Fußball-Talente müssen ihren eigenen Weg gehen
Said El Mala im Zeichen des Geißbocks. Bundestrainer Julian Nagelsmann beruft den Kölner in den Kader der Nationalmanschaft. Foto: picture alliance/dpa
GZ-Kolumnist und Köln-Fan Kenneth Schuller freut sich über die Berufung von Said El Mala durch den Bundestrainer. Dabei wäre der Kicker beinahe durchs Raster gefallen.
Saïd El Mala, endlich wieder ein Nationalmannschaftskandidat von meinem FC. Vor diesem Wochenende ploppte die Einladung des 19-jährigen Supertalentes in die DFB-Auswahl in den Medien auf. Was können andere Talente sich von ihm abgucken? Welche Schlüsse können aber auch Trainer und Vereine aus seinem Weg ziehen?
Aus Liga 3 ins Nationalteam
Dieser führte ihn in den letzten fünf Monaten aus der dritten Liga bei Viktoria Köln in die Eliteauswahl unseres Landes. Körperliche Robustheit, energische Tempodribblings, eine tolle Schusstechnik und eine selbstbewusste Körpersprache zeichnen ihn aus. Den geradlinigen Weg über die Nachwuchsleistungszentren (NLZ) ging er nicht. Ganz im Gegenteil, schickte ihn doch Borussia Mönchengladbachs Jugendabteilung noch im Jahr 2021 vom Hof. Zu schmächtig sei er, körperlich nicht stark genug. Wer hat seine überragenden technischen Fertigkeiten in dem Moment übersehen? War der Jahrgangstrainer mit der Entscheidung alleine gelassen? Fühlte sich der Spieler im strukturierten NLZ nicht wohl? Konnte er seine kreativen Fähigkeiten in der Enge des Systems nicht ausspielen?
Umfrage zum Thema NLZ
Passend dazu läuft im Bund Deutscher Fußball-Lehrer (BDFL), dem Berufsverband der Übungsleiter im Fußball, gerade eine Umfrage an die Trainerinnen und Trainer zu dieser Thematik: NLZ, was nun? In welchem Alter soll der Wechsel erfolgen? Ab wann kann man den Jugendlichen einen heimatferneren Wechsel zutrauen? Wie weit sollen die Talente geführt werden oder selber Entscheidungen treffen? Berücksichtigt man dann noch die Gemengelage der jungen Menschen zwischen Vereinen, Trainern, Beratern, Eltern und eigenen Ansprüchen, ist die Kompliziertheit in den jeweiligen Entscheidungsfindungen aller Beteiligten fast schon eine Absolute.
El Mala reif für Entscheidung
El Mala war charakterlich so gefestigt, eigene Entscheidungen zu treffen, die auch schon eine Beendigung der Karriere in Erwägung gezogen haben. Zum Glück tat er dies nicht, sondern fand Vertrauen im Trainerteam von Viktoria Köln.
Marian Wilhelm, seinerzeit Jugendcoach dort, gilt letztendlich als sein Entdecker und Olaf Janßen, damaliger Trainer der ersten Mannschaft des Drittligisten, verhalf ihm zum Profidebüt.
Dieser Werdegang scheint ihn gestählt zu haben und zeigt, dass auch Spieler, die im NLZ durch das Raster fallen, den Weg in die Spitze zurückfinden können. Als Resümee kann man den Talenten raten, ihren eigenen Weg zu gehen, in welcher Liga auch immer und verbunden mit ihrem persönlichen Lebensglück. Diesem sollten sich auch Eltern, Beraterinnen und Berater unterordnen, was im monetär aufgeheizten Profigeschäft mitunter leider völlig untergeht.
Talent kann sich spät entwickeln
Uns Trainern ist es angeraten, ständig die Ganzheitlichkeit des Spielers zu sehen, immer unter der Berücksichtigung, dass sich verschiedene Talentfaktoren zu unterschiedlichen Zeiten entwickeln können. Dies gilt nicht nur für Spieler, welche von Viktoria Köln zum FC wechseln oder von Bayern München zu Real Madrid, sondern auch für solche, die vom TSV Immenrode zum Goslarer SC 08 gehen, denn hier machen die Talente ihre ersten Ausbildungsschritte und sollen unseren schönen Sport kennen und lieben lernen.
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