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Ein Hardrock-Café auf dem Brocken?

GZ Plus IconWelche Pläne Landrat Balcerowski für die Bergkuppe hat

Ein Mitarbeiter des Landkreises Harz hält einen Schlüssel für das Brockengebäude in der Hand. Für drei 3,5 Millionen Euro hat der Landkreis Harz die Brockenkuppe gekauft. Das beliebte Ausflugsziel in Sachsen-Anhalt soll touristisch aufgewertet werden.

Ein Mitarbeiter des Landkreises Harz hält einen Schlüssel für das Brockengebäude in der Hand. Für drei 3,5 Millionen Euro hat der Landkreis Harz die Brockenkuppe gekauft. Das beliebte Ausflugsziel in Sachsen-Anhalt soll touristisch aufgewertet werden. Foto: dpa

Nach dem Kauf der Brockenkuppe durch den Harzkreis will Landrat Thomas Balcerowski „den Brocken entwickeln“. Auch von einem Hardrock-Café ist die Rede. Die Brockenbahn soll bleiben.

Von dpa Donnerstag, 03.07.2025, 19:45 Uhr

Harz. Die Übernahme der Brockenkuppe ist so unspektakulär wie eine Wohnungsübergabe. Mit Klemmbrettern und dem Vordruck eines Übergabeprotokolls steht eine Gruppe Verwaltungsmitarbeiter des Landkreises Harz auf dem höchsten Berg Norddeutschlands und wartet darauf, was ihr Chef, der Harzer Landrat Thomas Balcerowski (CDU), einige Wochen vorher als „historischen Moment“ bezeichnet und mit der Brockenöffnung im Dezember 1989 verglichen hatte.

Seit dem 1. Juli gehören große Teile der Brockenspitze dem Landkreis Harz. Für 3,5 Millionen Euro kaufte dieser zwei Grundstücke mit einer Fläche von 12.937 Quadratmetern, darauf befindet sich der Brockenturm mit Restaurant und Hotel, ein Touristensaal mit Restaurant und das windschiefe Wolkenhäuschen von 1736, in dem schon Goethe Schutz gesucht haben soll.

Streitpunkt von Natur und Tourismus

Es gehe darum, dem Brocken „als Ort zahlreicher Mythen und Sagen und als unverrückbares Symbol der deutschen Wiedervereinigung eine tragfähige Zukunftsperspektive als touristischem Leuchtturm zu eröffnen“, teilte der Landkreis zur Vertragsunterzeichnung mit. Doch wie viel Tourismus vertragen Berg und der Nationalpark in Sachsen-Anhalt und Niedersachsen? Und lohnt sich so eine Investition überhaupt?

Im 7. Stock des Brockenturms sitzt Wirt Daniel Steinhoff in seinem Restaurant „Hexenklause“ am Fenster und blickt auf das Plateau hinunter, auf dem einige Touristen Selfies machen: „Es ist jetzt 14.22 Uhr, die Leute kannst Du an einer Hand abzählen“, sagt Steinhoff. Seit 26 Jahren ist er oben auf dem Brocken, seine Familie ist eine Institution. Kurz vorher kam eine Nachricht von seinem Sohn, der am Brockenbahnhof in Sichtweite des Turms den Kiosk betreibt. Nichts los. Wegen der Waldbrandgefahr haben die Harzer Schmalspurbahnen den Fahrplan geändert. „Keine Bahn zwischen zwölf und zwei, zur besten Mittagszeit.“

Wenig Personal

Etwa eine halbe Million Menschen fahren jedes Jahr mit den historischen Dampfzügen den Brocken hinauf auf den zweithöchsten Bahnhof Deutschlands nach der Zugspitze. Wie viele Menschen jedes Jahr insgesamt kommen, ist schwer zu schätzen. Wanderer nehmen einen der zahlreichen Wege aus Niedersachsen oder Sachsen-Anhalt oder fahren mit dem Fahrrad hoch. Schätzungen schwanken zwischen zwei und drei Millionen Besuchern jährlich.

Brockenwirt Steinhoff hat ein Problem: Vor rund einer Woche haben ihm drei Mitarbeiter gekündigt, darunter zwei Köche. Dabei hat er sowieso schon zu wenig Personal. Vor einigen Jahren habe er noch 26 Leute auf dem Dienstplan gehabt, jetzt seien es 13. „Was man jetzt überlegt, mit Veranstaltungssaal und Konferenzen: Wer soll das denn bewirtschaften?“ Die Personalprobleme seien die gleichen wie in jedem anderen Hotel oder Restaurant. Mit Videos in den sozialen Netzwerken und mit Aushängen oben auf dem Berg sucht er Mitarbeiter: einen Koch, Kellner, Verkäufer für den Kiosk, Reinigungskräfte.

Ein paar Stockwerke tiefer schließt ein Servicetechniker die Türen zum Touristensaal auf. „Heute haben wir Ruhetag“, steht an der Tür, an einem Dienstag im Juli, einem der ersten Ferientage in Sachsen-Anhalt. An zwei Tagen in der Woche ist die Gastronomie im Brockenturm wegen Personalmangels geschlossen, Hotelbuchungen für die 20 Zimmer wurden eingeschränkt.

Der Techniker führt die Gruppe Verwaltungsmitarbeiter vom Landkreis vorbei an der Küche, durch einen Hof, in einen Anbau, der ist fast leer, nur ein paar Server und Technikschränke der Telekom stehen dort. Der alte Richtfunkraum spielt im Entwicklungskonzept des Landkreises eine zentrale Rolle: Er soll später ein Mehrzweckraum werden für 500 Gäste für Veranstaltungen, Tagungen, Aufführungen.

Keine Disneyisierung des Harzes

Mit besonderem Blick schaut Oliver Junk, der Präsident des Harzklubs, in Richtung Brocken. Es sei die richtige Entscheidung, dass der Landkreis die Kuppe gekauft habe, sagt er. „Ich möchte keine Disneyisierung des Harzes.“ Es dürfe keine touristische Entwicklung um jeden Preis geben. Damit blickt Junk selbstkritisch auf Entwicklungen im Westharz. Von 2011 bis 2021 war er Oberbürgermeister von Goslar. Man habe gedacht, die Besucherströme gingen zurück und müsse etwas tun, berichtet der CDU-Politiker. Jetzt stünden zum Beispiel auf dem Bocksberg in Hahnenklee eine Sommerrodelbahn und ein „Monsterkreisel“. Die Stadt habe das unterstützt.

„Das ist eine Fehlentwicklung, dass man glaubt, in jedem Dorf muss eine Attraktion stehen“, sagt Junk. „Der Harz spricht für sich, der Brocken spricht für sich.“ Bei den touristischen Entwicklungen müsse man vorsichtig sein. Mit der Brockenkuppe in der Hand des Landkreises hofft Junk, dass es nicht nur um Profit gehe. Schließlich gehe es auch um die wechselvolle Geschichte des Ortes. Die Leute, die 1989 dafür gesorgt hätten, dass der Brocken, früher militärisches Sperrgebiet an der innerdeutschen Grenze, wieder zugänglich wurde, die würden mittlerweile aussterben. Daran müsse man auch erinnern.

Charme der 90er Jahre

Es sei 2008 nicht das Ziel des Konsortiums aus Harzsparkasse und Nord LB gewesen, den Brocken zu entwickeln, erklärt der Landrat. Es sei nur darum gegangen, den Berg vor fremdem Einfluss zu schützen. Jetzt sei man fast 20 Jahre weiter. Aber: „Es wird hier keinen Rummelplatz geben“, sagt Balcerowski. Es gehe um modernisierte Toiletten, einen kleinen Spielplatz für Kinder im Innenhof des Brockenturms, vielleicht einen Laden für Fahrrad- und Wanderzubehör. Demnächst will der Landrat auch Gespräche mit dem Hardrock-Café führen. Auch das wäre eine Möglichkeit, um für Aufmerksamkeit zu sorgen.

Dabei weiß Balcerowski auch: „Der Brocken ist kein Ort, wo man jeden Tag Geld verdient.“ Viele Tage würden mit null Gästen auch komplett ausfallen, wenn etwa Sturm und Eis die Besteigung teils sogar lebensgefährlich machen. Und das Hauptziel für den Landkreis ist klar: Es geht auch um das Überleben der historischen Brockenbahn. Im vergangenen Jahr fuhren die Harzer Schmalspurbahnen, dessen Aufsichtsratsvorsitzender Balcerowski ist, ein Defizit von mehr als fünf Millionen Euro ein.

Dass sich etwas ändern muss, sieht auch Brockenwirt Steinhoff. „Nur Erbsensuppe und Soljanka reichen nicht.“ Sein Vater habe früher teils 360 Liter Erbsensuppe pro Tag verkauft. Jetzt seien es an guten Tagen vielleicht 60 Liter. Für den Landrat zeigt das: „Der Geschmack der Leute verändert sich.“ Übereilte Entschlüsse soll es nicht geben. Der Brockenwirt wartet daher erst einmal ab, was der neue Eigentümer jetzt plant. „Für mich ändert sich erstmal nur die Bankverbindung für die Miete, mehr nicht.“

Mitarbeiter des Landkreises Harz besichtigen bei der Übergabe der Brockengebäude die Räume auf dem Brocken.

Mitarbeiter des Landkreises Harz besichtigen bei der Übergabe der Brockengebäude die Räume auf dem Brocken. Foto: dpa

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