AfD-Vorstand: Nach dem Rücktritt bleibt vieles unklar
Eine denkwürdige Veranstaltung der "Alternative für Deutschland": Im Jacobson-Haus in Seesen erleben die Gäste bei einem "Bürgerdialog" Ende September eine tumultartige Versammlung. Foto: Neuendorf
Eigentlich hatte der AfD-Kreisverband Goslar für den 1. November Vorstandsneuwahlen geplant. Dazu kam es nicht, nach den jüngsten Turbulenzen ist ohnehin vieles unklar.
Harz. Nach dem turbulenten „Bürgerdialog“ des AfD-Kreisverbandes Goslar Ende September im Jacobson-Haus Seesen ist es ruhig geworden um den Verband. Auch vom Landesvorstand ist nicht viel zu erfahren. Nach dem kompletten Rücktritt des Kreisvorstands als Folge interner Querelen und Ausdruck der Unzufriedenheit mit dem Ex-Vorsitzenden Main Müller waren für den 1. November Neuwahlen geplant. Der Termin verstrich, ein neuer ist nicht bekannt.
Die von einem AfD-Youtuber aufgezeichnete Versammlung in Seesen verlief derart hitzig und tumultartig, dass der AfD-Kreisverband damit bundesweit in die Schlagzeilen geriet und dem Ruf der Partei gerecht wurde, er sei ein „gäriger Haufen“, so lautet eine frühere Einschätzung des AfD-Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland.
Was macht der „Ehrenmann“?
Nach dem Theater, das die AfD mit ihren Gästen, den AfD-Bundestagsabgeordneten Micha Fehre und Dirk Brandes sowie dem Landtagsabgeordneten Omid Najafi in Seesen aufführte, hält sich die Partei aktuell auffällig zurück. Ex-Vorsitzender Main Müller aus Seesen reagiert weder auf Anrufe noch auf E-Mails. Unmittelbar nach der Sitzung hatte er noch angekündigt, wieder kandidieren zu wollen. Dem Vernehmen nach soll es im Landesvorstand aber Bemühungen geben, ihn davon abzuhalten.
Unterdessen war die AfD unmittelbar nach der „Bürgerversammlung“ in Seesen mit Anzeigen in der GZ und im „Seesener Beobachter“ aufgefallen. Darin hatte sich die Partei bei Main Müller für die Vorgänge im Jacobson-Haus entschuldigt und diesen als „Ehrenmann“ bezeichnet. Nach GZ-Informationen stammen die Anzeigen weder vom Landes- noch vom Bundesverband. Main Müller äußerte sich seinerzeit nur ausweichend dazu, wer die Anzeigen in Auftrag gegeben hat.
Aus dem Landesvorstand ist zur aktuellen Lage nicht viel zu erfahren. Bis auf, dass der Kreisverband noch existiere, teilt der Vorstand nichts mit. Ein Sprecher verwies stattdessen kürzlich auf eine Mitteilung vom 6. Oktober nach einer GZ-Anfrage. Seinerzeit erklärte die AfD, der Landesverband verschaffe sich nach dem Vorfall in Seesen „einen Überblick“ und kläre rechtliche Fragen. Die Ereignisse hätten es allerdings „leider notwendig gemacht“, die Neuwahlen des Kreisvorstands zu verschieben. Aus dem Kreis von Mitgliedern ist zu hören, dass mittlerweile ein Termin für Mitte Dezember vorgesehen sei.
Zu den rechtlichen Fragen, die der Landesvorstand prüft: Dabei könnte es um Main Müller gehen, bestätigt ist das aber nicht. Denkbar ist, dass wegen parteischädigenden Verhaltens Konsequenzen gegen andere Beteiligte geprüft werden. Möglich ist außerdem, dass gar nichts passiert. In Hannover liegt jedenfalls ein umfangreicher Beschwerdekatalog von ehemaligen Mitstreitern aus dem aufgelösten Kreisvorstand gegen Müller vor – wegen angeblicher Beleidigungen und wegen parteischädigenden Verhaltens.
Bei einem weiteren Vorwurf gegen Main Müller geht es um eine mutmaßliche Trickserei mit einer Bewirtungsabrechnung nach einem Abendessen mit dem AfD-Bundestagsabgeordneten Maximilian Krah bei einem Italiener in Osterode. Wie stichhaltig die Vorwürfe sind, ist unklar.
Derweil hat der Landesvorstand in Hannover mit Ansgar Schledde an der Spitze kein glückliches Händchen, wenn er in Kreisverbänden durchgreift. Zur Erinnerung: Schledde hatte den früheren Kreisvorstand Goslar um Dirk Straten im Juni 2024 handstreichartig abgesetzt. Das Bundesschiedsgericht der Rechtsaußenpartei bezeichnete Schleddes Vorgehen nach einer Prüfung in diesem Juli als rechtswidrig. Erst nach der Entlassung des alten Vorstands war die Wahl von Müller möglich geworden, der ein Jagdfreund von Schledde sein soll.
Nicht im Sinne der Partei
Jetzt hat wieder ein Gremium das Verhalten von Schledde als rechtswidrig gerügt. Auslöser für das Urteil des Landesschiedsgerichts vom Oktober ist ein Streit im Kreisverband Salzgitter. In dessen Verlauf setzte Schledde den Kreisvorstand ab. Ein Kernvorwurf lautete der Urteilsbegründung zufolge, dass dieser „definitiv nicht in der Lage“ sei, „im Sinne der Partei zu agieren“.
Sechs Mitglieder klagten gegen die Absetzung und bekamen Recht. Der Beschluss des Landesvorstands vom 4. Juli dieses Jahres und die Einsetzung eines Notvorstands seien „rechtswidrig“. Daher sei der Kreisvorstand „mit sofortiger Wirkung wieder im Amt“. Aus Goslarer Sicht überrascht das Urteil, denn die Absetzung des früheren Kreisvorstands um Dirk Straten war ja ebenfalls „rechtswidrig“. Allerdings, so befand das AfD-Bundesschiedsgericht, werde die spätere Wahl von Main Müller davon nicht berührt, sie sei rechtswirksam zustande gekommen.
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