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GZ-Adventsserie

GZ Plus IconDieses Jahr kaufen wir den Weihnachtsbaum aber früher

Am 24. Dezember muss der Baum stehen – auch wenn die Vorgeschichte manchmal abenteuerlich ist.

Am 24. Dezember muss der Baum stehen – auch wenn die Vorgeschichte manchmal abenteuerlich ist. Foto: Pixabay

„Mein schönster Weihnachtsbaum“ heißt in diesem Jahr der Titel unserer GZ-Adventsserie mit Beiträgen von unseren Leserinnen und Lesern. Ernst Gellert aus Schladen erzählt eine turbulente Geschichte um einen Baum und die wahre Botschaft von Weihnachten.

Sonntag, 01.12.2024, 15:19 Uhr

Schladen. Als ich noch im Außendienst unterwegs war, startete ich am Montag und kam oft spät am Freitag wieder nach Hause. Am Samstag waren dann die Post und der Papierkram dran, dann wurde noch eingekauft – und der Garten wollte auch noch schön sein.

Und gerade in der Adventszeit war die kostbare Zeit sehr knapp, weil da ja noch andere Aufgaben warteten, die erledigt werden mussten. Wenn die Außendienstler zur „Kalenderrallye“ aufbrachen, war die Zeit immer knapp, weil ja alle Kunden besucht werden mussten. Deshalb wurde auch das Besorgen des Tannenbaums oft bis zur letzten Minute hinausgeschoben – und deshalb fiel der Baum oft auch nicht gerade aus, weil alle schönen Bäume schon verkauft waren.

Der Wasserrohrbruch

„Dieses Jahr kaufen wir unseren Baum aber früher“, sagte meine Frau im späten November zu mir. „Ja, versprochen“, entgegnete ich. Also sollte es am zweiten Advent zum Weihnachtsbaumkauf losgehen. Ich montierte noch am Freitag spät abends den Dachgepäckträger auf meinem Auto und packte ein Seil ein, um den Baum darauf zu befestigen.

Am Samstag wurden wir bereits um 6 Uhr durch das durchdringende Klingeln des Telefons aus dem Schlaf gerissen. Wir hatten zwar einiges vor, doch so früh wollten wir eigentlich auch nicht aufstehen. Nachdem ich das Klingeln beim ersten Mal ignoriert und mir die Bettdecke ganz über den Kopf gezogen hatte, wurde ich beim zweiten Klingeln doch gezwungen, aus dem Bett zu springen und ans Telefon zu gehen. Mein Schwiegervater war dran: „Guten Morgen, wir haben einen Wasserrohrbruch im Keller. Könnt ihr kommen? Wir müssen alles raustragen, was nass geworden ist.“

Erschöpft auf dem Sofa

Ich weckte meine Frau und wir fuhren zu den Schwiegereltern, um zu helfen. Bei unserem Eintreffen war schon die Feuerwehr da, und meine Schwiegereltern waren kurz vor dem Nervenzusammenbruch. Das Wasser hatte alle Kellerräume erreicht und dort einigen Schaden angerichtet. Wir hatten den ganzen Tag zu tun, um zu retten, was noch zu retten war. Der durchnässte Rest wurde im Garten zum Abtransport in einem Container abgestellt.

Danach holte ich etwas zu essen, denn unsere Schwiegereltern und wir hatten den ganzen Tag noch nichts gegessen und saßen da wie ein Häufchen Elend. „Wir kommen morgen noch mal und helfen euch“, hörte ich meine Frau sagen. „Wochenende ade“, dachte ich mir, und so war es.

Am späten Sonntagnachmittag fielen auch wir erschöpft aufs Sofa. An den Weihnachtsbaum dachte jetzt keiner mehr. Wir waren froh, uns noch einige Stunden erholen zu können. Am Abend montierte ich den Dachgepäckträger wieder ab. Erst jetzt fiel mir auf, dass wir ja den Baum nicht gekauft hatten.

„Aber am nächsten Wochenende muss es angehen“, versprach ich meiner Frau. Am nächsten Sonntag war es dann so weit. Wieder wurde der Dachgepäckträger montiert, und auf ging es zum Weihnachtsmarkt und Weihnachtsbaumkauf. Wir hatten Glück und erstanden einen wirklich schönen Baum. Er wurde in ein Netz gepackt, und wir gingen zum Auto, um ihn auf dem Dach zu befestigen.

Nur noch einen Glühwein

Ein Ehepaar ging an uns vorbei, und plötzlich sagte die Frau: „Michaela, bist du es?“ Wie sich herausstellte, hatten meine Frau und die andere Dame zusammen das Gymnasium besucht. Die Wiedersehensfreude war so groß, dass man beschloss, noch einen Glühwein zusammen zu trinken. Da ich den Baum nicht über den ganzen Weihnachtsmarkt tragen wollte, drapierte ich ihn auf mein Autodach, verzurrte ihn gut – und auf ging´s zum fröhlichen Wiedersehensglühwein.

Aus dem einen wurden dann doch zwei Glühwein, weil man sich ja soooo lange nicht gesehen hatte. Es wurden beide Familiengeschichten erzählt, und man versprach, sich nach den Feiertagen zu besuchen. Wir verabschiedeten uns und gingen gut gelaunt zum Auto.

Der Baum ist weg

Dort angekommen, schrie meine Frau: „Der Baum ist weg!“ Tatsächlich hatte jemand unseren Weihnachtsbaum vom Dach geklaut. Das Seil lag schön zusammengerollt neben dem Wagen, und unsere gute Laune war schlagartig dahin. Was tun? Polizei rufen? Bringt nix. Wie sollte man den Täter überführen? Vielleicht war ja seine DNA am Seil zu finden, aber sicher würde der Erfolg der Aufklärung dieses Verbrechens den Aufwand nicht rechtfertigen.

Während der Heimfahrt herrschte eisige Stille im Auto. Nur Chris Rea sang: „Driving home for Christmas...“ Jetzt blieb nur noch der vierte Advent, um einen Baum zu besorgen. Also fuhren wir wieder zum Weihnachtsbaumverkauf. Wir hatten wieder Glück und fanden noch einen schönen Baum, mit dem wir auch gleich nach Hause fuhren, um ja nicht noch mal beklaut zu werden.

Da stand er auf der Terrasse im Ständer und wartete nur darauf, ins Wohnzimmer zu kommen, um geschmückt zu werden. Unsere Nachbarn, ein älteres Ehepaar, hatten auch ihren Baum auf der Terrasse stehen. Er war schon fast fertig geschmückt und leuchtete hell im Dunkeln. Sie konnten nicht mehr selbst fahren, und so besorgte der Sohn, der in München wohnte, den Baum. Am dritten Advent kamen alle Kinder und Enkel zu dem Ehepaar und feierten schon „vor“. Am Heiligen Abend waren dann alle zu Hause mit den Familien.

Traurige Nachbarn

Heiligabend holte ich den Baum dann in die Stube. Dabei vernahm ich aufgeregte Stimmen vom Nachbargrundstück. Ich ging zum Zaun. Da stand das ältere Ehepaar auf der Terrasse und rief zu mir: „Er ist weg! Unser schöner Tannenbaum ist weg.“ Tatsächlich war da, wo noch gestern der strahlende Baum gestanden hatte, nichts mehr. Die Leute waren völlig ratlos. Sie würden dieses Jahr keinen Baum haben, weil Sie ja nicht in die Stadt fahren konnten. Als ich meiner Frau diese Geschichte erzählte, ging Sie hinüber, um zum Trost einige selbst gebackene Kekse zu bringen. Als Sie zurückkam, sagte Sie: „Das ist wirklich traurig. Die sind ja völlig am Ende. Das erste Mal seit 53 Jahren haben die keinen Tannenbaum.“ Dabei sah Sie mich mit dem Blick an, den ich kannte. Dieser Blick sagte immer, wenn Sie ihn aufsetzte: ,Du kannst mir diesen Wunsch nicht abschlagen.‘

Schenken ist Freude

„Oh nein, sagte ich. Nein, und noch mal Nein! Ich weiß, was du willst. Die kriegen unseren Baum nicht! Nein!“ Als ich in die glücklichen Augen der Nachbarn blickte, weil ich Ihnen meinen Baum brachte, verstand ich die Botschaft von Weihnachten. Die Nachbarn hatten Tränen in den Augen und wollten meine Hand gar nicht loslassen, als sie sich bedankten. Sie waren so dankbar, dass ich meine Frau verstehen musste.

Ich fuhr dann gegen 11 Uhr noch mal in die Stadt. Vielleicht gab es ja noch einen Baum für uns. Der Verkaufsstand für Weihnachtsbäume wurde gerade abgebaut. Der Standbetreiber fegte die Äste und Späne weg. In einer Ecke lagen die abgeschlagenen Äste der verkauften Bäume – und noch ein Exemplar, das es nicht in eine Weihnachtsstube geschafft hatte, weil es wirklich unglaublich krumm und schief gewachsen war. Das war meine Rettung! Er war sogar kostenlos, was mich doch mit einiger Freude erfüllte, hatte ich doch schon fast 100 Euro für Tannenbäume ausgegeben.

Stoff für viele Gespräche

Den würde aber garantiert keiner klauen, so hässlich und krumm war er. Ich fuhr nach Hause mit der Gewissheit, dass meine Frau dieses Jahr garantiert nicht wegen des Baumes meckern würde, hatte Sie doch den Schlamassel verursacht. Der Baum wurde mehr oder weniger schön geschmückt und war dann der Mittelpunkt aller Gespräche unserer Gäste, die uns Weihnachten besuchten. – Aber nächstes Jahr kaufen wir den Weihnachtsbaum wirklich früher! Versprochen!

Die nächste Folge: „Dann hat mein Vater die rettende Idee“, eine Adventsgeschichte aus Goslar.

Dieses Jahr kaufen wir den Weihnachtsbaum aber früher
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