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Prognos-Zukunftsatlas

GZ Plus IconLandkreis Goslar zählt zu den Regionen mit „hohen Risiken“

Zwei Senioren sitzen auf einer Bank im Grünen: Der Bevölkerungsschwund im Landkreis Goslar gilt als einer der Gründe dafür, dass die Zukunftschancen der Region als schlecht bewertet werden.

Zwei Senioren sitzen auf einer Bank im Grünen: Der Bevölkerungsschwund im Landkreis Goslar gilt als einer der Gründe dafür, dass die Zukunftschancen der Region als schlecht bewertet werden. Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Im aktuellen Zukunftsatlas des Beratungsunternehmens Prognos liegt der Landkreis Goslar auf Rang 361 von 400 Plätzen, ein Jahr zuvor war es Rang 362. Die Platzierung steht für Regionen mit „hohen Risiken“. Der Landkreis relativiert die Einstufung.

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Von Oliver Stade
Samstag, 05.07.2025, 04:00 Uhr

Goslar/Harz. Der Landkreis Goslar belegt meist hintere Plätze im „Zukunftsatlas“ des Beratungsunternehmens Prognos. Schließlich handelt es sich um eine strukturschwache Region. In der aktuellen Rangliste, die alle drei Jahre veröffentlicht wird, bewertet Prognos den Landkreis weiter als Region mit „hohen Risiken“. Die Einschätzung nach einem Langzeitvergleich klingt sogar noch dramatischer.

Das „Handelsblatt“ hat Ergebnisse der Rangliste am Freitag auf mehreren Seiten veröffentlicht. Das Wirtschaftsblatt bezeichnet die Region mit Blick auf die Entwicklung seit 2004, als die Liste erstmals veröffentlicht wurde, als „dramatischen Absteiger“. Die negative Einstufung rührt daher, dass der Landkreis Goslar über die Jahre mehr als 100 Plätze im Zukunftsatlas eingebüßt hat. Abgerutscht ist er demnach um 233 Plätze, so steht es im Handelsblatt-Bericht. Also muss die Region früher sogar mal aussichtsreich bewertet worden sein.

Besser platzierte Nachbarn

Aktuell findet sich der Kreis Goslar hingegen auf Rang 361 von 400 Plätzen als Region mit „hohen Risiken“. In der Rangliste von 2022 fand sich die Region auf Platz 362. Es hat sich also nicht viel getan. Zum Vergleich: Der Harzkreis liegt aktuell auf Platz 374. Ansonsten sieht es überall in der Nachbarschaft besser aus: Northeim (305), Göttingen (282), Hildesheim (226), Salzgitter (238) und Wolfenbüttel (284) liegen vor Goslar. Spitzenreiter im Zukunftsatlas ist übrigens München, gefolgt von Erlangen. Das Schlusslicht bildet der Landkreis Görlitz.

Für die Bewertung werden 31 Kennzahlen herangezogen. Prognos-Berater Lukas Röbke erläutert die Einschätzung für den Kreis Goslar. „Die demografische Entwicklung ist eine Herausforderung“, schreibt er in einer Mail und erinnert an den Einwohnerschwund und den hohen Anteil älterer Menschen. Dennoch stehe die Region wegen der Technischen Universität Clausthal „vergleichsweise gut“ da. Durch sie würden junge Leute in die Region kommen.

Arbeitslosenquote steigt

Röbke weist zudem auf den „Rückgang der Beschäftigten“ um 0,7 Prozent von 2021 bis 2024 hin. Diese Entwicklung sei nicht allein durch die Bevölkerungsentwicklung verursacht. Denn zuletzt sei auch die Arbeitslosenquote gestiegen, auf 7 Prozent im Juni 2024, dem für den Zukunftsatlas maßgeblichen Zeitpunkt. 2022 seien es 6,4 Prozent gewesen. Außerdem gebe es mehr Einwohner, die in Bedarfsgemeinschaften leben. Ihr Anteil habe 2023 bei 8,6 Prozent gelegen, ein Jahr zuvor seien es 7,5 Prozent gewesen.

Röbke hat mit dem Prognos-Partner Dr. Olaf Arndt im Mai in einem Gastbeitrag für das GZ-Magazin „Wirtschaft im Harz“ Kennzahlen aus dem Landkreis akribisch ausgewertet. Seinerzeit kamen sie bereits zu dem Schluss, dass die Region große Herausforderungen zu bewältigen hat, aber auch über Chancen verfügt, sie müssten nur genutzt werden. Sie rieten etwa dazu, mehr zu tun, um Menschen in Arbeit zu bringen, in dem sie so qualifiziert werden, dass sie zum Bedarf der Unternehmen passen.

Erster Kreisrat Frank Dreßler relativiert die Prognos-Noten aus dem aktuellen Atlas. Die Zahlen würden „sicher keinen Anlass zur Freude bieten“, sie würden aber auch nichts über die „Lebens- und Aufenthaltsqualität aussagen“. Dreßler lenkt den Blick zudem auf die für die Einstufung wichtigen Einwohnerzahlen. Bei der Erhebung der Daten auf Grundlage einer Volkszählung (Zensus 2022) wurden für den Landkreis deutlich weniger Einwohner erfasst als nach Meinung vieler Kommunen tatsächlich in der Region leben. Statt 133.729 Menschen zum Stichtag Ende September 2024 seien es nur noch 127.018.

Gründe für die schlechten Bewertungen?

Als weiteren Grund nennt Dreßler den Natur- und Landschaftsschutz. Dadurch werde der Ausbau der erneuerbaren Energien begrenzt. Ihr Ausbau gehöre aber neuerdings zu den Indikatoren für die Bewertung.

Dr. Jörg Aßmann, seit 15 Jahren Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung für die Region Goslar (Wirego), hat von Beginn seiner Tätigkeit immer wieder mit den Prognos-Platzierungen zu tun. 2016 habe der Landkreis auf Rang 321 gelegen. „2019 ging es dann rund 90 Plätze nach oben, ohne dass wir viel haben machen können“, sagt er. Die deutlich bessere Platzierung sei überraschend gewesen, weil die eingeleiteten Veränderungen noch nichts hätten bewirken können.

Aßmann sagt, der Landkreis habe keine Investitionsschwäche. Die beiden wichtigsten Punkte für die schlechten Bewertungen seien der demografische Wandel und die „relative Schwäche bei den Gründungen“, sagt er. Um mehr Einwohner in die Region zu holen, müsse Standortmarketing betrieben werden. Seine Aufgabe sehe er eher darin, Unternehmensgründungen zu unterstützen. Er verweist auf eine Reihe von Projekten, etwa die Gründungs- und Innovationsakademie, eine Initiative, die seit April existiert, und das Gründerzentrum in Clausthal-Zellerfeld.

„Dicke Bretter“

Aßmann spricht aber auch vom „Bohren dicker Bretter“. Aus der TU gebe es nur wenige Ausgründungen, das sei bekannt und habe auch damit zu tun, dass viele der Studenten aus dem Ausland in ihre Heimatländer zurückkehren würden. Andere Absolventen hätten mit Volkswagen und der Salzgitter AG Arbeitgeber in der Nähe, die so gute Gehälter zahlen würden, dass eine Selbstständigkeit gar nicht erwogen werde.

Ein Problem sei, dass Ranglisten wie die von Prognos Entwicklungen häufig verstärken würden. Wer komme schon gerne in eine als „Absteiger“ bewertete Region? Vor vielen Jahren habe aber auch eine falsche Zahl über Schulabbrecher das Ergebnis für den Landkreis Goslar negativ beeinflusst.

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