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Charakterköpfe für Hexe, Tod & Teufel

GZ Plus IconDer Goslarer Bildhauer Rudolf Nickel und seine Karsperl-Puppen

Markante geschnitzte Gesichtszüge machen den Charme der Nickel'schen Puppenköpfe aus.

Markante geschnitzte Gesichtszüge machen den Charme der Nickel'schen Puppenköpfe aus. Foto: Schenk

Der Goslarer Bildhauer Rudolf Nickel ist nicht nur für seine Arbeit am Altar der Hahnenkleer Stabkirche bekannt. Auch zahlreiche Handpuppen und Marionetten für norddeutsche Bühnen stammen aus seiner Werkstatt.

Von Martin Schenk Sonntag, 26.10.2025, 04:00 Uhr

Goslar. Spuren des Goslarer Bildhauer Rudolf Nickel sind im Goslarer Stadtbild überall zu finden. Seine Modelle waren Bergleute, Hirten und die Fuhrleute, die er in seinen künstlerischen Arbeiten porträtierte. Doch auch Figuren für Puppentheateraufführungen, allen voran der Kasper mit einer ausgesprochen markanten Nase, entstanden in Nickels Werkstatt.

Nickel wurde am 7. April 1890 in der unteren Kornstraße in Goslar geboren und verstarb 1975 in Goslar. Vater und Großvater waren Tischler, und Rudolf Nickel begann 1905 nach dem Besuch der Knabenmittelschule eine Lehre bei dem Bildhauer Hans Seegebarth. Seine Lehrjahre seien keine Herrenjahre gewesen, schreibt die Redakteurin Ursula Müller, die das Nickel-Buch vom Museumsverein (1984) inhaltlich gestaltete. Dem jungen Bildhauer habe das aber nichts ausgemacht, er beschäftigte sich auch in seiner knappen Freizeit freiwillig mit Zeichnen und Malen.

Erste Arbeiten in der Hahnenkleer Stabkirche

Seegebarth erkannte das Talent und setzte Nickel in der zweiten Hälfte der Lehrzeit bei den Holzbildhauerarbeiten in der Hahnenkleer Stabkirche ein. Die linke Hälfte des Altars und die Kanzel waren sein Werk.

Rudolf Nickel bei der Arbeit in seiner Werkstatt in der Mauerstraße 31.

Rudolf Nickel bei der Arbeit in seiner Werkstatt in der Mauerstraße 31. Foto: Repro: Schenk

Die Lehrzeit endete Ende März 1909 und es begannen wirtschaftlich schlechte Zeiten. Nickel nutzte die Jahre 1910 und 1911 zur Weiterbildung in der Theatermalerei und ging auf Wanderschaft. In Hamburg arbeitete er beim Wiederaufbau der abgebrannten Michaeliskirche mit. Als Höhepunkt seiner beruflichen Laufbahn nennt Nickel seine Schnitzarbeiten auf dem damals größten Passagierdampfer der Welt, dem „Imperator“.

Im Jahr 1913 kehrte Nickel, der inzwischen „Wandervogel“ (Jugendbewegung) geworden war, auf Wunsch seines Vaters nach Goslar zurück. Seine Familie hatte das Haus Mauerstraße 31 erworben, zu dem der 1280 gebaute und sagenumrankte Teufelsturm gehörte. Sein Vater betraute Rudolf mit den umfangreichen Umbauten. Das Haus trägt bis heute die Handschrift des Sohnes, zu erkennen an den Schnitzereien über dem Eingang und dem großen Kronleuchter in der Eingangshalle. Man kann hoffen, dass bei den bevorstehenden Renovierungen vieles erhalten bleibt. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg ging Nickel zur Fortbildung an die bekannte Holzschnitzerschule in Bad Warmbrunn.

Der Weltkrieg unterbrach die berufliche Laufbahn, seine Zeichnungen geben Zeugnis vom Soldatenalltag und zeigen die Landschaft der Karpaten, wo er eingesetzt war. Im Dezember 1918 kam Nickel über Berlin nach Goslar zurück und studierte weiter an der Handwerker- und Kunstgewerbeschule Hildesheim. Er bestand die Meisterprüfung als Holzbildhauer mit „sehr gut“.

Bergleute und Köhler aus Holz

In Goslar verkaufte er zwischen 1922 und 1928 erst am Hohen Weg und dann im Güldensternhaus in der Rosentorstraße eigene kunstgewerbliche Figuren wie Harzer Bergleute, Kuhhirten, Köhler, Fuhrleute, aber auch Leuchter und Truhen auch Objekte von fremden Künstlern.

Nickel lernte seine Frau Luise bei der Wandervogel-Bewegung kennen. Sie heirateten 1923 in Goslar in der St. Annenkapelle, eigentlich war die Hochzeit im Grünen geplant, aber der Regen verhinderte die Hochzeit im Freien.

Neben seinen bekannten Arbeiten in Goslar und dem Harz fertigte Nickel auch Handpuppen und Marionetten für norddeutsche Puppenspieler. Es waren einerseits Auftragsarbeiten für bekannte Puppenbühnen, er schnitzte aber auch selbst entwickelte und gestaltete Figuren mit sehr markanten Gesichtszügen, von denen er Fotografien anfertigen ließ und die man als Serie für bestimmte Stücke bei ihm erwerben konnte.

Heidekasper tritt bei Kleinkunsttagen auf

Der in Goslar von den Anfangsjahren der „Tage der Kleinkunst“ sehr bekannte Puppenspieler, der „Heidekasper Walter Büttner (1907-1990)“, spielte 1982 in Goslar noch den Nickel‘schen Kasper.

Der Puppenspieler Walter Büttner gastierte 1980 bei den Goslarer Tagen der Kleinkunst und spielte teilweise mit den Nickel-Figuren.

Der Puppenspieler Walter Büttner gastierte 1980 bei den Goslarer Tagen der Kleinkunst und spielte teilweise mit den Nickel-Figuren. Foto: Repro: Schenk

Büttner kaufte seinen ersten Handpuppensatz als selbstständiger Puppenspieler 1926 bei Rudolf Nickel. Büttners bekannteste Stücke, der Faust für Handpuppen und seine „Anno-Tobak-Szenen“ waren in Goslar zu sehen. In einem Radio-Interview aus dem Jahr 1988 berichtet Büttner, dass er seinen ersten ältesten Kasper bei Rudolf Nickel gekauft habe. In den Kriegsjahren sei er als Soldat in der Normandie gewesen und hätte seine Puppen in der Hamburger Wohnung zurücklassen müssen. Als er auf Sonderurlaub war und seine Puppen auf Anweisung seines Chefs mit nach Frankreich bringen sollte, waren die Figuren weg. Den gleichen Kasper habe er später bei Fritz Leese (Puppenspieler aus Kassel) gesehen und erst gedacht, dass es seiner sei ..

Im Glasplattenbestand des Stadtarchivs befinden sich sieben Motive von den Figuren – datiert auf das Jahr 1931 und aufgenommen von Dr. Friedrich Behme .

Im Glasplattenbestand des Stadtarchivs befinden sich sieben Motive von den Figuren – datiert auf das Jahr 1931 und aufgenommen von Dr. Friedrich Behme . Foto: Repro: Schenk

Puppenköpfe von Rudolf Nickel, die um 1930 entstanden sind.

Puppenköpfe von Rudolf Nickel, die um 1930 entstanden sind. Foto: Schenk

Kasper mit schiefer Nase

Es stellte sich heraus, dass Nickel ganz Serien von Puppen für viele Puppenbühnen anfertigte und der Kasper als Hauptperson war oft nachgefragt. Büttner beschreibt Nickels Schnitzart so: „Sein Markenzeichen war die grobe Schnitzart und beim Kasper die unsymmetrische schiefe Nase, die damals so üblich war in der Jugendbewegung in den 20er Jahren“.

Der bekannte Puppenspieler Fritz Leese (1909-2004), wie Nickel Mitglied beim „Wandervogel“, kaufte bei Nickel im Alter von 15 Jahren seine ersten Figuren. Er gründete nach dem Krieg in Hessen die Soldiner Puppenbühne und ging damit weltweit auf Reisen.

Ein größeres Konvolut von Puppenköpfen mit dazu passenden Händen und Füßen konnte ich als Autor dieses Textes 2023 in einem Goslarer Antiquariat erstehen. Dazu muss man wissen, dass das Figurentheater von Jugendzeit an zu meinen Hobbys gehört. Anlass war der „Fund“ einer Marionette, die mein Vater während seiner Schulzeit im Ratsgymnasium gebaut hatte und die auf dem Dachboden schlummerte. In Jugendjahren gestaltete ich Puppentheater-Aufführungen im Hubertushof und dem Achtermann für Vereine. In meinen Bücherregalen steht umfangreiche Literatur zum Figurentheater.

Hexe, Tod und Teufel

Zu den Nickel-Figuren gehören Charaktere, die in jedes Puppentheater gehören wie der Kasper (zweimal vorhanden), der Teufel, verschiedene Räuber, Wächter, Hexen, Könige und Prinzessinnen, aber auch Figuren aus Goethes Faust, der Tod und die Figur des Mohren. Die Puppenköpfe, die in Goslar entstanden sind, werden also weiterhin auch in Goslar bleiben.

Markante geschnitzte Gesichtszüge machen den Charme der Nickel'schen Puppenköpfe aus.

Markante geschnitzte Gesichtszüge machen den Charme der Nickel'schen Puppenköpfe aus. Foto: Schenk

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