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Bombenalarm an der Goldenen Aue

GZ Plus IconNach Goslarer Amokalarm: Erste Schritte zurück in die Normalität

Die Polizei hat am Dienstag den Bereich um das Schulzentrum großräumig abgeriegelt.

Die Polizei hat am Dienstag den Bereich um das Schulzentrum großräumig abgeriegelt. Foto: Sowa

Nach dem Amokalarm samt Bombendrohung arbeiten die Realschule Goldene Aue und das CvD-Gymnasium das Erlebte auf. Die ersten Stunden gehen im Klassenverband über die Bühne. Von außen kommt geschulte Hilfe hinzu.

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Von Frank Heine
Mittwoch, 17.09.2025, 08:37 Uhr

Goslar. An den Tagen danach ist Verarbeiten angesagt. Zur Ruhe kommen. Die Normalität wiederfinden. „Alle Schülerinnen und Schüler haben die ersten beiden Stunden im Klassenverband zugebracht und das Erlebte besprochen“, erklärt CvD-Chef Holger Ritzke am Morgen nach dem Amokalarm im Schulzentrum Goldene Aue. „Alle Kollegen sind für ihre Klassen und Kurse da, auch die, die eigentlich krank sind“, sagt Ritzke. Er selbst habe eine halbe Stunde vor Schulbeginn bereits am Eingang gestanden, Schüler und Eltern begrüßt, schon wieder viele lachende, aber auch noch betrübte Gesichter gesehen und den einen oder anderen in den Arm genommen und gedrückt.

Ja, es macht etwas nicht nur mit jungen Menschen, wenn plötzlich der Alarm losgeht. Laut, schrill und durchdringend warnt eine Stimme: „Achtung. Amokalarm. Einsperren.“ Schüler, Eltern, Lehrkräfte – alle müssen mit einer Lage umgehen, die sich niemand wünscht. Die unklar ist, weil ein vermeintlicher Attentäter mit Bomben und Waffen droht. Und weil ein solcher Fall auch nicht wirklich bis ins letzte Detail geübt werden kann. Ritzke weiß sich mit Rektorin Ulrike Eilers von der Realschule Goldene Aue einig, dass für den Rest der Woche andere Dinge wichtiger sind als der reine Unterricht. Arbeiten und Tests sind abgesagt. Prüfungssituationen soll es nicht geben. „Wir müssen schauen, wie die emotionale Lage ist“, sagt Ritzke. Eine solche „emotionale Eskalation“ verarbeiteten alle unterschiedlich. Und unterschiedlich schnell. „Wir haben Räume aufgemacht, in denen Gespräche geführt werden können, wenn der Bedarf da ist“, erläutert Ritzke.

Suche nach der goldenen Mitte

Erfahrungswerte zeigten, dass sich solche Erlebnisse im Normalfall schnell wieder verflüchtigen. Der goldene Mittelweg ist gefragt. Jetzt. Und wohl auch noch ein paar Tage länger: „Wir wollen nichts verharmlosen, aber eben auch nicht überdramatisieren.“ Nicht zu vergessen: Auch eine Schulleitung entscheidet nicht jeden Tag „in echt“ und unter maximalem Zeitdruck darüber, welche Schritte bei einer Bedrohung einzuleiten sind. Und wie ist die Bedrohung überhaupt einzuschätzen? Aus den Klassenräumen oder von draußen per Handy verschickte Bilder und Nachrichten tragen nicht zur Beruhigung bei.

Die Klasse 8.2 des CvD-Gymnasiums arbeitet das Geschehen von gestern auf. Die Stimmung ist aber bereits wieder gut. Die Klasse war eine von denen, die nach draußen gegangen war und sich nicht verbarrikadiert und unter Tischen verschanzt hatte.

Die Klasse 8.2 des CvD-Gymnasiums arbeitet das Geschehen von gestern auf. Die Stimmung ist aber bereits wieder gut. Die Klasse war eine von denen, die nach draußen gegangen war und sich nicht verbarrikadiert und unter Tischen verschanzt hatte. Foto: Privat

Zurück zum Tag des Geschehens: Nicht nur jüngere Mädchen fallen sich in die Arme und weinen. Gerade Jungen aus den höheren Klassen haben bereits ihren Haken hinter die Sache gemacht und diskutieren darüber, dass doch bitte kein Unterricht mehr stattfinden soll. Eltern sind besorgt, manche panisch, weil alle unsicher sind. Zeugen berichten, wie ein Vater von Einsatzkräften zurückgehalten werden muss, als er ruft: „Gebt mir eine Waffe, ich gehe rein und kläre das.“

Andere bedanken sich sofort und später bei Polizei und Lehrkräften für deren besonnenes und umsichtiges Handeln. Die Polizei, die die Wachtelpforte, Heinrich-Pieper-Straße und Bornhardtstraße weiträumig abgesperrt hat, gibt gegen 14.15 Uhr vorsichtig Entwarnung. Es handele sich aller Voraussicht nach um einen Fehlalarm. Als die Klassen wieder einrücken wollen, müssen sie aber trotzdem noch einmal nach draußen. Viele verharren dort mehrere Stunden – ohne Jacken.

Die Suchhunde sollen letzte Sicherheit bringen. Bei der Aufarbeitung gibt es Hilfe. Kriseninterventionsteams sind im Einsatz, schulinterne und vom Landkreis geschickte, erklärt Ritzke. Beim Schulträger, betont Sprecherin Marieke Düber, soll das Geschehen vom Dienstag in den nächsten Tagen besprochen, analysiert und bewertet werden. Am kommenden Mittwoch tagt der Schulausschuss. Vielleicht gibt es dann schon neue Erkenntnisse.

Behördenhilfe aus Braunschweig

Das Regionale Landesamt für Schule und Bildung schickt aus Braunschweig Schulpsychologinnen und -psychologen, die am Tag nach dem Alarm vor Ort allen Angehörigen der Schulgemeinschaft für Beratung und Beistand nach Bedarf zur Verfügung stehen, erklärt Sprecher Philipp Schmidt. Darüber hinaus begleite die Behörde die Schule auch schulfachlich bei der Aufarbeitung des Vorfalls. Wie oft kommt ein solcher Großalarm in Niedersachsen vor? „Da es sich um absolute Einzelfälle handelt, die statistisch nicht erhoben werden, können wir hierzu keine Auskunft geben“, gibt Schmidt als Antwort auf eine GZ-Frage. Und wie wird reagiert? Generell gelte, dass die Schule umgehend die Polizei informiert, die dann über weitere Schritte entscheide. Jeder Fall und jede Drohung werde ernst genommen. „Weiterhin existieren schulinterne Handreichungen der Schulpsychologie und des Landeskriminalamtes. Diese sind jedoch nicht öffentlich zugänglich, um potenziellen Täterinnen und Tätern ihr Vorhaben nicht zu erleichtern.“ Wer will da widersprechen?

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