Seesen ist erstmals Hauptgastgeberort der Jüdischen Kulturtage

Seesen ist erstmals Hauptgastgeber der Jüdischen Kulturtage – das Foto zeigt das Eingangstor zum jüdischen Friedhof. Foto: Gereke
Zum sechsten Mal richtet das Israel-Jacobson-Netzwerk die Jüdischen Kulturtage zwischen Harz und Heide aus. Erstmals ist Seesen Hauptgastgeberort der Reihe. Am Sonntag steht die Eröffnung an. Was steht in den kommenden Wochen auf dem Programm?
Seesen. Die Jahrhunderte alte Geschichte des Judentums in Deutschland mit der aktuellen Gegenwart zu verknüpfen – das ist das Ziel der Jüdischen Kulturtage zwischen Harz und Heide. Seit 2018 werden sie vom Israel-Jacobson-Netzwerk (IJN) ausgerichtet. In diesem Jahr ist Seesen der Hauptgastgeberort – ein bedeutsamer Platz für die Entstehungsgeschichte des modernen Judentums. An diesem Sonntag, 24. August, ist die offizielle Eröffnung der Kulturtage.
Mit Ausstellungen, Vorträgen, Lesungen, Filmen und weiteren kulturellen „Brückenbauern“ werden Schlaglichter gesetzt, die verdeutlichen, was jüdisch-sein hierzulande und heutzutage ausmacht, heißt es dazu in der Einladung. Das IJN setzt jedes Jahr einen thematischen Schwerpunkt und wählt eine Stadt aus der Region zum Hauptgastgeberort. Jetzt, im sechsten Jahr seit Beginn der Veranstaltungsreihe, fällt die Rolle des Gastgebers erstmals der Stadt Seesen zu. Das Motto lautet „Jüdisch dabei“.
Gesellschaftlichen Teilhabe von Juden im Blick
Am Beispiel der Person Meyer Jacobson, der 1851 zum ersten Ehrenbürger der Sehusa-Stadt ernannt worden war, sollen Themen der gesellschaftlichen Teilhabe von Juden in den Blick genommen werden. Meyer Jacobson ist Sohn des großen jüdischen Reformators Israel Jacobson (1768-1828). Der ließ in Seesen die weltweit erste Reformsynagoge bauen, den Jacobstempel. Sein Sohn Meyer Jacobson (1789-1877) führte das Erbe seines Vaters fort. Er war Kurator der Jacobsonschule und eröffnete eine Waisenanstalt, in der Kinder aller Religionen und Konfessionen aufgenommen wurden. Wegen dieser Verdienste erfolgte die Ernennung zum Ehrenbürger.
In die Eröffnungsveranstaltung am Sonntag, die um 11 Uhr im Bürgersaal des Jacobson-Hauses beginnt, ist auch ein Impulsvortrag vom Seesener Historiker Dr. Joachim Frassl zur diesjährigen Hauptperson Meyer Jacobson (1789-1877) eingebettet. Der offiziellen Eröffnung schließt sich um 13 Uhr eine Stadtführung zum Leben und Wirken von Meyer Jacobson an. Männliche Teilnehmer benötigen für die Stadtführung eine Kopfbedeckung, da der jüdische Friedhof an der Dehnestraße besucht wird, informiert die Stadtverwaltung.

Blick auf Seesens jüdischen Friedhof am Nordhang des Hasseberges: Etwa 100 Gräber sind dort erhalten. Foto: Gereke
Auf dem 1805 am Nordhang des Hasseberges durch Israel Jacobson angekauften Gelände fanden von 1836 bis 1963 Bestattungen statt; etwa 100 Grabsteine sind erhalten. Für die Lehrerkörper der Jacobsonschule gibt es eigene Reihen auf der Hügelkuppe. Der Erwerb eines Grundstücks, auf dem der Friedhof dauerhaft bestehen kann, hat für die jüdische Gemeinschaft größte Dringlichkeit. Denn ein jüdischer Friedhof gilt als Bet Olam (Hebräisch für „Haus der Ewigkeit“). Gräber dürfen nicht neu belegt, Grabsteine nicht entfernt werden.
Die Jüdischen Kulturtage laufen bis zum 28. September. Programmfrei sind die Tage 23. und 24. September, da in dieser Zeit das Jüdische Neujahrsfest „Rosch ha-Shana“ gefeiert wird. Weitere Veranstaltungsschlaglichter in Seesen sind eine Sonderausstellung des Städtischen Museums von Montag, 25. August, bis Sonntag, 28. September. Der Lutteraner Künstler Klaus Müller hat Bilder des Jüdischen Friedhofs entworfen, die im Rahmen der Jüdischen Kulturtage im Foyer des Museums gezeigt werden. Am Dienstag, 26. August, steht auf Einladung der evangelischen Kirchengemeinde St. Vitus und St. Andreas eine Führung durch die St.-Andreas-Kirche an – dabei gibt es besondere Einblicke in die barocke Kirche in Seesen mit ihrer zweigeschossigen Empore und einer Hochkanzel auf acht Säulen. Die Seesener Reformsynagoge – zerstört durch Brand in der Reichspogromnacht am 9. November 1938 – wies innen und außen deutliche Bezüge zu diesem protestantischen Kirchenbau auf.
Rosenthal-Film im Jacobson-Haus
Am Donnerstag, 28. August, begrüßt Historiker Frassl im Jacobson-Haus interessierte Gäste zu seinem Vortrag „Meyer Jacobson und seine Waisenanstalt“. Beginn ist um 19 Uhr, der Eintritt ist frei. Am Freitag, 29. August, wird im Jacobson-Haus eine filmische Biografie an den bekannten TV-Entertainer Hans Rosenthal erinnern und am Dienstag, 2. September, läuft im Gemeindehaus St. Andreas der Film „A Letter to David.“ Zu beiden Vorstellungen ist der Eintritt frei. Das Biopic zu Hans Rosenthal beginnt um 18.30 Uhr. Der Film im Gemeindehaus wird um 19 Uhr gezeigt.
Auch auf dem Sehusafest, das am Wochenende des 6. und 7. September in Seesen gefeiert wird, sind die Jüdischen Kulturtage mit einer Laubhütte des IJN, genannt „Sukka“, dabei. Weiter geht es am Freitag, 12. September, mit der bekannten Stadtführung „Jüdisches Seesen 1910“. Stadtführer Dr. Stefan Blöß erwartet seine Gäste um 18.30 Uhr. Den Schlusspunkt unter die Veranstaltungsreihe der Jüdischen Kulturtage in Seesen setzt erneut Historiker Frassl mit seinem Vortrag „Johann Rabener ist Jacques Rabinowitz“ am Dienstag, 16. September. Beginn des Vortrags ist um 19 Uhr im Jacobson-Haus. Weitere Einzelheiten zum Programm der Jüdischen Kulturtage zwischen Harz und Heide gibt es beim Stadtmarketing und Tourismus, dem Fachbereich V der Stadtverwaltung und beim Israel Jacobson Netzwerk online unter www.ij-n.de/events.
Ziel ist der kulturelle und interkulturelle Austausch – ganz im Jacobsonschen Ansatz von vor mehr als 200 Jahren. „Es geht uns um kulturelle Vielfalt, um Austausch und Begegnung – wir wollen unsere eigene jüdische Geschichte darstellen als Ausgangspunkt des Reformjudentums“, fasst es Thorsten Scheerer, Fachbereichsleiter Kultur der Stadt Seesen, zusammen. Denn die jüdische Geschichte Seesens sei nicht nur ein wichtiger Baustein der Stadtgeschichte, sondern auch darüber hinaus. „Und die Idee vom friedlichen Miteinander ist heute aktueller denn je“, findet Scheerer.
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