Goslars Schlaglöchern digital auf der Spur
Ein Smartphone schießt während der Fahrt alle vier Meter ein Foto von der Straße. Die Vialytics-Software erkennt Risse, Aufbrüche oder Löcher im Asphalt. Foto: Stadt Goslar
Im Asphaltdschungel setzt die Kaiserstadt auf Smartphone und KI. Darum geht's im zweiten Teil der GZ-Serie „Die Straßen von Goslar“.
Goslar. Mit Smartphone und Künstlicher Intelligenz kontrolliert die Stadt Goslar den Zustand des Straßennetzes. Vialytics heißt das System – und es arbeitet verblüffend genau. Die Farbe Rot auf der internen Straßenkarte heißt dann Alarm: Hier holpert's auf dem Asphalt gewaltig.
Wenn Sebastian Heim den gelben Alu-Koffer packt, dann geht es auf Tour durch den Goslarer Asphaltdschungel. Heim ist Chef im Betriebshof, der etwa alle drei Monate das gesamte Straßennetz in der Kaiserstadt samt Ortsteilen kontrolliert. Das sind satte 380 Kilometer.
Vialytics: Alle vier Meter ein Foto von der Straße
Wichtigstes Gepäckstück ist dabei ein schlichtes Smartphone, das dann im Auto – ähnlich wie ein Rückspiegel – vor der Frontscheibe montiert wird. Das durch Vialytics gesteuerte Handy schafft es bei der Kontrollfahrt, automatisch alle vier Meter ein Foto vom Straßenraum zu schießen – und zwar nicht nur bei Kriechgeschwindigkeit: „Das geht bis Tempo 120“, schildert Heim. Es würde also auch auf einer Autobahn noch funktionieren.
Sebastian Heim leitet den Goslarer Betriebshof. Im Koffer ist das digitale „Besteck“ für das System „Vialytics“, mit dem sämtliche Straßen in Kernstadt und Ortsteilen analysiert werden. Foto: Jörg Kleine
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Worum es dabei geht, wird am Monitor im Büro des Betriebshofleiters schnell deutlich: Kennzeichen der fahrenden und parkenden Autos sind verpixelt, auch Gesichter von Passanten werden unkenntlich gemacht, um die Anforderungen des Datenschutzes zu erfüllen. Wer etwa sein Auto falsch geparkt hatte, muss sich also keine Sorgen machen: Der Betriebshof erfasst mit Vialytics den Straßenzustand – keine Parksünder.
Billig ist das System Vialytics nicht. Die Stadt Goslar zahlt 50.000 Euro für die Nutzung – und zwar jährlich. Dafür arbeitet das System rasant und effizient. Früher brauchte ein Mitarbeiter des Betriebshofs rechnerisch ein ganzes Jahr, um die Straßen im kompletten Stadtgebiet zu dokumentieren, mit Vialytics läuft das in maximal drei Tagen. Damit bringt der Betriebshof also deutlich mehr Arbeitskraft auf die Straße.
Noten von 1 bis 5 für Goslars Straßenzustand
Die Auswertung ist sehr genau, wie Fotos der einzelnen Straßenabschnitte zeigen: Risse, Löcher und Wurzelaufbrüche im Asphalt sind quasi auf jeden Meter genau zu erkennen. Dabei erteilt die Vialytics-Software den Straßenabschnitten auch gleich Schulnoten in unterschiedlichen Kategorien – ob Risse, Fugen und Nähte, Flickstellen, Ausbrüche oder (Un-)Ebenheit des Asphalts. Daraus resultiert eine Gesamtnote für die Straße, die dann in einer Karte auch farblich sichtbar wird: Bei Note 1 leuchtet die Straße in sattem Grün, bei einer 5 in sattem Rot. Zwischen 1 und 5 gibt es farbliche Abstufungen.

Blick auf den Zustand der Straßen: Rot heißt, dass die Straßen in schlechtem Zustand sind und dringend repariert oder erneuert werden müssen – beispielsweise der in Bildmitte markierte Fritz-Reuter-Weg am Georgenberg. Die in Grau markierten Straßen sind gepflastert. Foto: Stadt Goslar
Auf einen Blick kann Sebastian Heim in der Karte also erkennen, wo der Betriebshof ran muss. Die Aufträge dafür lassen sich direkt aus dem System heraus erteilen. Dann fährt ein Team des Betriebshofs raus mit dem Asphaltcontainer, um Risse und Löcher auf Goslars Straßen zu stopfen. Wermutstropfen: Für gepflasterte Straßen, und davon gibt es viele in Goslar, funktioniert Vialytics nicht.
1,5 Millionen Euro jährlich für Reparatur
Im Herbst 2023 lief die Testphase in Goslar für Vialytics, seit 2024 ist das System voll im Einsatz. Auch wenn Goslar nicht die einzige Stadt in Deutschland ist, die Vialytics nutzt, gehört die Kaiserstadt zu den Vorreitern – und hat damit überregional für Furore gesorgt. „Sebastian Heim ist ein richtiger Fernsehstar“, sagt Stadtsprecherin Daniela Siegl schmunzelnd. Einige TV-Sendungen haben über den Einsatz am Beispiel von Goslar berichtet.
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Das alles hat allerdings auch Grenzen – spätestens finanziell. Reparaturen an den Straßen sind beim Betriebshof auf 1,5 Millionen Euro im Jahr budgetiert. Dies bezieht sich auf Flicken und Löcherstopfen im Asphalt – bis zu 25 Quadratmeter. „Alles darüber ist dann auch eine Frage des Komforts“, macht Heim deutlich: Der Betriebshof hat keine Fräsen und Asphaltmaschinen, um große Flächen oder ganze Straßen neu und glatt zu asphaltieren, sondern bessert Schäden quasi in Handarbeit aus. Instandhaltung heißt das in der Finanzbuchhaltung.
Ausnahmen bestätigen dabei die Regel, denn manchmal flickt der Betriebshof auch größere Asphaltflächen – wie zuletzt an der Kösliner Straße in Jürgenohl, wo häufig Rettungswagen unterwegs sind. Eine gründliche Sanierung der Straße ist erst in zwei Jahren vorgesehen.
Solche Investitionen, also grundlegende Erneuerungen von Straßen, sind derweil Aufgaben des Tiefbau-Fachdiensts im Rathaus. Da rücken dann nach öffentlicher Ausschreibung die Baufirmen an, um Straßen mit großem Gerät zu sanieren. So stimmen sich Betriebshof und Tiefbau in Goslar regelmäßig ab, wo das Flicken noch reicht oder eine Sanierung erforderlich ist – und wann das Geld dafür bereitsteht. Denn darüber bestimmen die Finanzlage – und der Stadtrat mit der Haushaltsplanung.
Für Vialytics hat die Stadt indes schon weitere Einsatzgebiete erschlossen. Das System erkennt auch verschmutzte oder verblasste Straßenschilder, erklärt Heim. Die regelmäßige Spielplatzkontrolle in Goslar läuft inzwischen ebenso über Vialytics, und neuerdings hat der Betriebshof auch die Parkbänke ins System aufgenommen.
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