Ortsrat Hahnenklee und alle Ortsvorsteher kommen auf den Prüfstand
Behält Hahnenklee seinen Ortsrat? Die Goslarer Politik hat das Thema ebenso auf dem Tisch wie die Alt-Vienenburger Ortsvorsteher. Foto: Heine (Archiv)
Behält Hahnenklee seinen Ortsrat? Sollen alle Ortsteile Vorsteher wie in Alt-Vienenburg bekommen? Oder verzichtet Goslar gleich auf alles? Vor der Wahl 2026 stehen Weichenstellungen an. Ab sofort diskutiert Goslars Ratspolitik.
Goslar. Hahnenklee hat einen Ortsrat. Die früheren Vienenburger Stadtteile haben Ortsvorsteher. Der Rest von Goslar hat nichts. Und über allem thront der Rat. So lautet – auf eine kurze Formel gebracht – die aktuelle Lagebeschreibung, was die politische Vertretung in der insgesamt nicht mehr ganz 50.000 Einwohner zählenden Welterbestadt angeht. Ob es so bleiben soll, ist ein knappes Jahr vor der nächsten Kommunalwahl die Frage. Der Ausschuss für Zentrale Dienste und Finanzen beschäftigt sich am Dienstag, 28. Oktober, mit drei Anträgen, die eine Neuorganisation vorschlagen – und zwar jeweils in sehr unterschiedlicher Form.
Fast zeitgleich hatten wie berichtet FDP und CDU schon Mitte August ihre Vorstellungen von einer künftig einheitlich(er)en Regelung in die Waagschale geworfen. Für die Liberalen erklärte Christian Rehse, das Vienenburger Modell ab 2026 für ganz Goslar fahren zu wollen. Neben Vienenburg, Immenrode, Lengde, Lochtum, Weddingen und Wiedelah sollen auch Oker/Sudmerberg, Jürgenohl, Ohlhof, Hahndorf und Jerstedt einen Ortsvorsteher bekommen. Hahnenklee-Bockswiese soll dies ebenfalls – und somit politisch abspecken. „Der Ortsrat wird nicht mehr besetzt“, heißt es im FDP-Antrag. Aufgrund der räumlichen Nähe zur Stadtverwaltung beziehungsweise der (zu) geringen Einwohnerzahl sieht die FDP für die Altstadt, den Georgenberg, den Steinberg, den Rammelsberg, die Baßgeige und Grauhof keine Extra-Vertretung vor.
Ortsvorsteher für alle
Die Christdemokraten wiederum wollen überall, wo möglich, einen Ortsvorsteher installieren und wünschen sich von der Verwaltung, dass sie für das Gebiet des vorfusionierten Goslars Grenzen für Ortsteile vorschlagen. Was für Oker, Jerstedt und Hahndorf klar sein sollte, wird in der Kernstadt schon schwieriger. Fraktionschef Norbert Schecke warb im August für ein Stärken der kommunalen demokratischen Teilhabe und eine bessere Kommunikation zwischen Verwaltung und Bürgern. Und natürlich sollten alle Stadtteile eine gleichwertige Stimme erhalten. Und der Hahnenkleer Ortsrat? Dessen Zukunft wollte Schecke im August von der politischen Diskussion abhängig machen.
Seit Mitte September liegt ein weiterer Antrag vor. Die Grüne Partei 42 macht es kurz und knapp. Der Hahnenkleer Ortsrat soll aufgelöst beziehungsweise nicht mehr gewählt werden. Und auch Ortsvorsteher soll es nicht mehr geben. Begründung: Das bislang nur für Alt-Vienenburg geltende Modell benachteilige andere Ortsteile. Und: „Abgesehen davon sind die jeweiligen Ortsvorsteher nicht demokratisch legitimiert.“ In der Tat sieht die bisherige Praxis vor, dass die jeweils stärkste politische Kraft in den Orten einen Besetzungsvorschlag machen darf, dem in der Regel vom Rat gefolgt wird. Was aber immerhin auch einen demokratischen Beschluss darstellt. Die Sichtweise der Gruppe widerspricht komplett der Vorstellung, die Schecke von Ortsvorstehern hat. „Sie kennen die Gegebenheiten vor Ort, sind ansprechbar für Nachbarschaftsinitiativen und tragen dazu bei, dass auch kleinere Themen Gehör finden“, definiert er.
Wer entscheidet die Sache eigentlich?
Aber darf das große Goslar überhaupt par ordre mufti anordnen, wie sich das knapp 1000 Einwohner kleine Hahnenklee politisch organisiert? Dort redet seit mehr als einem halben Jahrhundert ein elfköpfiger Ortsrat mit, wenn es politisch um den Kurort geht. Seine Existenz ist unter anderem im §10 des Eingliederungsvertrages aus den 1970er Jahren geregelt. Und dort steht auch, dass sich der Ortsrat nur mit einer Zweidrittelmehrheit seiner Mitglieder auflösen kann. Diese Regelung interpretiert das Goslarer Ratsbüro so, dass der Goslarer Rat allein den Ortsrat nicht abschaffen kann. Hahnenklee müsste vorlegen, bevor Goslar nachziehen könnte – und zwar auch mit einer Zweidrittelmehrheit.
Einen ersten Stimmungstest gab es wie berichtet Ende August im Ortsrat. Aus SPD und CDU kommt wenig bis keine Gegenliebe, was ein Ortsratsende angeht. Der Liberale Heinrich Wiebe schlug dagegen Zwischentöne an: „Hand aufs Herz: Sind wir vielleicht überrepräsentiert?“ Unabhängig von der Weiterexistenz des Gremiums hatten er und Ortsbürgermeister Heinrich Wilgenbus (CDU) aber bereits angekündigt, bei der nächsten Wahl am 13. September 2026 nicht mehr antreten zu wollen. Damit fallen zwei über Jahrzehnte prägende Köpfe weg. Wilgenbus-Stellvertreter Robert Vallespir hört wie berichtet zum Jahresende auf, weil er inzwischen städtischer Bediensteter ist. Da die SPD keinen Nachrücker mehr hat, zählt der Ortsrat ab Januar nur noch zehn Personen. Übrigens: Die eigentlich für Mittwoch, 29. Oktober, terminierte Ortsratssitzung entfällt. Wegen Themenmangels? So legt der Goslarer Finanzausschuss am 28. Oktober ab 17 Uhr im Sitzungsraum des Verwaltungsgebäudes an der Charley-Jacob-Straße zunächst einmal nur vor, ohne dass es ein direktes Echo vom Berg geben wird.
Was die Demokratie kostet
Zwei Zahlen nennt die Stadtverwaltung übrigens noch als Diskussionsgrundlage: Als Aufwandsentschädigungen sind für die elf Ortsratsmitglieder in Hahnenklee zusammen pro Jahr 11.916 Euro aufgerufen. Ein ähnlicher Betrag wird für die Organisation geschätzt. Die sechs Ortsvorsteher im Alt-Vienenburger Bereich kommen auf zusammen 11.700 Euro Aufwandsentschädigung im Jahr. Bis wann muss eine Entscheidung gefallen sein? Sollten Änderungen für die Kommunalwahl relevant seien, müssen sie bis zur Wahlbekanntmachung geregelt werden. Deren spätest möglicher Termin ist der 16. Mai 2026.
Zuletzt war das Thema wie berichtet Mitte November 2021 indirekt auf der Tagesordnung der konstituierenden Sitzung des aktuellen Rates im „Lindenhof“ gelandet – und wurde denkwürdig andiskutiert. Als die neuen Ortsvorsteher benannt werden sollten, enthielt sich die Grüne Partei 42. Fraktionschefin Sabine Seifarth begründete diesen Schritt mit eben jenem Gerechtigkeitsargument, das jetzt wieder in den Fokus rückt. Hahnenklee, Alt-Vienenburg, Alt-Goslar – drei Modelle in einer Stadt sind nicht angemessen und gerechtfertigt. Auf die Palme brachte die Grüne die anderen Fraktionen aber mit rhetorischen Fragen, die tief zielten: „Zählt die Person, die das meiste Freibier spendet? Warum werden Menschen Ortsvorsteher, die kaum Stimmen erhalten haben? Müssen Parteifreunde mit Pöstchen versorgt werden?“
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