Schulbeginn und Marschbefehle in Goslars israelischer Partnerstadt

Eine Schülerin in Ra'anana auf dem Weg zur Schule. Foto: Sturm
Régine Sturm berichtet aus Goslars israelischer Partnerstadt Raanana. In ihrem sechsten Brief schreibt sie vom Wiederbeginn der Schule und von neuen Einberufungsbefehlen für die Soldaten. Die Erinnerung an den 7. Oktober 2023 ist allgegenwärtig.
Raanana. In ihrem sechsten Brief aus Goslars israelischer Partnerstadt Raanana berichtet Gastautorin Régine Sturm vom Ende der Sommerferien in Israel, vom Schulsystem und von Einberufungsbefehlen für die Soldaten des Landes. Die Erinnerung an den 7. Oktober 2023 ist allgegenwärtig.
Die zweimonatigen Sommerferien sind vorbei. Jedes Jahr am 1. September beginnt in ganz Israel für alle Schüler und alle Schularten, vom Vorschulkindergarten (ab drei Jahre) bis zu den Abiturklassen, das neue Schuljahr. Im Unterschied zu Deutschland gibt es hier nur einen einzigen Abschluss, nur eine Schulform nach der Grundschule (sechs oder acht Jahre) nämlich das Gymnasium und das Abitur. Von den in den ersten Jahren des Staates (von Einwanderern aus deutschsprachigen Ländern eingeführten) Berufsschulen sind nur wenige übriggeblieben; sie leiden unter einem schlechten Ruf, gelten als letzte Station für Schulversager – ein schwieriges Thema. In einer seit vielen Jahren bestehenden Zusammenarbeit zwischen dem israelischen und dem deutschen Bildungsministerium wird versucht, das erfolgreiche duale System der Berufsausbildung in Israel einzuführen … leider mit beschränktem Erfolg.
Marschbefehle für israelische Soldaten
Während Lehrkräfte, Kinder und Eltern ihren Alltag wieder aufnehmen, ziehen sehr viele junge und weniger junge Männer (und manche Frauen) zum x-ten Mal die Uniform wieder an. Sie verlassen ihre Familien, ihren Berufsalltag – wieder geht es ab in den Süden nach Gaza oder in den Norden, an die Grenze zu Syrien oder zum Libanon. Vor knapp zwei Wochen haben sie einen erneuten Marschbefehl bekommen. In diesen Tagen müssen sie sich melden. Es geht wohl um die letzte Runde, die Aufdeckung und Sprengung des schier endlosen Terrortunnelsystems unter Gaza Stadt, den Kampf gegen die in der Stadt verschanzte radikal-islamistische Hamas.
Der 7. Oktober ist immer präsent
Die Ereignisse des 7. Oktobers 2023 sind allgegenwärtig. Jeder Israeli kennt einen Betroffenen. Meine Nachbarin, Naama Levy, die am 7. Oktober mit anderen Soldatinnen aus dem Überwachungsstützpunkt in Nachal Oz nach Gaza verschleppt wurde, hatte ich in einem früheren Brief schon erwähnt. Sie wurde nach 477 Tagen in der Hölle freigelassen. Sie hat zwar offiziell ihre Reha erfolgreich hinter sich, doch die physischen und seelischen Narben bleiben für immer. Die 21-jährige Enkelin einer Freundin wurde auf der Wiese des Nova-Festivals auf grausamste Art und Weise ermordet. Erst nach 16 Tagen qualvoller Ungewissheit über ihr Schicksal, konnten ihre sterblichen Überreste dank DNA-Test identifiziert werden. Als westliche, humanistisch sozialisierte Menschen stehen wir der rohen, brutalen Gewalt der Islamisten verständnislos und hilflos gegenüber. Das zeigt sich in den letzten Jahren auch in Deutschland. Der aus der Nachbarstadt Tira stammende Psychologe Achmad Mansour thematisiert diese Problematik in den deutschen Medien auf klare Art und Weise.
Besuch vom Bundespräsidenten: Frank-Walter Steinmeier (rechts) im Kibbuz Beeri direkt am Gazastreifen. Der große, kräftige Mann in der Mitte ist Avida Bachat. Er trägt eine Prothese am rechten Bein. Seine Frau und sein Sohn wurden am 7. Oktober 2023 ermordet. Er und seine Tochter wurden lebensgefährlich verletzt – sie waren im Schutzraum, der jedoch dem Kugelhagel nicht standhielt. Foto: Sturm
Hoffnung auf Frieden schwindet
Die Hoffnung auf ein Abkommen mit der Hamas ist verflogen. Immer wieder stellten sie neue Forderungen. Ein Großteil der Familien der 900 Gefallenen, auch eine Gruppe von Eltern der Geiseln, fordern, die Terrormiliz ein für alle Mal zu besiegen; ihre Söhne, Ehemänner, Brüder, Kameraden seien nicht gefallen oder seit fast zwei Jahren in den Tunneln der Hamas, um jetzt zu kapitulieren und den nächsten 7. Oktober zuzulassen, um Terrorgruppen zu zeigen, dass das Töten und Entführen friedlicher Bürger als Mittel zum Zweck dienen kann. Nur wenige setzen sich nach all den gescheiterten Versuchen, ein Abkommen herbeizuführen, noch für Gespräche ein. Diese Gruppe ist zwar lautstark und aggressiv, verliert jedoch an Anhang.
Noch immer hält die Hamas knapp 20 Geiseln gefangen, die sich in einem lebensbedrohlichen Zustand befindend; 28 weitere haben ihr Leben wohl eingebüßt. Vor mehreren Tagen wurden die Leichen von zwei am 7. Oktober 2023 getöteten Israelis aus dem Gazastreifen geborgen. Nach schier endlosem Warten konnten die Familien die sterblichen Überreste ihrer Angehörigen zu Grabe tragen. Wir hoffen alle auf eine baldige Rückkehr der Geiseln und ein Ende des Krieges.
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