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Verein Barber Angels

GZ Plus IconKostenlose Haarschnitte im Goslarer Tagestreff Zille

Ta-daah! Pierre-Marcel Reinne betrachtet im Spiegel seine neue extravagante Frisur.

Ta-daah! Pierre-Marcel Reinne betrachtet im Spiegel seine neue extravagante Frisur. Foto: Hartmann

Mit Kamm und Schere für die Menschenwürde: Der Verein Barber Angels schenkt Armen und Obdachlosen eine neue Frisur. Jetzt waren vier Friseurinnen im Goslarer Tagestreff Zille zu Gast und versorgten insgesamt 18 Kunden.

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Von Petra Hartmann
Sonntag, 21.09.2025, 12:00 Uhr

Goslar. Ein Haarschnitt kann so viel verändern: Mit Kamm und Schere setzen sich die Barber Angels seit Jahren für die Menschenwürde Obdachloser und finanziell schwacher Menschen ein. Gestern war ein vierköpfiges Team der Friseur-Engel im Tagestreff Zille im Einsatz. Und es gab viel zu tun für die Besucher.

„Damit bin ich nächste Woche beim Freitagskickoff am Museumsufer der gutaussehendste Mann“, strahlt Uwe Jonas und legt schelmisch den Kopf schief. „Und man hat mehr Chancen bei den jungen Mädchen.“ Der Goslarer fühlt sich nach der Prozedur „viel leichter am Kopf“, sagt er. Schon zum zweiten Mal hat er bei den Engeln eine neue Frisur bekommen. Beim ersten Mal, vor drei oder vier Monaten, hatte er noch extrem lange Haare. Nun richtet sich ein würdiger, gepflegter älterer Herr vom Stuhl auf, nickt noch einmal seinem Spiegelbild zu und macht Platz für den nächsten.

Zum zweiten Mal in der Zille

Uwe Jonas fühlt sich jetzt "leichter auf dem Kopf". Jessica Kühne-Stark von den Barber Angels sorgt für einen neuen Schnitt.

Uwe Jonas fühlt sich jetzt "leichter auf dem Kopf". Jessica Kühne-Stark von den Barber Angels sorgt für einen neuen Schnitt. Foto: Hartmann

Für Friseurmeisterin Jessica Kühne-Stark und ihre Kolleginnen gibt es an diesem Tag viele Kunden. Die 34-jährige Ilsederin ist bereits zum zweiten Mal in der Zille, ist aber auch niedersachsenweit unterwegs. „Beim ersten Mal war hier auch schon viel los“, sagt die hochgewachsene Frau mit hellblonder Löwenmähne und schwarzer Rocker-Kluft, während sie die Haare vom Umhang abschüttelt. Wenn die Zille sie wieder einlädt, kämen die Angels auch gern wieder nach Goslar.

Auf dem Nachbarstuhl hat inzwischen der 28-jährige Dominik Schulz aus Langelsheim Platz genommen. Er bekommt von Friseurmeisterin Yvonne Kallniskies einen jugendlicheren Schnitt. Seit sechs Jahren ist die Friseurmeisterin aus Wernigerode inzwischen als Engel unterwegs, zuletzt war sie in Magdeburg im Einsatz. Sorgfältig rasiert sie dem jungen Mann den Nacken aus. „Irgendwann hat mir eine Kollegin mal von den Barber Angels erzählt, da habe ich gedacht: Das muss ich auch machen“, sagt sie.

18 Kunden in drei Stunden

Dominik Schulz nutzt schon zum zweiten Mal das Angebot der Barber Angels. Zum Abschluss rasiert ihm Yvonne Kallniskies den Nacken.

Dominik Schulz nutzt schon zum zweiten Mal das Angebot der Barber Angels. Zum Abschluss rasiert ihm Yvonne Kallniskies den Nacken. Foto: Hartmann

Die Engel arbeiten schnell und konzentriert. Drei Stunden lang. Insgesamt 18 Besucher des Tagestreffs Zille haben sich angemeldet. Das Zille-Team hat bei den Mittagessen und den Gemeinschaftsnachmittagen auf die Aktion aufmerksam gemacht. Nach Bescheinigungen oder Beweisen für die Bedürftigkeit fragt hier niemand. Wer da ist, kommt dran.

Für die Kunden ist der Haarschnitt kostenlos, und auch die Zille zahlt nichts für die Aktion. Die Angels sind ein gemeinnütziger Verein und finanzieren sich über Spenden. Als Dankeschön gibt es Kekse und etwas zu trinken von der Einrichtung.

Männer kurz, Frauen lang

Einmal Haareschneiden und den Bart stutzen: Jürgen Meyer-zur Welle lässt sich von Svenja Handrich hübsch machen.

Einmal Haareschneiden und den Bart stutzen: Jürgen Meyer-zur Welle lässt sich von Svenja Handrich hübsch machen. Foto: Hartmann

Die klassischen Kurzhaarschnitte für Männer gehen den Friseurinnen rasch von der Hand, Frauen wollen die Haare lieber etwas länger lassen. Bei Jürgen Meyer-Zurwelle muss Friseurin Svenja Handrich „obenrum“ gar nicht so viel arbeiten. Aber der weiße Vollbart des Goslarers erhält ebenfalls eine neue Fasson, die Zeit bleibt die gleiche, 20 bis 30 Minuten pro Person. „Alles ein bisschen kürzer“, wünscht sich der Goslarer. „Kurz, aber nicht zu kurz. Bei Bart nur die Kanten.“ Mit Kennerblick mustert er anschließend sein Spiegelbild. Dann setzt er die Mütze wieder auf. „Ich habe es zehn Jahre lang selbst geschnitten“, erzählt er.

Extravagante Zopffrisur

Bei Pierre-Marcel Reinne kann die Friseurin einmal etwas Extravaganteres ausprobieren. Der 37-Jährige lässt sich den Schädel links und rechts kahl scheren, aber auf dem Scheitel bleiben die Haare lang. Ob offen oder als Zopf geflochten, diese Frisur ist auf jeden Fall ein Hingucker. Und es kann nicht schaden, einen guten Eindruck zu machen, immerhin hat der junge Mann in der nächsten Woche einen wichtigen Termin.

Zum Abschied darf jeder noch einmal am Tisch mit den Pflegeprodukten zugreifen. Haarwaschmittel, Duschgel, Lotionen zum Mitnehmen. Das hilft sicher in der nächsten Zeit, bis die Angels wiederkommen.

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