblick, da heißt es dann zu den Anfängen des Festes schon mal „neulich vor 50 Jahren“.
Schwertkämpfe und Schutten-Steinschleuder
Natürlich will sie am Samstag und Sonntag auch wieder dabei sein, wenn Seesen zur Zeitreise einlädt und in der Stadt Ausnahmezustand herrscht. Dann schlagen Tillys Truppen ihr Lager auf, Ritter messen sich in mittelalterlichen Schwertkämpfen und die Schutten machen die große Steinschleuder für den Kampf fertig. Die Seesener sprechen stolz davon, dass es das größte Historienfest
Früher gab es zum Sehusafest auch Puppen – diese hier in Elisabeth Paetz-Kalichs Wohnzimmer stellt Merian dar. Foto: Gereke

Der große Festumzug am Sonntagnachmittag nimmt in diesem Jahr eine neue Route. Foto: Neuendorf (Archiv)
Eines der Highlights neben zahlreichen Bands, abwechslungsreichen Vorführungen und atemberaubenden Schlachtszenen ist auch in diesem Jahr wieder der große Festumzug am Sonntag. Ab 14 Uhr ziehen Gaukler, Marketenderinnen, Ritter, Musketiere und Ackerbürger durch die Seesener Innenstadt. In diesem Jahr sieht die Route aber etwas anders aus: Wie gewohnt beginnt der Umzug am Schützenplatz und wird dann über die Lange Straße in die Poststraße geleitet. Von dort geht es in die Jacobsonstraße – dort biegt der Umzug jedoch schon in die Bismarckstraße ein und wird über die Straße Drakenpfuhl auf die Straße Am Graben gelenkt. Auch die Ehrentribüne erhält einen neuen Platz: Geladene Gäste können den Umzug an der Ecke Bismarckstraße/Jacobsonstraße von einem Sitzplatz aus verfolgen.

Musketenknall gehört an diesem Wochenende wieder zum guten Ton in Seesen – es ist Sehusafest-Zeit. Foto: Privat
Das Sehusafest öffnet am Samstag um 13 Uhr die Stadttore. Der historische Markt im Schlosspark ist bis 23 Uhr geöffnet, die Gastronomie bis 1 Uhr. Am Sonntag öffnet das Sehusafest um 11 Uhr. Um 19 Uhr beendet der Nachtwächter das Sehusafest. Eintritt: Der Tagespreis für Erwachsene beträgt 8 Euro, ermäßigt 5 Euro. Der Wochenendpreis für beide Tage liegt bei 14 Euro (ermäßigt 8 Euro). Der Eintritt für Kinder unter sieben Jahren ist frei. Alles Infos zum bunten Treiben gibt es im Netz unter www.sehusafest.de.
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