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GZ-Serie „Die Straßen von Goslar“

GZ Plus IconÜber heißes Pflaster in der Kaiserstadt

Das Foto zeigt löchriges Kopfsteinpflaster in der Dedeleber Straße.

Blick aufs kaputte Pflaster in der Dedeleber Straße: Die Straße sollte 2025 repariert werden, doch gehört sie zu einem Gruppendenkmal. Aber verträgt sich Kopfsteinpflaster überhaupt noch mit modernen Richtlinien der Barrierefreiheit? In der Goslarer Altstadt treffen jedenfalls Welten von Bürokratie aufeinander. Foto: Jörg Kleine

Straßensanierung scheitert oft nicht nur am Geld – auch an viel Bürokratie. Davon gibt es in Goslar eine Menge Beispiele.

Von Von Jörg Kleine Sonntag, 30.11.2025, 10:00 Uhr

Goslar. Kaputtes Pflaster, Löcher im Asphalt – die Fahrt mit dem Auto durch Goslar ist im wahrsten Sinne steinig. Gewaltige Summen und eine organisatorische Meisterleistung wären nötig, um die ganzen Flickenteppiche spürbar zu beseitigen. Doch ein solches Vorhaben scheitert nicht nur am Geld, sondern auch an Zeit, Richtlinien und Gesetzen.

Goslar, mitten in der Altstadt, Dedeleber Straße: „Es sollte nur eine Reparatur werden. Aber wenn wir neues Pflaster einbauen, dann ist das wie ein Neubau der Straße“, schildert Mathias Brand, Leiter des Fachbereichs Tiefbau bei der Stadtverwaltung. Von seinem Büro aus im Rammelsberghaus hat er eine schöne Aussicht auf Zinnen und Türme der Kaiserstadt, die millionenfach Touristen anlocken. Aber Brand weiß auch leidvoll, mit welchen zusätzlichen Herausforderungen dieses monumentale Denkmal verbunden ist.

Kaputte Katzenköpfe sind ein Gruppendenkmal

Die schmale, unscheinbare Dedeleber Straße ist ein Paradebeispiel. Knapp 200.000 Euro stehen 2025 im Etat der Stadt, um einen Teil des Pflasters zu reparieren. Die Katzenköpfe aus Grauwacke können mehrere Menschenleben lang halten. Manchmal aber auch nicht – wie in der Dedeleber Straße. Die Pflastersteine liegen nicht nur holprig, sondern sind in sich zersprungen.

Alte Steine raus, neue Steine drauf, fertig ist die Straße. So simpel könnte das laufen. Aber dagegen gibt es Gesetze: Die Dedeleber Straße bildet mit ihrem Umfeld nämlich ein Gruppendenkmal. Da dürfen Städte also nicht einfach neue Pflastersteine hinlegen. Außerdem wäre das ja ein Neubau der Straße, und dafür muss der gesamte deutsche Planungsablauf eingehalten werden. So, als wenn eben eine komplett neue Straße im Neubaugebiet geschaffen würde.

Goslarer Marktplatz: Nicht schön, aber barrierefrei?

Zu dieser Planung gehört natürlich auch die gesetzlich verankerte Barrierefreiheit. „Da gilt es dann abzuwägen“, erklärt Brand: Was wiegt schwerer – der Anspruch, dass jeder Bürger am Leben barrierefrei teilhaben kann, oder die Erhaltung eines Denkmals? Hier können Behörden sehr unterschiedlicher Meinung sein – noch dazu in einer Stadt, die Unesco-Weltkulturerbe ist. „Eigentlich wollten wir nur das Pflaster wieder gerade hinlegen“, sagt Brand mit einem Seufzer. Doch dieses Projekt könnte noch ein Weilchen dauern.
Das Foto zeigt Mathias Brand, Leiter des Fachdiensts Tiefbau bei der Stadt Goslar, in seinem Büro.

Straßen sind sein Revier: Mathias Brand ist Chef für Tiefbau bei der Stadt Goslar. Foto: Jörg Kleine

Beispiel Marktplatz: Im Sommer 2024 begann der große Aufriss in Goslars schönem Wohnzimmer. Es ging ums Pflaster, neue Leitungen, eine technische Reparatur für den Marktbrunnen und Wiederherstellung des Pflasters vorm frisch sanierten historischen Rathaus. Für das ganze Projekt sollten Fördergelder des Landes fließen.

Aber: Städtische Gebäude müssen eigentlich barrierefrei erreichbar sein. Deshalb sollten außen im Karree um den Marktplatz neue Platten verlegt werden. Dem ganzen Vorhaben hätte die Denkmalpflege auch zugestimmt, zumal das Pflaster erst von 1960 ist, erklärt Mathias Brand.

Als das Vorhaben konkret wurde, erhob sich aber Widerspruch aus der Bevölkerung. Das schöne Strahlenpflaster auf dem Marktplatz soll weg? Auf keinen Fall. Zudem hätten Gastronomen am Marktplatz den mit neuen Platten verlegten Weg freihalten müssen, damit etwa Rollstuhlfahrer außen herum leichter über den Marktplatz zum alten Rathaus kommen. Am Ende entschied sich die Stadt für eine Reparatur des alten Marktplatzpflasters – ohne behördliche Auseinandersetzungen, aber auch ohne Fördergeld.

„Wir sind ja nicht in Wolfsburg“

Manchmal wünschte sich Brand italienische Verhältnisse. „Denken Sie mal an Bushaltestellen in Italien. Da kommt kein Bus gerade heran“, sagt Brand. Aber das juckt dort auch niemanden, fügt er achselzuckend an.
Das Foto zeigt einen Brocken mit Erzgestein in einem Metallrahmen, der in der Nähe der Bushaltestelle am Bahnhofsplatz steht.

Ist das Erzgestein am Bahnhofsplatz eine Barriere? Die Landesverkehrsgesellschaft fühlte jedenfalls Grund zur Kritik. Foto: Jörg Kleine

In Niedersachsen läuft das anders: Als der Goslarer Bahnhofsvorplatz 2022 neu gestaltet worden war, meldete sich die Landesnahverkehrsgesellschaft. Sie war der Meinung, dass am Bahnhof eine Bushaltestelle nicht barrierefrei erreichbar sei, weil am Imbiss angeblich ein Erzbrocken als Schaustück störe, schildert Brand. „Das ist der Grund dafür, warum es manchmal etwas komisch läuft. Mitunter sind eben in einer Stadt wie Goslar unübliche Lösungen notwendig“, betont er: „Wir sind ja nicht in Wolfsburg.“

Mittelalterliche Substanz gibt es in der VW-Stadt eben nicht. Außerdem floss durch den Autoriesen immer sehr viel Geld ins Stadtsäckel. Davon konnte Goslar nur träumen.

Abseits des Geldes geht es im Straßenbau auch organisatorisch oft um die Quadratur des Kreises. Die Stadt Goslar muss für insgesamt 380 Straßenkilometer sorgen. Eingeschlossen sind darin nicht nur die Gemeindestraßen, sondern bei einer Stadt von der Größe Goslars mit ihren rund 50.000 Einwohnern auch die Anteile von Kreis- und Landesstraßen, die durch die Stadt verlaufen. Bei Anteilen von Bundesstraßen gilt dies erst für Städte ab 80.000 Einwohnern. Allerdings müssen für Gehwege oder Bushaltestellen entlang der Bundesstraßen auch kleinere Städte zahlen.

Um dies gleichzeitig zu bewältigen, sollten zunächst einmal die Budgets bereit sein: Wenn das Bundesgeld fließen soll, muss auch das Geld im städtischen Haushalt bereitstehen – und die Baufirmen für unterschiedliche Aufgaben gleichermaßen.

Das Straßenspiel: Stadt, Land, Bund

Noch komplizierter wird es, wenn noch die Bahn im Spiel ist. Exemplarisch steht dafür die Stapelner Straße, die in der Baßgeige mit einer Brücke über die Bahngleise führt. Früher stand dort eine Rufschranke, dann musste fürs wachsende Gewerbegebiet eine Brücke her. Für die Beseitigung einer Rufschranke durch eine Brücke teilen sich Bund, Land und Stadt die Kosten, erklärt Mathias Brand. Aber die Stadt konnte Fördermittel von 70 Prozent beantragen. Das Geld vom Bund floss wiederum über den Landeshaushalt. Für den Straßenverlauf hinter der Brücke galten aber andere Bedingungen. Dafür waren entweder Fördermittel über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) des Bundes möglich oder Zuschüsse zur Erschließung von Gewerbegebiet.

Fazit: „Am Ende haben wir als Stadt nicht mal zehn Prozent der Kosten bezahlt. Aber für das Projekt waren fünf verschiedene Förderanträge erforderlich“, bilanziert Brand. Von Zeitverlust und personellem Aufwand ganz zu schweigen.

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