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Erneuerbare Energien

GZ Plus IconAusbau der Windkraft weckt auch in Liebenburg die Emotionen

Blick von der Sängerlaube: Im Hintergrund leuchten die Windenergieanlagen zwischen Schladen, Beuchte und Wehre, im Vordergrund liegt Döhren im Schatten des Höhenzugs. Im Dreieck Döhren, Neuenkirchen, Liebenburg sollen weitere Windräder entstehen.

Blick von der Sängerlaube: Im Hintergrund leuchten die Windenergieanlagen zwischen Schladen, Beuchte und Wehre, im Vordergrund liegt Döhren im Schatten des Höhenzugs. Im Dreieck Döhren, Neuenkirchen, Liebenburg sollen weitere Windräder entstehen. Foto: Gereke

Die Pläne für den Ausbau der Windkraft wecken Emotionen. Das war im Liebenburger Bauausschuss zu spüren, dem viele Zuhörer beiwohnten. Dabei drehte es sich auch um die Frage, in wieweit die Gemeinde für ihre Bürger fürsorgepflichtig ist.

Von Andreas Gereke Mittwoch, 19.03.2025, 16:00 Uhr

Liebenburg. Großer Andrang im Ausschuss für Bauen, Umwelt und Natur (BUNA) des Gemeinderats. Der Grund: die Ausweitung der Vorranggebiete für Windkraft, die auch die Gemeinde betrifft. Offenbar mit einigen Erwartungen und teils wütend waren zahlreiche Bürger erschienen – um dann mitgeteilt zu bekommen: Die Gemeinde ist der falsche Ansprechpartner.

Hintergrund: Die Entwurfsplanung sieht in der Gemeinde Liebenburg zum einen eine Ausweitung des bestehenden Vorranggebiets auf der Haar zwischen Upen, Ostharingen, Bredelem und Ostlutter vor. Darüber hinaus soll ein weiteres Gebiet im Dreieck Liebenburg, Neuenkirchen und Döhren ausgewiesen werden

Besucher haben viele Fragen

Im Mittelpunkt des Abends: Bürgermeister Alf Hesse, der ruhig die Fragenflut abarbeitete. Vor allem aus Döhren, seinem Heimatdorf, gab es Wortmeldungen. Viele Döhrener hatte wohl ein Wurfzettel motiviert, zur Sitzung zu kommen. „Ich habe die Einladung so verstanden, dass ein Stimmungsbild entstehen soll“, dachte eine Besucherin der Einwohnerfragestunde. Hesse sah die Verbindung zu dem Flugblatt, stellte aber den Wert eines Schreibens infrage, auf dem kein Verfasser angegeben war, und bezeichnete es daher als „zweifelhaft“: „Wir haben um kein Stimmungsbild gebeten“ und warnte vor falschen Erwartungen.

In seinen Ausführungen verwies er darauf, dass die Planungen zur Ausweisung der Vorranggebiete der Regionalverband Großraum Braunschweig betreibt – und nicht die Gemeinde. „Das ist der Versuch einer Regulierung des Windkraftausbaus, damit es keine Superprivilegierung gibt“, verdeutlichte Hesse. Heißt übersetzt: Werden Vorranggebiete ausgewiesen, dann dürfen Windräder, wenn die entsprechenden Flächenziele zum Ausbau erreicht werden, nur in diesen Gebieten entstehen. Die Anlagen haben dann einen Mindestabstand zu Dörfern von 1000 Metern.

Die Karte veranschaulicht, wo in der Gemeinde Liebenburg der Entwurf des Regionalverbands Vorranggebiete für Windenergie vorsieht.

Die Karte veranschaulicht, wo in der Gemeinde Liebenburg der Entwurf des Regionalverbands Vorranggebiete für Windenergie vorsieht. Foto: GZ-Grafik

Das Vorgehen soll eine Verspargelung der Landschaft verhindern. Gibt es diese Gebiete allerdings nicht, besteht nahezu überall die Möglichkeit, Windräder zu errichten – und die könnten dann bis zu 500 Meter an Ortschaften heranrücken.

Hesse erklärte, dass die Gemeinde nur für eigene Belange sprechen könne. Wenn der Übertragungsnetzbetreiber Tennet im Nordharz ein großes Umspannwerk für die sogenannte Ostfalen-Achse plane, dann müsse er das selbst mitteilen. Noch nicht einmal müsste die Gemeinde das Thema in einem öffentlich tagenden Ausschuss behandeln. „Wir machen es aber trotzdem, damit nicht der Eindruck von Hinterzimmerpolitik entsteht.“

Pflege des Heimatraums

Weiter ging es um eine Frage von Thomas Capelle. Der Ostharinger Ortsheimatpfleger wollte wissen, warum die von der Gemeinde beauftragten Ortsheimatpfleger in zurückliegende Planungen der Windkraftanlagen nie einbezogen oder um Stellungnahmen gebeten wurden. Schließlich seien sie für Erhaltung und Pflege des lokalen Heimatraumes zuständig. Hesse: Eine explizite Beteiligung sei nicht vorgesehen – auch nicht für die Gemeinde. „Nichtsdestotrotz hat jeder Bürger die Möglichkeit, sich an diesem Verfahren des Regionalverbands zu beteiligen.“

Ganz offenbar war die Tatsache, dass bei Döhren ein Windpark entstehen könnte, für einige Bürger neu.

Ein Anwesender erzählte, erst vergangene Woche davon erfahren zu haben und wollte von der Gemeinde wissen, seit wann sie Bescheid wisse. Hesse klärte auf, dass bereits 2013 über einen möglichen Windpark gesprochen wurde, seit 12. Februar seien die aktuellen Planungen öffentlich. „Die Gemeinde hat eine Verpflichtung gegenüber dem Bürger zur Information“, beschwerte sich ein Mann. Dem komme die Verwaltung auch nach, in dem sie auf ihrer Homepage über das Verfahren informiere, zudem sei die GZ amtliches Mitteilungsblatt der Gemeinde. „Es ist aber nicht nur eine Bringschuld, sondern auch eine Holschuld“, fügte Hesse an. Heißt: Bürger müssten sich auch selbst mit Informationen versorgen. Das Ganze mündete dann in der Frage, ob sich die Gemeinde nicht fürsorgepflichtig für die Bürger fühle. „Doch, fühlt sie sich. Aber jeder Bürger muss sich auch selbst um seine Belange kümmern.“

Richtig was los: Großer Andrang herrscht auf der Sitzung des Liebenburger Bauausschusses.

Richtig was los: Großer Andrang herrscht auf der Sitzung des Liebenburger Bauausschusses. Foto: Gereke

Immer wieder unterbrach Beifall die Ausführungen von Bürgern in der Einwohnerfragestunde. Hesse erntete dagegen ab und zu hämische Kommentare. Es ging um konkrete Vorteile für die Bürger durch einen Windpark. Hesse nannte die Einnahmen für die Gemeinde, die ja auch Bürgern zugutekämen, vergünstigten Strom oder die Möglichkeit, sich an einer Bürgerwindanlage zu beteiligen – zumindest werde diese Option seitens der Grundeigentümer geprüft. „Alf, Du siehst doch selbst – wir haben nur Nachteile“, schien das wenig zufriedenzustellen. Worauf der Bürgermeister die Atom-Keule auspackte: „Und wir produzieren keinen Atommüll, der dann in Schächten der Region eingelagert werden muss.“

Ansonsten kam seitens der anwesenden Einwohner alles aus der aktuellen Diskussion auf den Tisch: von der Beeinträchtigung des Landschaftsbildes, vom möglichen Wertverlust der Immobilien über Infraschall bis zur Kontamination von Mikroplastik durch Windenergieanlagen. Hesse: „Es gibt dazu wissenschaftliche Untersuchungen, die in das Gesetzgebungsverfahren einfließen.“ Und ansonsten werden die Äcker um die Anlagen weiterhin landwirtschaftlich genutzt, „so wie Rüben und Weizen fleißig weiterhin neben Straßen angebaut werden, wo Autos für Reifen- und Bremsenabrieb sorgen“, verwies der Bürgermeister auf den größten Mikropartikel-Ausstoßer.

Ordnungspunkt Windenergie schnell abgehandelt

Und schließlich brachte ein Bürger die aktuelle politische Lage ins Spiel – mit Zuwächsen für eine Partei, die mit dem Abriss von Windrädern drohe, und polterte, dass sich einige wenige Grundbesitzer die Taschen auf Kosten der Allgemeinheit vollstopfen. „Die politische Lage kann man nie vorhersehen. Wir haben uns an geltendes Recht zu halten“, erklärte Hesse. Das schütze das Eigentum. Würden dagegen Enteignungen an der Tagesordnung seien, „dann wäre das das Ende des Rechtsstaats – das will hier sicher keiner im Saal. Und welches Geld die Eigentümer für ihr Flächen nehmen, das ist deren private Sache.“

Mehr als eine Stunde dauerte die Fragestunde. Am Ende der Sitzung dann der Tagesordnungspunkt zum Thema Windenergie – der war dann in wenigen Sekunden abgehandelt: Einstimmig nahm der BUNA den Beschlussvorschlag an: „Der Entwurf des sachlichen Teilprogramms Windenergie für den Großraum Braunschweig wird zur Kenntnis genommen.“

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