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Nachgedacht

GZ Plus IconDer kalte Krieg um die Chips

Ohne Computerchips geht in der Industrie nichts.

Ohne Computerchips geht in der Industrie nichts. Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Der Konflikt um den Halbleiter-Produzenten Nexperia ist für die deutsche Industrie bedrohlich – ob Autos oder Kühlschränke. Aber was steckt dahinter?

Von Jörg Kleine Freitag, 31.10.2025, 10:54 Uhr

„Chips sind der Rohstoff der Zukunft.“ Keine Ahnung, von wem dieses Zitat stammt – in jedem Falle war die Aussage richtig, und sie ist uralt. Im Grunde gilt die Weisheit schon seit den 1940er Jahren, als deutsche und amerikanische Forscher die ersten elektronischen Halbleiter samt Silizium und seltenen Erden entwickelten – etwa bei der Firma Telefunken. Das löste seit den 50er Jahren eine technische Revolution aus, die vom Röhrenradio zum Smartphone führte, vom Stummfilmkino zum Flachbildschirm im Wohnzimmer, vom Rechenschieber zur Künstlichen Intelligenz – und vom VW Käfer zum selbstfahrenden Elektroauto.

Wer oder was ist Nexperia?

Von Telefunken spricht heute kein Mensch mehr, die Chip-Riesen sitzen in China, Taiwan und den USA. Aber nicht nur in Deutschland, auch in anderen europäischen Ländern haben Firmen die Rohstoffquellen der Zukunft abgegeben – die niederländische Firma Philips zum Beispiel. 2006 gliederten die Holländer ihre Halbleitersparte in eine eigene Firma aus. 2016 kaufte ein chinesisches Konsortium die Sparte, 2019 übernahm dann das teils staatliche chinesische Unternehmen Wingtech die Regie. „Nexperia“ heißt die Firma heute, die zwar weiterhin in Holland Halbleiter produziert – die aber zur Weiterverarbeitung und zum Verkauf erst nach China geliefert werden. Und jetzt wird das Problem akut – auch für VW & Co.

Niederlande und China im Konflikt – mit Folgen für Deutschland

Die niederländische Regierung hat nämlich ein uraltes Gesetz aus Zeiten des Kalten Krieges aus der Mottenkiste gezogen, um die Kon-trolle über Nexperia zu erlangen. Der Verdacht: China zieht Wissen und kritische Technologie aus dem Unternehmen ab. Peking antwortet mit Lieferstopp – Bosch in Deutschland mit Kurzarbeit und die deutsche Autobranche womöglich alsbald mit dem nächsten Gewinneinbruch.

Das Dilemma zeigt nicht nur, wie komplex die Globalisierung ist, sondern auch knallhart, wie abhängig Deutschland und Europa sind. Überdies, wie wir zum Spielball internationaler politischer Konflikte geworden sind.

Während die USA und Japan aus den Lieferproblemen und Engpässen während der Corona-Pandemie gelernt haben, enormes Kapital in Chipentwicklungen und -fabriken lenkten, blieb es in Deutschland und Europa weitgehend bei warmen Worten, kommentiert dieser Tage etwa das „Handelsblatt“: Die Abhängigkeit von Asien und den USA räche sich jetzt bitter.

Computerchips: Aus der Corona-Zeit nichts gelernt

Nicht nur bei Computerchips, sondern auch in anderen Bereichen haben Deutschland und Europa wichtige Kompetenz und Produktion aus den Händen gegeben. Solarzellen gehören dazu, und auch ein Beispiel mitten in unserer Region: Als es um den Erhalt der Firma PPM Pure Metals in Astfeld ging, die sich auf seltene Metalle in hochreiner Form spezialisiert hatte, schaltete das Bundeswirtschaftsministerium unter Ägide von Peter Altmaier (CDU) im Sommer 2020 die Ohren auf Durchzug. Nunmehr sitzt die chinesische Vital-Gruppe am Hebel.

Die Ursache: USA im Handelskrieg mit China

Allein der Name des abgewählten Ampel-Wirtschaftsministers Robert Habeck (Grüne) erzeugt ja in polarisierten sozialen Netzwerken heute schon Shitstorms. Mit Blick auf weniger Abhängigkeit von russischem Gas und Wachstumsförderung für Chip-Produktion war Habeck indes ein veritabler Stratege im Vergleich zu seinem Vorgänger Altmaier und seiner Nachfolgerin Katherina Reiche (CDU).

Doch auch in den deutschen Konzernen fallen krisenfestere Strategien dem kurzsichtigen Blick auf Kostenoptimierung allzu leicht zum Opfer. Sonst hätte der Griff nach einem alten niederländischen Gesetz nicht derart gravierende Wirkung. Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer hält das ohnehin für Käse, wie er beim Sender ntv erklärte: Nach Dudenhöffers Einschätzung könnten die einfachen Halbleiter von Nexperia überall hergestellt werden. In Wahrheit gehe es um den Handelskonflikt zwischen den USA und China, bei denen die Niederländer womöglich nur Donald Trumps Erfüllungsgehilfen seien, um die Chinesen als böse Buben dastehen zu lassen.

Damit würde Trump dann auch gleich den Druck auf die deutsche Automobilindustrie weiter erhöhen, die ihm ein Dorn im Auge ist.

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joerg.kleine@goslarsche-zeitung.de

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