Schwarz-Rot vor einem Schicksalsjahr
Wohin geht es für die Koalitionäre im neuen Jahr? Foto: Michael Kappeler/dpa
Fünf Wahlen und große Reformen: Das Jahr 2026 hat das Potenzial, die Koalition kräftig durchzuschütteln und die Republik zu verändern. Fallen die großen Reformprojekte dem Dauerwahlkampf zum Opfer?
Berlin. Die Ausgangslage für die schwarz-rote Regierung hätte besser kaum sein können. Am Tag der Vereidigung, dem 6. Mai 2025, hatte sie mehr als neun Monate ohne eine einzige Landtagswahl vor sich. Ideale Bedingungen also, um die wichtigsten Projekte aus dem Koalitionsvertrag ohne Profilierungskämpfe und Wahlkampfgetöse in aller Ruhe abzuarbeiten.
Daraus wurde nichts. Was mit einem Fehlstart - der Wahl des Kanzlers erst im zweiten Wahlgang - begann, setzte sich mit einer verpatzten Richterwahl und einem monatelangen Rentenstreit fort. Schwarz-Rot gab in den ersten siebeneinhalb Monaten der Amtszeit ein ähnlich zerstrittenes Bild ab wie zuvor die Ampel-Koalition.
Wie soll das erst im nächsten Jahr werden, wenn die Koalition im Dauerwahlkampf steht und Reformprojekte abarbeiten will, die weitaus größer sind als die bisherigen? Fünf Landtagswahlen stehen 2026 an. Vor allem die SPD muss um Ministerpräsidentenposten bangen. Und es ist nicht ausgeschlossen, dass am Ende des Jahres erstmals die AfD einen Landesregierungschef stellt. So läuft das Wahljahr ab:
Auftakt ihn Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz im März
Den Auftakt macht Baden-Württemberg am 8. März. Nach drei Amtszeiten tritt dort Langzeitministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) nicht mehr an. Ins Rennen um seine Nachfolge gehen für die Grünen der ehemalige Bundesminister Cem Özdemir und für die CDU der erst 37 Jahre alte Landespartei- und Fraktionschef Manuel Hagel. In den Umfragen führt die CDU seit vielen Monaten recht deutlich vor den Grünen. Gibt es bis zur Wahl keine größeren Veränderungen, dürften der nächsten Landesregierung wohl wieder CDU und Grüne angehören - dann aber unter umgekehrten Vorzeichen.
Die Auswirkungen der Wahl in Baden-Württemberg auf die Bundespolitik dürften sich noch in Grenzen halten. Das könnte sich ändern, wenn am 22. März in Rheinland-Pfalz gewählt wird, wo der seit 34 Jahren regierenden SPD der Verlust des Ministerpräsidentenpostens droht. Den ohnehin angeschlagenen Parteichef Lars Klingbeil dürfte das weiter in die Bredouille bringen. Die SPD liegt in den jüngsten Umfragen deutlich hinter der CDU. Bei den vergangenen Wahlen 2016 und 2021 schaffte Ministerpräsidenten Malu Dreyer auf den letzten Metern die Wende. Dieses Mal wird Dreyers Nachfolger Alexander Schweitzer zeigen müssen, ob er Endspurt kann.
AfD-Showdown in zwei Ost-Ländern im September
Die Wahlen, die die Republik verändern könnten, finden aber erst im September statt. In Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern kommt die AfD in Umfragen an die 40 Prozent. Vor allem in Sachsen-Anhalt, wo am 6. September gewählt wird, traut man der AfD zu, mit einer absoluten Mehrheit erstmals einen Ministerpräsidenten zu stellen. Die Umfragen geben das zwar noch nicht her, ausgeschlossen ist es aber nicht.
Eine Zusammenarbeit mit der AfD lehnt die CDU in Sachsen-Anhalt weiter kategorisch ab. Eine Mehrheit ohne die AfD wäre für sie nach den jüngsten Umfrageergebnissen zufolge rein rechnerisch aber nur noch in einem Vierer-Bündnis mit SPD, BSW und der Linken möglich. Eine Koalition oder ähnlichen Formen der Zusammenarbeit hat die CDU per Parteitagsbeschluss allerdings nicht nur mit der AfD, sondern auch mit der Linken ausgeschlossen. Auch die Linke lehnt eine förmliche Koalition mit der CDU ab.
In Mecklenburg-Vorpommern ist nach den jüngsten Umfragen ebenfalls ein Regierungsbündnis jenseits der AfD ohne die Linke nicht möglich. Dort ist die SPD von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig zweitstärkste Partei hinter der AfD - allerdings mit riesigem Rückstand. Am 20. September wird dort gewählt - gleichzeitig mit Berlin, wo die sogenannten Parteien der Mitte - CDU, SPD und Grüne - immerhin noch eine klare gemeinsame Mehrheit haben. Die AfD kommt nur auf 15 bis 16 Prozent.
Sozialreformen: Wie groß wird der Wurf?
Der neunmonatige Dauerwahlkampf dürfte bereits bei den Partei- und Fraktionsklausuren im Januar eingeläutet werden. Parallel will die Koalition die seit langem angekündigten Sozialreformen auf den Weg bringen. Für Krankenversicherung und Rente tagen erst einmal Kommissionen - Ausgang offen. Aber Beobachter zweifeln bereits daran, dass am Ende gemeinsame große Reformschritte gelingen.
In der Rentenkommission sitzen nicht nur Professorinnen und Professoren, sondern auch Koalitionspolitiker. Verhandelt werden soll auch über Punkte, die bisher für die einen oder anderen inakzeptabel waren. Etwa über eine mögliche Verlängerung der Lebensarbeitszeit, konkret auch über ein anderes Renteneintrittsalter. Viele Ökonomen würden dies begrüßen - die SPD lehnte das immer ab.
Oder darüber, ob Beamtinnen und Beamte bald in die gesetzliche Rente einbezogen werden sollen. Sind Union und SPD noch stark genug für teilweise auch unangenehme Reformbotschaften? In der Kommission oder spätestens beim Gesetzgebungsverfahren, das sich ab Mitte des Jahres anschließen soll, könnten Konfliktlinien in der Koalition wieder aufbrechen.
Umfrage: Jeder Zweite rechnet mit vorzeitigem Ende der Koalition
Davon geht auch ein Großteil der Bevölkerung aus. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur glauben nur 9 Prozent der Deutschen, dass Union und SPD im kommenden Jahr weniger streiten werden. 49 Prozent meinen, dass es so bleibt wie bisher, und 21 Prozent gehen von zunehmendem Streit aus.
Auch das Vertrauen in den Bestand der Koalition bis zum nächsten regulären Wahltermin in gut drei Jahren ist wenig ausgeprägt. Fast die Hälfte der Deutschen (49 Prozent) glaubt an ein vorzeitiges Ende von Schwarz-Rot. 17 Prozent erwarten es bereits im kommende Jahr, weitere 32 Prozent erst später. Aber nur etwa jeder Dritte (34 Prozent) geht davon aus, dass das Bündnis bis 2029 durchhält.