Wie ein Klassik-Festival auch für junge Menschen attraktiv wird
Autogrammstunde: Nach der Generalprobe wird Robeat von seinen neuen Fans belagert. Foto: Raksch
Vor dem Auftritt beim Harz-Classix-Musikfest besuchte Beatboxer Robeat für einen Workshop die Robert-Koch-Schule. Anschließend trafen in der Aula Academica Liszt und Bach auf Beatbox.
Clausthal-Zellerfeld. Laute Beats, „Billie Jean“, verblüffend echte Naturgeräusche: Wie ist all das mit nichts als dem Mund möglich? Und wie ist es, einem Star-Beatboxer zu begegnen? Das Harz-Classix-Team hatte den Mundakrobaten Robeat am Dienstagabend zum Musikfest in der Aula Academica eingeladen. Doch vorher machte er einen Abstecher in die Robert-Koch-Schule, um Sechstklässlern bei einem Workshop die Grundlagen seines Musikstils beizubringen. Und um ihnen ein paar besondere Momente zu schenken.
Schon lange vor dem Besuch seien sowohl die Jungen als auch die Mädchen aufgeregt und voller Vorfreude gewesen, sagt Lehrerin Hella Janssen der GZ. Bevor der Europameister im Beatboxen, Robeat, sich ihnen zeigte, war das Getuschel im Raum bereits groß. Wie ist er wohl drauf? Was zeigt er uns heute? Können wir das auch lernen? Dann stand er vor ihnen und ließ auch direkt harte Techno-Beats, Hip-Hop-Klänge, aber auch Geräusche wie galoppierende Pferde und Autos erklingen. Alles ganz ohne Instrumente.
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Genau das war eben auch die erste Lektion des Workshops: Der Körper ist ein Instrument. Mit Mund, Hals, Nase und Zunge lassen sich unterschiedlichste Töne erzeugen. So entstehe eine Sprache, die jeder Mensch überall auf der Welt versteht, sagte Robeat. Und zwar Musik.

Bei einem Workshop lernen die Sechstklässler direkt vom Profi. Foto: Raksch
Was ist eine „Pizza-Katze“?
Von Beginn an hingen ihm die Kinder an den Lippen. Begeistert versuchten sie, dem Beatboxer jeden Laut nachzumachen. Robeat zeigte unter anderem, wie sich mit dem Mund der Sound von Kick-Drums, Hi-Hats und Snare-Drums erzeugen lässt. Für Beatboxer sei das wie Vokabeln im Englischunterricht. Erst lernt man die Laute, dann kombiniert man sie.
Mit Ausdrücken wie „Pizza-Katze“ oder „Bitte die kaputte Katze“ mit der richtigen Betonung entstanden die ersten Sounds dann fast schon von allein. Schließlich durfte jeder Schüler auch einmal ins Mikrofon beatboxen, wie ein richtiger Profi.

„Pizza-Katze“ und „Bitte die kaputte Katze“: Das sind die ersten Tonabfolgen, die Robeat den Sechstklässlern beibringt. Foto: Raksch
Wie Janssen und die Sechstklässler Summer, Omar und Jakob erzählten, hatte vorher kaum jemand von ihnen Erfahrung mit Beatbox. Doch Robeat hatte sie in der kurzen Zeit mit seinem Humor und Können in seinen Bann gezogen.
Nach dem Workshop hat er jetzt mit Sicherheit ein paar junge Fans mehr. Und vielleicht sogar ein paar künftige Beatboxer inspiriert: Sechstklässler Omar versicherte danach jedenfalls, er wolle auf jeden Fall gern mehr davon lernen. Auch im Musikunterricht, finden die Schüler, dürfte es künftig ruhig öfter um Beatbox gehen.
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Vorgeschmack aufs Musikfest
Nach dem Workshop folgte am Mittag ein Schulkonzert in der RKS, bei dem sich Robeat mit dem Harz-Classix-Act Evgeny Konnov zusammentat. Die beiden hatten vor, beim Musikfest am Abend in der Aula Academica ein Experiment zu wagen: Beatbox und Klavier in einem.

Robeat und der Pianist Evgeny Konnov treten in der Robert-Koch-Schule erstmals zusammen auf. Foto: Raksch
Auch die anderen RKS-Schüler bekamen nun schon einen Vorgeschmack: Sie durften sich bei der Generalprobe einige Ausschnitte aus dem Musikfest-Programm anhören und beim ersten gemeinsamen Auftritt der Künstler live dabei sein. Am Ende blieb vor Staunen kaum ein Kindermund geschlossen. Die Begeisterung war sogar so groß, dass viele Schüler schon kurz nach dem letzten Ton zur Bühne stürmten, um sich ein Autogramm abzuholen. Für einige war es die erste richtige Unterschrift von einem bekannten Musiker. Ein Schatz, der jetzt zu Hause einen Ehrenplatz bekommt.
Und das Erlebnis wirkte nach: Am Abend gab Harz-Classix den RKS-lern die Möglichkeit, sich das richtige Konzert anzuschauen. Am Ende waren es statt 20 knapp 40 Schüler, Lehrer und Angehörige, die das Musikfest in der Aula Academica besuchten. Laut Janssen flatterten nach der Generalprobe noch einmal jede Menge Anmeldungen ein.
Harz-Classix gelingt ein gewagtes Experiment
Und dann ging es los: „Wir probieren heute mal etwas, das man normalerweise nicht macht“, versprach der Pianisten-Nachwuchsstar Konnov am Dienstagabend in der Aula Academica. Und er hielt Wort. Zuvor hatte das Harz-Classix-Festival die Kombination von Beatbox und Piano in einem Konzert als „Instrumental & Vocal Challenge“ angekündigt. Und das Ergebnis? Ein geglücktes Experiment, das die meisten Gäste so wohl noch nie gehört hatten.

Der Pianist Tao Phileas Karst aus Röpzig und die Goslarerin Viktoria Maria Zienkiewicz (Querflöte) sind Gewinner des Wettbewerbs „Jugend musiziert“. Foto: Neuendorf
Erstmals seit 2019 fand das Musikfest nun wieder in der TU-Aula statt. Seit jeher sei die Veranstaltung, so der musikalische Kurator Prof. Hans-Christian Wille, eine Plattform für besondere sowie auch junge Künstler gewesen. Dass das Harz-Classix-Team für den Auftakt des Konzerts zwei Preisträger des Wettbewerbs „Jugend musiziert“ akquirieren konnte, passte also perfekt ins Konzept.
Zwar hat der Pianist Tao Phileas Karst aus Röpzig in Sachsen-Anhalt nach eigenen Angaben bereits mehr Stücke komponiert, als sich an zwei Händen abzählen ließen. Trotzdem brachten er und die Goslarerin Viktoria Maria Zienkiewicz (Querflöte) für diesen Abend zwei Sonaten mit, die schon lange einen festen Platz im Flötisten-Repertoire besitzen: Sie eröffneten mit den beiden ersten Sätzen der Sonate für Flöte und Klavier von Francis Poulenc, bevor sie mit La Flûte de Pan op. 15 für Flöte und Klavier von Jules Ernest Georges Mouquet leidenschaftlich in das Schaffen der antiken Gottheit Pan einblicken ließen.
Schnell und virtuos
Und dann wurde es so richtig rasant: Wer das Glück hatte, von seinem Sitzplatz aus Evgeny Konnov auf die Finger zu schauen, während er die Etüden eins bis vier sowie elf und zwölf der Études d‘exécution transcendante von Franz Liszt interpretierte, sah dessen Hände über der Klaviatur förmlich verschwimmen. Nicht ohne Grund gehört das Werk zum Anspruchsvollsten, was die Klavierliteratur so zu bieten hat.
Dennoch präsentierte sich Konnov in den ausgewählten sechs von insgesamt zwölf Etüden virtuos und ließ mit dem abschließenden musikalischen Schneegestöber der Etüde Nummer zwölf – „Chasse-neige“ in h-Moll – absichtlich sowohl ein Stück weit an die Gegebenheiten im Oberharz als auch an seinen Herkunftsort in Usbekistan erinnern. Nach seinem letzten Ton begann das Publikum zu toben, und der musikalische Kurator Wille kommentierte das Geschehen vor lauter Ehrfurcht lieber von unten, am Fuß der Bühne, weiter.
Bach trifft auf Beatbox

Beatbox-Profi Robeat braucht nur seine Stimme und ein Mikrofon, um dem Publikum einzuheizen. Foto: Neuendorf
Als dann auch Konnov noch einmal für ein gemeinsames Finale ans Klavier zurückkehrte, verschmolzen kurzzeitig die Musik von Johann Sebastian Bach und Beatbox zu einem Ganzen. Kann das beides zusammen überhaupt funktionieren? Die Reaktion aus dem Publikum sprach Bände: Mit nicht enden wollenden stehenden Ovationen verabschiedeten sie die Künstler von der Bühne.

Evgeny Konnov am Klavier und der Beatboxer Robeat lassen gemeinsam Genregrenzen verschwimmen. Foto: Neuendorf
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