CDU-Generalsekretär Linnemann fordert mehr Mut von der Politik
Norbert Lammert (2.v.l.), Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung, mit CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann (2.v.r.), dem niedersächsischen CDU-Landesvorsitzenden Sebastian Lechner (r.) und dem sachsen-anhaltischen Landesvorsitzenden Sven Schulze. Foto: Neuendorf
Bei der „Goslarer Rede“, mit der die Konrad-Adenauer-Stiftung an die Gründung der Bundes-CDU erinnert, ging es um historische Verdienste, aber auch um aktuelle Probleme.
Goslar. In Berlin streitet die schwarz-rote Koalition über „Stadtbild“-Fragen, und die Christdemokraten beginnen, mit ihrem Parteifreund Johann Wadephul wegen dessen Syrien-Äußerungen als Außenminister zu fremdeln. Gelegenheit für CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann (48), in seiner „Goslarer Rede“, mit der die CDU an die Gründung ihres Bundesverbandes vor 75 Jahren erinnert, abseits des täglichen Kleinkleins „über den Tellerrand zu schauen“, wie er sagte.
CDU erinnert an ihre Wurzeln
Carsten Linnemann und Norbert Lammert würdigen Gründungsparteitag in Goslar
Diesen Blick nutzte Linnemann, um mehr Mut von Politikern einzufordern. Mut, den seine Vorbilder Konrad Adenauer und Ludwig Erhard in ihrer Zeit gezeigt hätten, indem sie unpopuläre Entscheidungen getroffen hätten – und zwar auch solche, die nicht der Parteilinie entsprochen hätten. Linnemann war der Hauptredner am Mittwochabend bei der „Goslarer Rede“ im Tagungszentrum „Der Achtermann“, zu der zum 75. Jahrestag der Parteigründung rund 450 Gäste gekommen waren.
Mangelnder Mut
Dem Anlass entsprechend hatte die Konrad-Adenauer-Stiftung als Veranstalterin neben Linnemann als Hauptredner außerdem Norbert Lammert eingeladen, der frühere Bundestagsvizepräsident ist Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung. Daneben würdigten mit Sebastian Lechner und Sven Schulze die CDU-Landesvorsitzenden aus Niedersachsen und Sachsen-Anhalt die Gründung des CDU-Bundesverbandes.

Rund 450 Gäste: Der große Saal im "Achtermann" ist bei der Goslarer Rede bis auf den letzten Platz besetzt. Foto: Neuendorf
Linnemann hatte seine kritischen Bemerkungen über mangelnden Mut in der Politik übrigens mit einer Bemerkung eingeleitet, die als Seitenhieb auch auf den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder verstanden werden konnte. Im Mittelpunkt heutiger Politiker stehe häufig, „was ich auf Social Media mache, was ich anziehe, was ich esse“.
Norbert Lammert hatte die CDU zuvor als „erfolgreichste Partei Deutschlands“ bezeichnet, dies in einer solchen Veranstaltung festzustellen, sei zwar nicht besonders originell, sagte Lammert, es sei aber „die reine Wahrheit“. In der 76-jährigen Geschichte der Bundesrepublik hätten 53 Jahre lang sechs Parteivorsitzende der CDU „als Kanzler dieses Land geführt“. Und von den bisher 21 Wahlen zum Deutschen Bundestag hätten CDU und CSU 18-mal die meisten Stimmen bekommen. 1957 hätten die Schwesterparteien sogar die absolute Mehrheit geholt.
Prägende Entscheidungen
Darüber hinaus seien „die großen prägenden Richtungsentscheidungen unseres Landes mit der Geschichte der Union untrennbar verbunden“, sagte Lammert weiter. Als Beispiele nannte er vor allem das Grundgesetz, „erarbeitet von einem parlamentarischen Rat unter Vorsitz von Konrad Adenauer“ und die „Etablierung eines neuen Wirtschaftskonzeptes“ mit der sozialen Marktwirtschaft unter Regie der Union und Ludwig Erhard, dem einstigen Wirtschaftsminister und späteren Kanzler. Die Einbindung in die Staatengemeinschaft des freien Westens mit der Mitgliedschaft in der Nato war ein weiteres Beispiel, ebenso wie die Aussöhnung mit Frankreich und die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Israel.
Korrektur: Mit dem Kanzler am Kaffeetisch
Der Goslarer Otto Fricke erinnert sich an den Besuch Adenauers
Vor allem lobte Lammert den Willen zum „Aufbau einer neuen Heimat“ in der Politik und der Bevölkerung, er sprach vom „Respekt vor den Männern und Frauen, die damals nicht resigniert, sondern mit angepackt haben“, um nach dem Krieg und nach dem Nationalsozialismus eines der wohlhabendsten Länder der Welt und eine der stabilsten Demokratien aufzubauen. Dazu passte, dass Linnemann später in seiner nachdenklichen Rede feststellte, dass den Menschen ausgerechnet in einer Zeit des Überflusses die Zuversicht fehle und es an gesellschaftlichem Zusammenhalt mangele.
Führung gezeigt
Linnemann lobte Adenauer und Erhard nicht nur für ihren Mut, sondern auch dafür, dass sie „Führung“ gezeigt und für ihre Überzeugungen gekämpft hätten. Unter Friedrich Merz, der Deutschland auf die internationale Bühne zurückgeholt habe, sei schon einiges erreicht worden. Doch es komme jetzt darauf an, dass der Staat wieder „seinem Ordnungsversprechen“ nachkomme. Die Politik müsse zeigen, dass „der Staat funktioniert“. Die Bundesrepublik sei aber an einem Punkt, wo der Staat mit dem Versuch großer Einzelgerechtigkeit alles kompliziert gemacht habe.
Niedersachsens CDU-Landesvorsitzender Sebastian Lechner erinnerte daran, dass nicht nur die Bundes-CDU vor 75 Jahren in Goslar gegründet wurde, sondern auch die CDU Niedersachsen – und zwar im „Goslarer Schützenhaus“.

Otto Fricke aus Goslar: Der 93-Jährige ist Zeitzeuge des Gründungsparteitags der CDU vor 75 Jahren. Foto: Neuendorf
Goslar im einstigen Zonenrandgebiet habe seinerzeit als Symbol für das Ziel eines vereinten Deutschlands gestanden. Geschlossenheit sei auch heute wieder gefragt, sagte er mit Blick auf Sven Schulze, den CDU-Landesvorsitzenden aus Sachsen-Anhalt und Spitzenkandidaten der Christdemokraten bei den Landtagswahlen im kommenden Jahr, nachdem der langjährige CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff erklärt hat, sich zurückzuziehen.
Vor CDU-Treffen in Goslar
Neue Biographie über Adenauer: „Kanzler nach der Katastrophe“
Schulze sagte, er wolle nicht mit der Linken zusammenarbeiten, der Nachfolgepartei der SED, jener Partei, die für die deutsch-deutsche Grenze verantwortlich gewesen sei. „Und dann gibts die anderen“, sagte Schulze, ohne die AfD beim Namen zu nennen, die in den Wahlumfragen derzeit deutlich führt. Die Menschen sollten sich genau anschauen, welche Ziele diejenigen haben, die meinen, in Tik-Tok-Videos die Welt einfach zu erklären. Es sei die „Pflicht der CDU, dafür zu sorgen, dass diese Partei niemals in unserem Land politische Verantwortung trägt“. Dies konnte auch als Plädoyer für die Brandmauer zur AfD verstanden werden, die vor allem in der CDU in Sachsen-Anhalt immer wieder kritisiert wird. Die CDU bezeichnete er „als letztes Bollwerk“. Sein Ziel sei, bei den Wahlen am 6. September „stärkste Kraft zu werden“, damit „niemand an uns vorbei in die Staatskanzlei einzieht“.
Friedrich Merz eingeladen
Unter den Gästen im „Achtermann“ war am Mittwoch der 93-jährige Otto Fricke, er wurde von mehreren Rednern persönlich begrüßt. Norbert Lammert sagte, er sei der „letzte lebende Zeitzeuge“ des CDU-Gründungsparteitages. Die Zeit der Jubiläen bei der CDU nimmt übrigens kein Ende. Nach dem 75. Jahrestag der Gründung der Bundes-CDU und dem 80. Jahrestag von örtlichen und regionalen Parteiverbänden feiern die Christdemokraten im kommenden Jahr den 150. Geburtstag von Konrad Adenauer. Lammert kündigte rund 150 Veranstaltungen an, darunter vier Großveranstaltungen. Eine davon ist in Goslar geplant, als Gast soll Kanzler Friedrich Merz eingeladen werden.
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