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Harlingeröder Firma sorgt vor

GZ Plus IconIst die Gefahr von Großbränden bei Electrocycling jetzt gebannt?

Auf dem Gelände der Firma Electrocycling wird Elektroschrott zur Wiederverwertung in seine Bestandteile zerlegt.

Auf dem Gelände der Firma Electrocycling wird Elektroschrott zur Wiederverwertung in seine Bestandteile zerlegt. Foto: Schlegel

Fast ein Jahr ist der Oster-Großbrand auf dem Gelände der Firma Electrocycling her. Seitdem scheint es dort ruhiger und sicherer geworden zu sein. Ist das so? Und wenn, woran könnte es liegen? Aber: Kann die Gefahr überhaupt komplett gebannt werden?

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Von Holger Schlegel
Mittwoch, 29.01.2025, 04:00 Uhr
Fast ein Jahr ist es her, dass auf dem Gelände der Firma Electrocycling auf dem Harlingeröder Hüttengelände tonnenweise Elektroschrott in Flammen stand.
ECG-Geschäftsführer Guido Sellin.

ECG-Geschäftsführer Guido Sellin. Foto: Schlegel

Seit diesem Karfreitag 2024 hat es noch einmal etwas größer, aber auch zweimal nur noch wesentlich kleiner gebrannt. Kehrt Ruhe ein? Ist die Gefahr gebannt? Könnte man meinen, in erster Linie dürften wohl die umfangreichen Vorsichtsmaßnahmen der Electrocyling GmbH (ECG) greifen. Unter anderem sind das die verschiedenen Überwachungsvorkehrungen rund um die Uhr. Und demnächst wird auch noch eine gigantische Löschanlage installiert. Die GZ hat sich mit ECG-Geschäftsführer Guido Sellin über die Maßnahmen und die Lage unterhalten.

63.000 Tonnen pro Jahr

Bei Electrocycling werden jährlich 63.000 Tonnen Elektroschrott recycelt, das heißt, auseinandergenommen und in wiederverwertbare Bestandteile aufgeteilt. Das Material, sortiert und unsortiert, lagert dort in Haufen von bis zu 20 Tonnen, wobei auch die schon verkleinert wurden.

63.000 Tonnen Elektroschrott werden pro Jahr bei Electrocycling angeliefert und verarbeitet.

63.000 Tonnen Elektroschrott werden pro Jahr bei Electrocycling angeliefert und verarbeitet. Foto: Schlegel

Der Brand am Karfreitag 2024 hatte für sehr viel Aufsehen und Aufregung in der Bevölkerung und auch für viele schlaflose Nächte bei Sellin gesorgt. Zumal auch aus der Öffentlichkeit auf die Firma eingeprügelt wurde, sogar eine Zwangsstilllegung wurde in den sozialen Netzwerken gefordert. Aber „wir haben doch auch kein Interesse daran, dass es bei uns brennt“, sagt Sellin.
Eine Gitterbox voller Rauchmelder. Auch die haben in der Vergangenheit schon einmal gebrannt.

Eine Gitterbox voller Rauchmelder. Auch die haben in der Vergangenheit schon einmal gebrannt. Foto: Schlegel

„Wir wollen unser Werk und unsere Arbeitsplätze schützen.“ Und außerdem kostet jeder Großbrand ein Haufen Geld.
Geräte mit Akkus werden in kleineren Einheiten gelagert.

Geräte mit Akkus werden in kleineren Einheiten gelagert. Foto: Schlegel

Der Elektroschrott ist ja quasi die Geschäftsgrundlage für die ECG. Und ein Feuerwehreinsatz ist auch nicht preiswert. Vom Schutz für die Bevölkerung und auch die Einsatzkräfte einmal ganz abgesehen. Der steht auch für Electrocycling über allem.

Gefahr nicht komplett bannen

Aber hundertprozentig, das erklärt Sellin schon seit Jahren gebetsmühlenartig, lasse sich die Gefahr nicht bannen. Denn solange im Elektroschrott irgendwo noch Akkus oder Batterien stecken, kann er brennen. Streng genommen reicht schon eine elektrische Zahnbürste in einem zehn Tonnen großen Schrotthaufen. Und diese Haufen gibt es auf dem ECG-Gelände überall, denn der Schrott wird angeliefert und niemand weiß, wie streng er schon vorsortiert wurde. Sellin will niemandem, auch nicht den Betreibern der Wertstoffhöfe, die Schuld geben. Aber nach wie vor liegt das Problem da, wo der Elektroschrott entsorgt und nicht sortiert wird. Nach wie vor sei der Gesetzgeber gefragt, für strengere Regeln zu sorgen. Inwieweit die dann eingehalten und kontrolliert werden (können), steht auf einem anderen Blatt.

Geräte, in denen Akkus verbaut sind, werden aufgebrochen, die Akkus werden entfernt.

Geräte, in denen Akkus verbaut sind, werden aufgebrochen, die Akkus werden entfernt. Foto: Schlegel

Also bleibt nur Prävention. Aber wie sieht die bei ECG aus? Überall auf dem Gelände sind Überwachungskameras installiert, die direkt mit der Einsatzleitstelle der Feuerwehr verbunden sind. Wird ein Feuer entdeckt, geht der Alarm automatisch an die Feuerwehr. Auch hängen überall in der Produktion Monitore, auf denen sofort ein Entstehungsbrand erkannt werden kann. Es sind Löscheinrichtungen installiert, Feuerwehrschläuche liegen bereit. Und seit dem großen Brand vom Karfreitag hat ECG einen Wachdienst engagiert, der immer dann, wenn auf dem Firmengelände niemand mehr arbeitet, das Firmengelände überwacht.
Auf dem Firmengelände liegen überall Löschmittel bereit.

Auf dem Firmengelände liegen überall Löschmittel bereit. Foto: Schlegel

Auch diese Wachleute alarmieren sofort die Feuerwehr, wenn sie einen Brand sehen. Zudem beginnen sie selbst mit ersten Löscharbeiten, sofern das möglich ist.
Überall auf dem Firmengelände hängen Überwachungskameras, die Brände entdecken und Alarm auslösen.

Überall auf dem Firmengelände hängen Überwachungskameras, die Brände entdecken und Alarm auslösen. Foto: Schlegel

Sellin schätzt, dass allein durch diese Maßnahmen ein halbes Dutzend Feuer so früh entdeckt worden sei, dass daraus keine Großbrände entstehen konnten. Noch nicht installiert ist die von Sellin bereits vor Monaten angekündigte Löschanlage, der Hersteller habe Lieferschwierigkeiten. Allerdings sind Leitungen und Fundamente für Wassertanks bereit. Im Sommer sollen drei große Löschkanonen aufgestellt werden, die im Falle eines Feuers automatisch loslegen und jeweils 1800 Liter Wasser in der Minute auf eine Entfernung von bis zu 50 Meter auf den Brand schießen können. Allein diese Anlage kostet laut Sellin rund 700.000 Euro.
Hunderte von alten Handys werden bei der ECG recycelt.

Hunderte von alten Handys werden bei der ECG recycelt. Foto: Schlegel

Durch die bereits getroffenen und noch geplanten Maßnahmen dürfte das Risiko von Großbränden auf dem ECG-Gelände minimiert sein beziehungsweise minimiert werden. Bei null, so der Geschäftsführer, werde es nie liegen. Zuletzt hatte der Inhalt von Gitterboxen Feuer gefangen, in denen bereits ausgebaute beziehungsweise vorsortierte Geräte mit Akkus lagerten. Das waren dann zwar immer nur kleine Brände, aber sie sind Beleg dafür, dass das Material nach wie vor brandgefährlich sein kann.

DIE MESSPROBLEMATIK

Während der Jahreshauptversammlung der Bad Harzburger Ortsfeuerwehr hatte Kreisbrandmeister Uwe Fricke das Problem angerissen und einige Tage später im Gespräch mit der GZ konkretisiert: Die Feuerwehr hat ein Problem, zeitnah an belastbare Messergebnisse nach Bränden zu kommen. Mit anderen Worten: Welche Giftstoffe in welcher Konzentration im Rauch sind, wird erst Wochen später bekannt. Streng genommen nützt es dann auch nichts mehr. Sinnvoll auch im Sinne der Gefahrenabwehr wäre ein „Live-Ergebnis“, damit sofort reagiert werden kann. Die privaten Labore, die die Gefahrenabwehrbehörden für die Auswertung der Feuerwehrmessungen beauftragen, arbeiten aber sehr langsam. Demnächst will sich die Kreisfeuerwehr deshalb eigene, genauere Messgeräte anschaffen, in den Kreishaushalt wurden dafür laut Fricke 200.000 Euro eingestellt.

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