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Ausstellung eröffnet

GZ Plus IconFotografie und Live-Performance im Goslarer Kreishaus

Yaryna Shumska arbeitet mit Luftballons und Wasserbomben.

Yaryna Shumska arbeitet mit Luftballons und Wasserbomben. Foto: Hartmann

Im Goslarer Kreishaus ist derzeit eine ungewöhnliche Fotoausstellung zu sehen: Die Bilder dokumentieren die Goslarer Live-Performances aus den Jahren 2023 und 2024. Zur Eröffnung gab es zwei neue Performances.

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Von Petra Hartmann
Montag, 01.09.2025, 17:00 Uhr

Goslar. Fotografie und Performance – zwei Künste, wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Und doch: Im Forum des Goslarer Kreishauses gehen sie eine ungewöhnliche Partnerschaft ein. „Live.Stills“ lautet der Titel einer Fotoausstellung, die am Donnerstagabend eröffnet wurde. Und der Untertitel ist sehr bezeichnend für das Projekt: „Dokumentierte Vergänglichkeit“.

Gezeigt werden Bilder der beiden Live-Performance-Veranstaltungen des Vereins „No w here“, die die Goslarer in den Jahren 2023 und 2024 bewundern konnten. Eine Dokumentation, die zeigt, dass der fotografische Blick durchaus eine kongeniale Ergänzung zu den Live-Auftritten der Künstler sein kann.
Barbara Le Béguec Friedman erzählt von einer Frau, die Bäume und Vögel liebte.

Barbara Le Béguec Friedman erzählt von einer Frau, die Bäume und Vögel liebte. Foto: Hartmann

Es ist wie ein Märchen, die Geschichte zweier Schwestern aus der Familie Kunst, mit der Snežana Golubovic die Begegnung beider schildert. Die Performance als jüngere Schwester ist gerade mal 110 Jahre alt, die Fotografie rund 140 Jahre älter. „Die Performance lebt im Hier und Jetzt, sie liebt das Publikum, sie lebt von Menschen, die etwas zusammen machen. Sie mag Musik, sie mag es laut, sie will alles erleben, was möglich ist.“ Manchmal kann einem die arme Fotografie schon leid tun, die auf ihre kleine Schwester aufpasst, oft zu spät kommt, doch manchmal, wenn sie zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist, gelingen unglaubliche Bilder.

Zur Eröffnung der Foto-Ausstellung wurde die arme ältere Schwester beinahe völlig in den Hintergrund gedrängt. Denn zwei Performance-Künstlerinnen zeigten dem Publikum sehr eindrücklich bei einer Live-Vorführung, was da alles passiert, während Vertreter der fotografischen Kunst noch nach dem richtigen Winkel und dem besten Bildausschnitt für das eine Dokument zur Veranstaltung suchen.

Barfuß und mit Klebestreifen

Die erste der beiden Künstlerinnen, Barbara Le Béguec Friedman, begann sehr langsam, beinahe pantomimisch, mit ihrer Schau. Eine junge barfüßige Frau in schwarzer Kleidung tritt auf und beginnt, auf einer weißen Stellwand mit schwarzen Klebestreifen ein Rechteck zu markieren, vielleicht ein Fenster. Mit Klebeband befestigt sie die Turnschuhe verkehrt herum auf ihren nackten Füßen, hebt einen im Publikum versteckten schwarzen Beutel auf und schneidet ein Loch hinein. Langsam hebt sie ihn über den Kopf, senkt ihn wieder, drückt ihn an die Brust, schmiegt sich an ihn, dreht sich um die eigene Achse, erzählt von einer Frau, die Bäume liebte und Vögel, während aus dem Säckchen die Körner hinabrinnen und nach und nach den Boden des Forums bedecken. Eine Geschichte in Bildern, die langsam ausklingt, als die Darstellerin das in den Schuhen gefangene Vogelfutter in Briefumschläge rieseln lässt und es an die Zuschauer verteilt.
Blick in die Ausstellung: Im Kreishaus sind die Live-Performances des Jahre 2023 und 2024 auf Fotos dokumentiert.

Blick in die Ausstellung: Im Kreishaus sind die Live-Performances des Jahre 2023 und 2024 auf Fotos dokumentiert. Foto: Hartmann

Die zweite Show: Yarina Shumska breitet eine Abdeckfolie auf dem Boden aus. Langsam, lautlos, mit der Grazie eines Unterwasser-Balletts und der Ruhe eines Malermeisters, der stundenweise bezahlt wird, Bahn für Bahn, entfaltet sie das flatternde Plastik. Ein Bodenschutz, der am Ende der Performance unbedingt nötig wird. Denn als die Künstlerin mit riesigen, schwabbelnden Wasserbomben zu spielen beginnt, ist die Flutkatastrophe vorbestimmt. Shumska weiß, was sie tut: Als sie den schwarzen, superstabilen Wasserballon ansticht, gibt es keine Explosion. Ein steter Springquell steigt empor, während die Künstlerin einen anderen Ballon aufzublasen beginnt. Die Performance endet schließlich mit dem lange ersehnten Knalleffekt. Und mit dem Einsatz von Putztuch und Eimer, denn das Forum des Kreishauses sieht aus, als habe es einen Wasserrohrbruch gegeben. Doch die Helfer sind sturmerprobt. Immerhin mussten sie zuvor schon mit Kehrblech und Besen das Vogelfutter zusammenfegen.

Dass nach den beiden eindrucksvollen Darstellungen die Würdigung der älteren Schwester Fotografie etwas ins Hintertreffen geriet, liegt vermutlich in der Natur der Sache. Wer sich die Ausstellung „Live.Stills“ noch einmal in Ruhe anschauen und die für die Ewigkeit festgehaltenen Augenblicke der flüchtigen Performances genießen möchte, hat noch bis Donnerstag, 18. September, die Gelegenheit dazu.

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