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Top-Nazi in hohes Amt gehievt

GZ Plus IconNeues Gutachten belastet Goslars Ehrenbürger Dr. Otto Fricke

„Unrühmliche Rolle“: Eine neue Studie blickt auf Otto Frickes Wirken bei den niedersächsischen Unternehmerverbänden.

„Unrühmliche Rolle“: Eine neue Studie blickt auf Otto Frickes Wirken bei den niedersächsischen Unternehmerverbänden. Foto: Schenk (Repro)

Eine neue Studie beleuchtet die frühe Geschichte der Arbeitgeberverbände in Niedersachsen – und wirft einen dunklen Schatten auf Dr. Otto Fricke. Der Goslarer CDU-Mitgründer soll 1952 einen früheren Top-Nazi in einflussreiche Stellung gebracht haben.

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Von Hendrik Roß
Donnerstag, 19.06.2025, 08:00 Uhr

Goslar. Der Name Dr. Otto Fricke taucht in einem neuen historischen Gutachten auf. Dem Goslarer Unternehmer, Ehrenbürger, CDU-Mitgründer und erstem niedersächsischen Wirtschaftsminister (1948 bis 1950) wird eine „unrühmliche Rolle“ zugeschrieben, die er bei der Gründung der niedersächsischen Arbeitgeberverbände in Nachkriegsdeutschland gespielt haben soll.

Darüber berichtet das Hannoveraner Politmagazin „Rundblick“. Auslöser der Studie waren demnach die Unternehmerverbände Niedersachsen (UVN) selbst, die ihre Gründungsgeschichte unter die Lupe nehmen. Die beauftragte Historikerin Rita Seidel hat untersucht, inwieweit die „Männer der ersten Stunde“ in den Arbeitgeberverbänden NS-belastet waren und wie eng die Verstrickungen von Politik und Wirtschaft in den ersten Jahren der jungen Bundesrepublik waren. Denn in Niedersachsen hätten sich die Vereinigungen der Arbeitgeber besonders schnell nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet und seien bundesweit Vorreiter gewesen.

Ein „drastischer Fall“

Vor allem bei einer Personalie kommt der Goslarer Fricke in der Studie gar nicht gut weg. Der „Rundblick“ schreibt von einem „drastischen Fall“ aus den frühen 1950er Jahren. Das Institut der Norddeutschen Wirtschaft (INW) habe einen neuen Geschäftsführer gesucht. Nach einer Empfehlung Frickes, damals CDU-Chef des Landesverbandes Braunschweig, sei die Wahl auf den Verwaltungsfachmann Wilhelm Stuckart gefallen. Der wie Fricke 1902 geborene Jurist hatte jedoch eine tiefbraune Vergangenheit. Wie aus der Studie hervorgeht, hatte er Karriere bei den Nazis gemacht und es bis zum SS-Obergruppenführer gebracht. Als Staatssekretär im Reichserziehungsministerium habe er jüdische Lehrer aus dem Schuldienst gedrängt und sei später als Staatssekretär im Innenministerium einer der maßgeblichen Leute bei der „Wannseekonferenz“ gewesen. Dort soll er sich für eine zwangsweise Sterilisation von Juden ausgesprochen haben. Nach dem Krieg sei Stuckart auch wegen einer Herzerkrankung von einer schweren Bestrafung verschont geblieben. Mit seiner Familie sei er in die Region Hannover gezogen. Fricke war demnach daran beteiligt, dass 1952 ein „Top-Nazi“ an die Spitze des INW gekommen sei, schlussfolgert der „Rundblick“-Bericht. Anderthalb Jahre später starb Stuckart bei einem Autounfall.

Undurchsichtige Geldströme

Historikerin Seidel nimmt auch die undurchsichtigen Geldströme zwischen Partei und Verband unter die Lupe: „Dem Einfluss des Stuckart-Förderers Otto Fricke wird zugeschrieben, dass die CDU Geld vom INW erhielt, das Geldgeber dem Institut zuvor gespendet hatten.“ Frickes CDU soll zunächst gemeinsam mit der welfischen DP und der FDP eine Vereinigung gegründet haben, in der Wirtschaftsspenden für die drei Parteien zentral erfasst und steuerlich absetzbar als monatliche Mitgliedsbeiträge getarnt worden sein sollen. Später sei dieser Verein in das INW überführt worden. Auch Stuckarts neue Partei, der Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE), sei in den Kreis der begünstigten Parteien aufgenommen worden. Der „Rundblick“ schreibt: „Offenbar hatte es hier einen Pakt zwischen Stuckart und Fricke gegeben – Fricke holte den Verwaltungsexperten Stuckart zum INW, Stuckarts Partei BHE kam auf die Liste der Geldempfänger, beide schwiegen öffentlich darüber.“

Konservativ und preußisch

Wie belastet war nun laut Seidel der spätere Goslarer Ehrenbürger Fricke? Sie nennt ihn „zwar konservativ und preußisch orientiert“. Er sei kein NSDAP-Mitglied gewesen, habe aber 1938 und 1939 die SS unterstützt. Es sei gut möglich, dass er wie viele andere junge Unternehmer aus einer „Kriegsjugendgeneration“ einen gewissen wirtschaftlichen Druck gespürt habe, sich der Bewegung anzuschließen.

In 1950er und 1960er Jahren hätten viele Akteure bei den niedersächsischen Arbeitgeberverbänden versucht, „die Verbandsarbeit für verdeckte politische Einflussnahme – so über die Parteienfinanzierung – zu nutzen“, fasst der „Rundblick“ zusammen. Eine Schlüsselfigur sei dabei offenbar der langjährige CDU-Funktionär Otto Fricke gewesen. Dieser Mann sei auch Kritik ausgesetzt gewesen, „wegen seines eigenmächtigen Umgangs mit Geld und Personalien“, heißt es in Seidels Studie. Der Name dieses Politikers beschreibe offenbar kein Ruhmesblatt in der Parteigeschichte, so der Artikel im „Politmagazin“.

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