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Klarer Trend auf den Friedhöfen

GZ Plus IconIn Bad Harzburg verliert das Abschiednehmen seine Würde

Ein paar kleine Urnengräber – hier die Variante mit Grabschmuck –, ansonsten aber riesige Freiflächen: Wie in Schlewecke sieht es mittlerweile auf vielen Friedhöfen aus.

Ein paar kleine Urnengräber – hier die Variante mit Grabschmuck –, ansonsten aber riesige Freiflächen: Wie in Schlewecke sieht es mittlerweile auf vielen Friedhöfen aus. Foto: Schlegel

Bad Harzburgs Friedhöfe wirken leer. Aber das liegt nicht daran, dass weniger Menschen sterben. Vielmehr werden sie nicht mehr so opulent bestattet wie früher. Das hat finanzielle Gründe, ist aber auch eine gesellschaftliche Entwicklung.

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Von Holger Schlegel
Freitag, 18.04.2025, 14:00 Uhr

Bad Harzburg. Der Tod ist präsent. Gerade zu Ostern. Doch wie gehen die Menschen mit dem Tod um? Wie mit dem Abschiednehmen von Verstorbenen? Mit der Erinnerung an sie? Um es ganz hart zusagen: All diese Fragen werden heutzutage mitunter recht pragmatisch beantwortet. Um es noch härter auszudrücken: Viele Hinterbliebene wollen möglichst wenig Arbeit mit dem Abschiednehmen und der Erinnerung haben. Und das Finanzielle spielt auch eine Rolle. Will sagen: Das klassische Grab, das die Familie über viele Jahre pflegt oder pflegen lässt, gibt es so gut wie nicht mehr. Heutzutage muss es möglichst günstig, ohne viel Aufwand, platzsparend und ohne langjährige Verpflichtungen über die Bühne gehen. Die alte Tradition, also die Bestattung im Sarg, gibt es so gut wie nicht mehr. Die Friedhöfe wirken leer. Und doch sind sie es nicht. Die GZ hat die Friedhofsverwaltung, einen Bestatter und einen Geistlichen zu der Entwicklung befragt.

Die Friedhofsverwaltung

Im Garten- und Friedhofsamt der Stadt schätzt Bauhofleiter Olaf Bewersdorf den Anteil der Urnenbestattungen auf 80 bis 90 Prozent. Was das letztlich für die Flächen auf den Friedhöfen bedeutet, zeigt eine einfache Rechnung: Ein Urnengrab ist rund einen Quadratmeter groß. Ein klassisches Grab mit Sarg misst indes 2,40 auf 1,20 Meter, ein Doppelgrab sogar 2,40 mal 2 Meter. Und noch kleiner sind die halb anonymen oder gar anonymen Grabstellen für Urnen. Resultat: Die Friedhöfe haben riesige, freie Rasenflächen.

Die Friedhofsverwaltung reagiert darauf, indem für die Friedhöfe auch neue Gestaltungskonzepte entwickelt werden.
Der Bad Harzburger Friedhof hat einen erhabenen Parkcharakter. Der soll weiter gepflegt werden.

Der Bad Harzburger Friedhof hat einen erhabenen Parkcharakter. Der soll weiter gepflegt werden. Foto: GZ-Archiv

Beim Bad Harzburger Friedhof ist das noch recht einfach, der hat ohnehin einen parkähnlichen Charakter. In den Ortsteilen sieht das schon anders aus, aber auch beispielsweise in Bündheim und Schlewecke wird dann halt die Freifläche gepflegt. An die Schließung von Friedhöfen wird indes nicht gedacht, zumal das auch nicht ohne weiteres möglich ist. Man könne da jetzt keine Häuser drauf bauen. Allein schon aus Pietätsgründen. Denkbar sei höchstens das Abteilen und Stilllegen von Flächen, die nicht belegt sind. Andererseits ergeben sich neue Möglichkeiten der Gestaltung. Und Platz für neue Möglichkeiten der Bestattung.
Die komplett anonyme Variante: Irgendwo auf diesem Feld sind die Urnen beigesetzt, Namen gibt es nicht, nur ein Kreuz.

Die komplett anonyme Variante: Irgendwo auf diesem Feld sind die Urnen beigesetzt, Namen gibt es nicht, nur ein Kreuz. Foto: Schlegel

Und woran liegt es? Das Ganze dürfte nach den Erfahrungen der städtischen Friedhofsabteilung eine Frage der Mentalität, der gesellschaftlichen Entwicklung, aber auch des Geldes sein. Ein Urnengrab fängt bei 800 Euro für 20 Jahre an, eine reguläre Grabstelle kostet schon bis zu 2400 Euro plus höherer Bestattungskosten und einer Pflege über 25 Jahre.

Der Bestatter

Bei aller Pietät, die das Thema verdient und die auch ein Bestatter an den Tag legen muss: Stephan Nowak vom Bestattungsinstitut Lutz sagt, seine Branche werde mehr und mehr zu Entsorgungsunternehmen. 95 Prozent der Verstorbenen werden mittlerweile eingeäschert, und viele Hinterbliebene wählen die komplett anonyme Form der Bestattung. Also „unterm grünen Rasen“, ohne Grabstein, ohne Namen.
Die halb anonymen Urnen-Grabfelder, hier eine in Bündheim, sehen keinen Grabschmuck vor, wohl aber einen kleinen Stein mit Namen. Ob das schön und würdevoll ist, liegt im Auge des Betrachters.

Die halb anonymen Urnen-Grabfelder, hier eine in Bündheim, sehen keinen Grabschmuck vor, wohl aber einen kleinen Stein mit Namen. Ob das schön und würdevoll ist, liegt im Auge des Betrachters. Foto: Schlegel

In Bad Harzburg ist bei dieser Form auch die Teilnehme der Hinterbliebenen an der eigentlichen Bestattung der Urne nicht vorgesehen. Am meisten gewählt werde allerdings die halb anonyme Form, bei der eine kleine Steinplatte mit dem Namen des Verstorbenen auf die Wiese gelegt wird. Eine Grabpflege ist da nicht nötig und auch nicht vorgesehen. Wobei auch eine solche Bestattung inklusive der Einäscherung gut 5000 Euro kostet. Eine mit Sarg und Trauerfeier geht da leicht ins doppelte, „es ist für viele eine wirtschaftliche Frage geworden, so Nowak. Das nützt es offenkundig auch nicht viel, dass die Bad Harzburger Bestatter Ratenzahlung anbieten. Wie dem auch sei: Für die Bestatter geht die Entwicklung langsam auch an die wirtschaftliche Substanz.
Auch in Bündheim sind reguläre Gräber mittlerweile eine Seltenheit, sie wirken fast wie ein Relikt aus alten Zeiten.

Auch in Bündheim sind reguläre Gräber mittlerweile eine Seltenheit, sie wirken fast wie ein Relikt aus alten Zeiten. Foto: Schlegel

Die wirtschaftliche Seite ist die eine, aber mehr und mehr kommt auch das menschliche, die Würde zu kurz. Trauerfeiern am Sarg, bevor der eingeäschert wird, sind selten geworden. Das seien vielleicht noch bei zwei von zehn Bestattungen, schätzt Nowak. Genauso sieht es bei der anderen Variante aus, also einer Trauerfeier, die erst stattfindet, wenn die Urne mit der Asche des Verstorbenen wieder aus dem Krematorium zurückgekommen ist und beigesetzt wird. Ganz selten, Nowak schätzt zwei von 100 Fällen, sei die komplette Variante, also die Trauerfeier am Sarg und die Feierstunde später bei der Beisetzung der Urne.

Der Geistliche

Aber wie ist die Entwicklung aus christlicher Sicht zu sehen? Wie steht die Kirche zu den vielen Urnengräbern und den entsprechend kleineren Trauerfeiern? „Wenn es denn überhaupt noch Urnengräber gibt und wenn es überhaupt noch Trauerfeiern gibt“, sagt Propst Jens Höfel.
Die Tobias Gemeinschaft begleitet Verstorbene, die keine Angehörigen haben, und bestattet sie. Für diese Menschen gibt es eine Stele mit Namen.

Die Tobias Gemeinschaft begleitet Verstorbene, die keine Angehörigen haben, und bestattet sie. Für diese Menschen gibt es eine Stele mit Namen. Foto: Schlegel

Auch er bestätigt, dass sich in den vergangenen 30 Jahren die Bestattungskultur gewaltig verändert habe. Er will das auch gar nicht beurteilen oder gar verurteilen. Es sei eine gesellschaftliche Entwicklung, oftmals wohnen die Angehörigen auch gar nicht am Ort. Das könne man alles verstehen. Und die Kirche werde den Menschen auch nicht vorschreiben, wie sie ihre Verstorbenen zu behandeln haben.
Solche Gräber dürften heute unerschwinglich sein. Die geben dem Bad Harzburger Zentralfriedhof aber eine gewisse Würde.

Solche Gräber dürften heute unerschwinglich sein. Die geben dem Bad Harzburger Zentralfriedhof aber eine gewisse Würde. Foto: Potthast

Aber sie kann ihnen vorsichtig ins Gewissen reden. Höfel führt in Trauergesprächen die Nachteile einer komplett anonymen Bestattung unter dem grünen Rasen ohne Namen und damit ohne Erinnerung vor Augen. Ganz unabhängig vom christlichen Glauben. „Meist hilft ein solcher Ort bei der Trauer“, sagt Höfel. Und deshalb sollte man, wenn schon nicht ein Grab zur Pflege gewählt werde, zumindest eine Erinnerung in Form des Namens haben. Einen Platz, an den man gehen könne, um sich an den Menschen zu erinnern.

Aber natürlich habe die Bestattungskultur auch einen christlichen Aspekt. Das Gedenken an Verstorbene gehöre zu den Werten christlicher Barmherzigkeit. Und dazu gehöre eben auch eine wie auch immer geartete Trauerfeier. Die Menschen sollen nicht unbegleitet unter die Erde kommen. Das Abschiednehmen sei mit der Haltung verbunden, „dass nach dem Tod noch etwas kommt“. Die Auferstehungshoffnung, das Gedenken und die würdige Bestattung – all das gehöre zusammen. Nicht nur zu Ostern.

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