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Altkleidermarkt vor dem Kollaps

GZ Plus IconDas DRK zieht in Goslar Container von öffentlichen Plätzen ab

Aufgerissene Müllsäcke und wild umhergeworfene Kleidung liegen vor einem Altkleidercontainer. Die zunehmende Entsorgung von Müll in diesen Containern anstelle von Altkleidern stellt die Unternehmen vor Herausforderungen. Auch im Landkreis Goslar ist das ein Problem.

Aufgerissene Müllsäcke und wild umhergeworfene Kleidung liegen vor einem Altkleidercontainer. Die zunehmende Entsorgung von Müll in diesen Containern anstelle von Altkleidern stellt die Unternehmen vor Herausforderungen. Auch im Landkreis Goslar ist das ein Problem. Foto: picture alliance/dpa

Der Altkleidermarkt ist zusammengebrochen. Es besteht ein Überangebot an Ware, außerdem gibt es immer mehr unbrauchbare Textilien und Verschmutzungen in den Containern. Zunehmend werden Container abgezogen, auch im Landkreis Goslar.

Von Oliver Stade Mittwoch, 29.10.2025, 10:00 Uhr

Goslar/Harz. Der Markt für Altkleider funktioniert nicht mehr. Der Kreisverband Osterode-Goslar des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) hat seine Sammlungen im Frühjahr und Herbst eines Jahres eingestellt und die Annahme von Altkleidern in Containern eingeschränkt. An einigen Standorten verschwinden außerdem die Sammelbehälter. Auch die Johanniter erwägen derzeit Veränderungen. Schuld daran soll auch eine EU-Verordnung sein.

Dass sich etwas verändert hat im Umgang mit Altkleidern, werden Menschen, die regelmäßig ihren Klamottenschrank aufräumen und hin und wieder einige Stücke aussortieren, längst bemerkt haben. Das DRK in Osterode etwa hat seine Sammelcontainer auf dem Grundstück „In der Horst“ mit der Einwurföffnung zur Hauswand gedreht und den Bereich mit Flatterband gesperrt: Kleiderspenden sind derzeit nicht mehr so willkommen, wie es in der Vergangenheit üblich war.

Altkleider-Container verschwinden

Daneben verschwinden Sammelbehälter in Goslar. An diesem Mittwoch werden die jeweils zwei in der Reichenstraße in Oker und am Media-Markt in Goslar sowie die in der Alten Heerstraße in Goslar zum letzten Mal geleert.

Auch andere Sozialeinrichtungen reagieren. Zwei Altkleiderbehälter hat der Johanniter-Regionalverband Harz-Heide noch in Goslar stehen, einen an der Ecke in der Petersilienstraße in Goslar, einen weiteren auf dem Grundstück des Kindergartens am Georgenberg. Der Container auf dem Georgenberg funktioniere gut, der Behälter an der Petersilienstraße soll bald anderswo aufgestellt werden, vielleicht in Salzgitter oder Braunschweig. Der Container werde „immer häufiger für die illegale Müllentsorgung“ genutzt, berichtet Johanniter-Regionalvorstand Dirk Gähle. Mitunter werde der Inhalt von Katzenklos und anderer Unrat darin entsorgt.

Beide Container sollen aber weiterhin genutzt werden, um die „Lieblingsecke“ in Goslar mit Nachschub zu versorgen. Der Secondhand-Laden am Vogelsang gibt Textilien zu kleinen Preisen ab. Wer wirklich in Not ist, erhält eine Jacke oder Hose auch umsonst, berichtet Dirk Gähle weiter.

Nur nach Anmeldung

Aber auch in der „Lieblingsecke“ gibt es ein Problem. Ware wird seit Kurzem nur noch nach telefonischer Anmeldung entgegengenommen. Weil viele Container abgebaut worden seien, komme in dem kleinen Laden „eine Flut an Textilien“ an, so steht es auf einem Zettel am Eingang. Die Ware könne „nur langsam bearbeitet“ werden. Komplette Abfallsäcke mit Klamotten werden nicht mehr angenommen, ebenso wenig Betten, Bettwäsche, Laken und Decken, die aufwendig gereinigt werden müssten. Am Ende des Zettels steht folgender Hinweis an Kunden: An verschmutzten oder zerrissenen Kleidern bestehe grundsätzlich kein Bedarf, sie sollen „bitte über Ihren Restmüll oder die Abfallwirtschaft“ entsorgt werden.

Sozialverbände wie DRK und Johanniter leiden nämlich darunter, dass sie viel zu viel Ware erhalten, die sie selbst kostenpflichtig entsorgen müssen, weil sie entweder verdreckt ist oder sich kein Markt für sie findet, so beschreibt Dirk Gähle von den Johannitern das Problem.

Sinkende Preise

Maik Fritzsche, einer der Ehrenamtskoordinatoren im DRK-Kreisverband Osterode-Goslar, kennt das Problem und seine Ursachen. Wie Gähle meint er, dass es vor allem mit der EU-Verordnung zu tun hat, die seit Januar dieses Jahres in Kraft ist: Bisher durften nur tragbare Textilien in Altkleidercontainer geworfen werden. Nun dürfen aber auch kaputte und zerrissene Kleidungsstücke darin gesammelt werden. So soll die Wiederverwertung gesteigert werden. Aber die Kleidersammler erhalten auf diese Weise viel Kleidung, die sie nicht weitergeben können, sondern entsorgen müssen. Das bereitet zusätzliche Arbeit und kostet Geld. Warum nebenher, so jedenfalls der Eindruck von Dirk Gähle, auch der Anteil von regelrechtem Müll in den Containern zunimmt, ist ihm ein Rätsel. Denn stark verschmutzte, etwa mit Öl beschmierte Textilien, gehören weiter in den Restmüll. Das scheint in vielen Haushalten nicht bekannt zu sein.

Maik Fritzsche vom DRK-Kreisverband nennt einen weiteren Grund für die Misere. Neben dem Überangebot, das zu sinkenden Preisen führe, würden höhere Zölle dazu führen, dass sich das Altkleider-Geschäft für Verwerter, die ihre Waren exportieren, nicht mehr lohne.

Trotz der gegenwärtigen Misere: Ob DRK oder Johanniter, ihrer Altkleider-Geschäfte wollen beide weiterführen, denn der Bedarf sei nach wie vor groß. Der DRK-Kreisverband Osterode-Goslar betreibt in Herzberg, Hattorf und Bad Sachsa Kleiderkammern und in Osterode einen Altkleiderladen mit breiterem Sortiment.

Bitte nichts einwerfen: Altkleidercontainer auf dem DRK-Gelände des Kreisverbandes Osterode-Goslar in der Sösestadt. An diesem Mittwoch werden die Container in Oker, am Media-Markt und in der Alten Heerstraße in Goslar zum letzten Mal geleert.

Bitte nichts einwerfen: Altkleidercontainer auf dem DRK-Gelände des Kreisverbandes Osterode-Goslar in der Sösestadt. An diesem Mittwoch werden die Container in Oker, am Media-Markt und in der Alten Heerstraße in Goslar zum letzten Mal geleert. Foto: DRK

Einen großen Teil der Kleidung, die das DRK nicht in den Kammern anbietet, wird an eine Verwertungsgesellschaft verkauft, die „die wertvollen Rohstoffe weiterverarbeitet“, wie der DRK-Landesverband in Hannover auf seiner Internetseite berichtet. Mit dem Erlös werde die Arbeit mitfinanziert.

Die Verwertungsgesellschaften, die unter anderem vom DRK beliefert werden, sammeln auch selbst in Containern. Ein Sprecher des Unternehmens Toruntex aus Salzgitter berichtet, weil das Geschäft schlecht laufe, würden bundesweit von allen Unternehmen Container abgezogen. Der Mann kennt den Grund dafür: „Es gibt keinen Marktpreis mehr.“ Auch Toruntex selbst hat das zu spüren bekommen, die Textilverwertungsgesellschaft, die bundesweit nach eigenen Angaben noch rund 3500 Kleidercontainer aufgestellt hat, befindet sich in einer Insolvenz in Eigenverwaltung und hat eine Sanierung gestartet. Die Insolvenz wurde bereits im November 2024 beantragt, sie ist aber längst nicht die einzige in der Branche, wie das Recycling-Fachblatt „Euwid“ in der Vergangenheit berichtet hat.

Die Entsorgungsanlagen

Der Toruntex-Mitarbeiter aus Salzgitter setzt seine Hoffnungen in ein EPR-Modell, ein Konzept zur erweiterten Herstellerverantwortung, das der Verband Textil und Mode vorgelegt hat und das nach dem Vorbild von Modellen aus dem Ausland funktionieren soll. Dazu gehöre ein Lastenausgleichssystem, das Kleidersammlern wie DRK und Johannitern eine „Unterstützung“ bezahlt, wie der Toruntex-Mitarbeiter aus Salzgitter berichtet.

Bleiben noch die Haushalte, wo können sie ihre ausrangierten Hemden, Hosen und Jacken entsorgen? Das Bundesumweltministerium hat dazu Anfang dieses Jahres, nachdem die EU-Verordnung in Kraft getreten war, mitgeteilt, wiederverwendbare Kleidung, die sich in einem guten Zustand befindet, können an „vorgegebenen Stellen“ abgegeben werden. Also etwa beim DRK und den Johannitern. Zerschlissene Kleidung könne in die Restmülltonne geworfen werden, wenn es keine extra Sammlung dafür gebe. Dasselbe gelte für stark verschmutzte Kleidung. Mit der EU-Verordnung sind öffentliche Entsorgungsunternehmen wie die Kreiswirtschaftsbetriebe (KWB) Goslar verpflichtet, Textilien anzunehmen. Container wollen sie wohl nicht aufstellen. Bislang werden Altkleider im Landkreis Goslar in den Entsorgungsanlagen Clausthal-Zellerfeld, Bornhausen und Harlingerode angenommen, berichtet eine Landkreissprecherin.

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