Lieblingsecke der Johanniter in Goslar
In nur zwei Wochen baute Sabine Schestokat-Haupt (re.) die DRK-Kleiderecke auf, die seit dem 1. Januar die „Lieblingsecke“ der Johanniter ist. Von Anfang an an ihrer Seite: Christine Voss und Kirsten Metz (v.li.). Foto: Kempfer
Hier muss sich niemand nackig machen, um Kleidung zu kaufen, sagt Sabine Schestokat-Haupt, die in Pandemiezeiten die Kleiderecke fürs DRK aufbaute und sie jetzt mit viel Herzblut für die Johanniter betreibt. Immer gesucht: Waren und Ehrenamtliche.
Goslar. Eine Bluse für 4,50 Euro, eine Hose für 5 Euro und einen Blazer für 8 Euro, fertig ist das neue Outfit – selbst die passenden Schuhe dazu könnten hier im Regal stehen, in der „Lieblingsecke“ der Johanniter am Vogelsang. Dort hat Anfang des Jahres der Betreiber gewechselt, ein neues Logo leuchtet von der Hauswand: Die Johanniter haben den Second-Hand-Laden vom insolventen DRK-Kreisverband Goslar übernommen.
Drinnen wurde auf Konstanz gesetzt – die Ansprechpartner sind dieselben geblieben, und das ist gut so, denn dadurch wurde kein Herzblut verschüttet, das hier in Mengen fließt: Es stammt von Sabine Schestokat-Haupt, die bis zur zweiten Welle der Corona-Pandemie einen Second-Hand-Laden in Vienenburg hatte und dann die Herausforderung annahm, die „Kleiderecke“ für das DRK am Vogelsang aufzubauen. „Das ist mein Baby“, sagt sie, freut sich, dass sie die Kleidung zu niedrigen Preisen weitergeben kann: „Man muss sich nicht nackig machen, wenn man etwas zum Anziehen haben möchte“, sagt sie.
Ein Wohlfühlort
Unter den neuen Betreibern bekam der Ort einen neuen Namen. Der blieb „eckig“, der Liebling kam hinzu, aufgeschnappt von einer Kundin, die ein Telefonat bekam und ihrem Anrufer sagte: „Ich bin hier gerade in meiner Lieblingsecke“. Sabine Schestokat-Haupt erzählt die Anekdote immer wieder gern, denn das zeigt, dass sie und ihr Team einen Wohlfühlort geschaffen haben. Das war Absicht: „Ich möchte die Welt ein bisschen besser machen“, sagt die 52-Jährige – und strahlt.

Die "Lieblingsecke" liegt wirklich an einer Ecke, dort, wo die Mauerstraße in den Vogelsang mündet. Foto: Kempfer
Nachhaltigkeit ist das Gebot der Stunde, und an diesem Ort kommt noch ein wesentlicher Punkt hinzu: das Soziale. Wer durch die Ladentür der Second-Hand-Boutique tritt, wird wahrgenommen. Keine Selbstverständlichkeit. Oft ist ein Schwätzchen drin, und wer einer der lebenserfahrenen Mitarbeiterinnen von dem Päckchen berichtet, das er zu tragen hat, fühlt sich schon gleich ein bisschen erleichtert.
Florierendes Geschäft
Der Laden läuft: „Es ist voll und es wird sehr viel gekauft“, berichtet die Vienenburgerin, die vier Kinder großgezogen hat. Von den jungen Frauen kommen auch mal Tipps. Die Waren werden bereits im Schaufenster schön präsentiert, das lockt die Kunden an – im Geschäft gibt es auf fast 200 Quadratmetern viel zu stöbern. Modisches und Klassisches: „Es gibt Kunden, die sich jede Saison neu einkleiden“, verrät sie: „Jeder hat seinen eigenen Geschmack und kleidet sich schön.“

Im fast 200 Quadratmeter großen Verkaufsraum ist richtig Platz zum Stöbern. Foto: Kempfer
Die multikulturelle Kundschaft kommt aus allen sozialen Schichten, und das ist gewollt – niemand soll ausgeschlossen werden oder wird komisch angeguckt. Hier suche ein Banker ebenso nach einem schönen Stück wie ein Zille-Besucher, der sich für ein Vorstellungsgespräch einkleiden will. Die Menschen beraten sich gegenseitig, kommen in Kontakt. Oft kommen ganze Gruppen. „Es hat sich rumgesprochen“, freut sich Sabine Schestokat-Haupt, die auch mal ein paar Teile für eine Schul-Mottoparty zurücklegt.
Begegnungen auf Augenhöhe
„Alle sind gleich und werden gleich behandelt“, versichert sie. Und, wer weiß? Vielleicht bringe ja gerade der Banker, der hier ein Hemd gekauft habe, nächstes Mal seinen nicht mehr passenden Anzug vorbei. Immer wieder gibt es auf den Ständen und an den Bügeln gute Markenkleidung. Menschen trennten sich leichter von guten Sachen, wenn sie wissen, dass diese wertgeschätzt werden; andere freuen sich drüber. Sie begegnen sich „auf Augenhöhe“, versichert die Chefin.

Das kann als Motto für die "Lieblingsecke" gelten. Foto: Kempfer
Schon häufiger wurde sie in der Stadt angesprochen: „Guck mal, alles von Euch!“ sagte dann jemand mit Stolz zu seiner Garderobe. „Das bringt Freude, für jeden, für alle“, sagt Schestokat-Haupt.
Johanniter mögen Goslar
Für die gemeinnützigen Johanniter, die voll hinter diesem Konzept stehen, eine gute Gelegenheit, den Fuß in die Tür der Kaiserstadt zu bekommen, sagt Frauke Engel, die für die Medienarbeit der Johanniter-Unfall-Hilfe, Regionalverband Harz-Heide, verantwortlich zeichnet – und nach eigenem Bekunden sehr gerne aus Braunschweig nach Goslar kommt. Die neue Kita der Johanniter am Georgenberg war bislang ein guter Grund dafür, jetzt ist das Secondhand-Geschäft als feste Anlaufstelle in der Altstadt dazu gekommen. Mit einem Warenlager in der Nachbarschaft (Petersilienstraße, ehemals Nabu) wurde aufgerüstet, inzwischen gibt es neben der Warenannahme im Geschäft die ersten zwei Container. Auch mit einem Hausnotrufsystem sind die Johanniter schon in Goslar vertreten, und sie halten die Augen auf – es darf gerne noch mehr werden, signalisiert Engel – Goslar sei ein guter Ort, um die Johanniter sichtbar zu machen.
Für die Lieblingsecke werden weiter Waren („von der Socke bis zum Hut“) und Ehrenamtliche gesucht, die allerdings sowohl psychisch als auch physisch belastbar sein müssen: „Kleidung ist schwer“, versichert Schestokat-Haupt, und es muss viel getragen werden. Das Geschäft hat dienstags von 10 bis 18 Uhr geöffnet, mittwochs und donnerstags von 10 bis 14 Uhr sowie freitags von 14 bis 18 Uhr.