In Bad Harzburg verliert das Abschiednehmen seine Würde

Ein paar kleine Urnengräber – hier die Variante mit Grabschmuck –, ansonsten aber riesige Freiflächen: Wie in Schlewecke sieht es mittlerweile auf vielen Friedhöfen aus. Foto: Schlegel
Bad Harzburgs Friedhöfe wirken leer. Aber das liegt nicht daran, dass weniger Menschen sterben. Vielmehr werden sie nicht mehr so opulent bestattet wie früher. Das hat finanzielle Gründe, ist aber auch eine gesellschaftliche Entwicklung.
Bad Harzburg. Der Tod ist präsent. Gerade zu Ostern. Doch wie gehen die Menschen mit dem Tod um? Wie mit dem Abschiednehmen von Verstorbenen? Mit der Erinnerung an sie? Um es ganz hart zusagen: All diese Fragen werden heutzutage mitunter recht pragmatisch beantwortet. Um es noch härter auszudrücken: Viele Hinterbliebene wollen möglichst wenig Arbeit mit dem Abschiednehmen und der Erinnerung haben. Und das Finanzielle spielt auch eine Rolle. Will sagen: Das klassische Grab, das die Familie über viele Jahre pflegt oder pflegen lässt, gibt es so gut wie nicht mehr. Heutzutage muss es möglichst günstig, ohne viel Aufwand, platzsparend und ohne langjährige Verpflichtungen über die Bühne gehen. Die alte Tradition, also die Bestattung im Sarg, gibt es so gut wie nicht mehr. Die Friedhöfe wirken leer. Und doch sind sie es nicht. Die GZ hat die Friedhofsverwaltung, einen Bestatter und einen Geistlichen zu der Entwicklung befragt.
Die Friedhofsverwaltung
Im Garten- und Friedhofsamt der Stadt schätzt Bauhofleiter Olaf Bewersdorf den Anteil der Urnenbestattungen auf 80 bis 90 Prozent. Was das letztlich für die Flächen auf den Friedhöfen bedeutet, zeigt eine einfache Rechnung: Ein Urnengrab ist rund einen Quadratmeter groß. Ein klassisches Grab mit Sarg misst indes 2,40 auf 1,20 Meter, ein Doppelgrab sogar 2,40 mal 2 Meter. Und noch kleiner sind die halb anonymen oder gar anonymen Grabstellen für Urnen. Resultat: Die Friedhöfe haben riesige, freie Rasenflächen.
Die Friedhofsverwaltung reagiert darauf, indem für die Friedhöfe auch neue Gestaltungskonzepte entwickelt werden.
Der Bad Harzburger Friedhof hat einen erhabenen Parkcharakter. Der soll weiter gepflegt werden. Foto: GZ-Archiv

Die komplett anonyme Variante: Irgendwo auf diesem Feld sind die Urnen beigesetzt, Namen gibt es nicht, nur ein Kreuz. Foto: Schlegel
Der Bestatter
Bei aller Pietät, die das Thema verdient und die auch ein Bestatter an den Tag legen muss: Stephan Nowak vom Bestattungsinstitut Lutz sagt, seine Branche werde mehr und mehr zu Entsorgungsunternehmen. 95 Prozent der Verstorbenen werden mittlerweile eingeäschert, und viele Hinterbliebene wählen die komplett anonyme Form der Bestattung. Also „unterm grünen Rasen“, ohne Grabstein, ohne Namen.
Die halb anonymen Urnen-Grabfelder, hier eine in Bündheim, sehen keinen Grabschmuck vor, wohl aber einen kleinen Stein mit Namen. Ob das schön und würdevoll ist, liegt im Auge des Betrachters. Foto: Schlegel

Auch in Bündheim sind reguläre Gräber mittlerweile eine Seltenheit, sie wirken fast wie ein Relikt aus alten Zeiten. Foto: Schlegel
Der Geistliche
Aber wie ist die Entwicklung aus christlicher Sicht zu sehen? Wie steht die Kirche zu den vielen Urnengräbern und den entsprechend kleineren Trauerfeiern? „Wenn es denn überhaupt noch Urnengräber gibt und wenn es überhaupt noch Trauerfeiern gibt“, sagt Propst Jens Höfel.
Die Tobias Gemeinschaft begleitet Verstorbene, die keine Angehörigen haben, und bestattet sie. Für diese Menschen gibt es eine Stele mit Namen. Foto: Schlegel

Solche Gräber dürften heute unerschwinglich sein. Die geben dem Bad Harzburger Zentralfriedhof aber eine gewisse Würde. Foto: Potthast
Aber natürlich habe die Bestattungskultur auch einen christlichen Aspekt. Das Gedenken an Verstorbene gehöre zu den Werten christlicher Barmherzigkeit. Und dazu gehöre eben auch eine wie auch immer geartete Trauerfeier. Die Menschen sollen nicht unbegleitet unter die Erde kommen. Das Abschiednehmen sei mit der Haltung verbunden, „dass nach dem Tod noch etwas kommt“. Die Auferstehungshoffnung, das Gedenken und die würdige Bestattung – all das gehöre zusammen. Nicht nur zu Ostern.