Igel-Population „im Sinkflug“ – wie man helfen kann
Ein Igel erkundet das Gelände der Wildtieraufnahmestation im Tiergarten Halberstadt. Foto: picture alliance/dpa
Klimawandel, Chemikalien und Mähroboter setzen den Tieren zu. Viele Jungtiere überleben den Winter nicht. Perspektiven aus Goslar und Berlin.
Region. Der Winter kommt in den Harz, und damit auch ein langer Schlaf für die Igel. Doch um diese Zeit zu überleben, muss ein Jungtier mindestens 500 bis 600 Gramm wiegen. „Die Population ist im Sinkflug“, berichtet die Heinz Sielmann Stiftung. Auch der deutsche Tierschutzbund warnte im Oktober, dass immer mehr Jungigel vor dem Winter zu wenig Nahrung finden.
Klimawandel und Mähroboter als Gefahr
Die kritische Vorbereitungszeit für Igel läuft seit September, insbesondere für spät geborene Jungtiere. Sinkt die Außentemperatur dauerhaft unter etwa 4–6°C, wie oft ab Mitte Oktober, wird das Futterangebot knapp. Spätestens bei Frost finden die Tiere keine Nahrung mehr und treten in den Winterschlaf ein. Dass es immer weniger Igel gibt, macht auch Anett Jerke Sorgen. Sie ist erste Vorsitzende beim Nabu Goslar. Dass es weniger Nahrung für die Tiere gibt, liegt laut ihr auch am menschengemachten Klimawandel.

Mähroboter wie diese werden den Tieren schnell zum Verhängnis. Foto: picture alliance/dpa

Ein Igel mit Schnittverletzungen durch einen Mähroboter Foto: picture alliance/dpa/Forschungsverbund Berlin e.V. (FVB)
„Ein großes Problem sind auch Mähroboter“, erklärt sie. Die können Igel und andere Wildtiere schnell verletzen oder töten. Zäune, die bis zum Boden gehen, machen es den Igeln schwer, in einem Garten Schutz zu finden. Mit Hecken ist es einfacher, so die Sielmann-Stiftung. Tierärzte sind tatsächlich verpflichtet, eine Erstuntersuchung bei verletzte Wildtieren durchzuführen. Dr. Kerstin Hinken leitet eine Kleintierpraxis in Goslar. Sie berichtet, dass es in ihrer Praxis nur selten Wildtiere gibt.
Der Nabu selbst nimmt keine Wildtiere auf, leitet sie allerdings weiter. Auf der Website gibt es Anlaufstellen für verschiedene Tierarten, darunter auch ein Igelzentrum in Laatzen.
Artenschutzproblem mit hoher Dunkelziffer
Zu Mährobotern und Schnittverletzungen gibt es auch eine Studie des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) aus 2024 und 2025. 47 Prozent der gemeldeten Schnittverletzungen durch Mähroboter endeten tödlich. Auch der starke Anstieg der Fallzahlen von Igel-Stationen ist auffällig. Das IZW spricht von einem „wachsenden Artenschutzproblem“. Die Forschenden warnen vor einer hohen Dunkelziffer, da viele verletzte oder getötete Igel gar nicht erst gefunden werden. Da Igel nachtaktiv sind, ist besonders der Nachtbetrieb der Geräte eine Gefahr für sie. Die Tiere fliehen nicht, sondern verharren und werden daher besonders leicht verletzt oder getötet.

Verletzte oder unterernährte Igel können durch Tierärzte oder Ehrenamtliche versorgt werden, wie hier in einer Berliner Auffangstation. Foto: picture alliance/dpa
Chemikalien und Straßenverkehr
Eine Analyse von Hansson et al. aus 2024 und 2025 setzt sich mit Belastung durch Chemikalien im Garten oder im städtischen Umfeld auseinander. Igel sind demnach stark mit Pestiziden, Schwermetallen, Weichmachern, Kunststoff-Zusätzen und chlorierten Kohlenwasserstoffen belastet. Diese Gartenchemikalien schaden Igeln entweder direkt, oder indirekt, weil sie Insekten oder Schnecken töten. Die gehören normalerweise zu ihrem Nahrungsangebot.
Als häufigste Todesursache für Igel gilt weiterhin der Straßenverkehr, wie eine wissenschaftliche Studie im Rahmen bundesweiter Mitmachaktionen des IZW Berlin nahelegt. Laut weiteren Schätzungen von Landschaftsverbänden und Naturschutzgruppen sind es bundesweit rund 500.000 überfahrene Igel pro Jahr.
Und hier? Für Niedersachsen, mit knapp 8 Millionen Einwohnern und großer Verkehrsbelastung, liegen die Schätzungen bei mehreren Tausend getöteten Igel im Jahr.
Verletzungen durch Gartengeräte und Vergiftungen durch Schadstoffe tun ihr Übriges.
Schutz und Rückzugsorte

Mit mindestens 500 Gramm ist ein Jungtier für den Winter gewappnet. Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb
Dass die Tiere sichere Orte brauchen, um vor der Straße oder einem Mähroboter zu fliehen, liegt nahe. Anett Jerke empfiehlt Menschen mit Garten deshalb, Laub und Totholz liegenzulassen. So sparen sich Menschen Arbeit und Igel behalten ihre Rückzugsorte.
Die Sielmann-Stiftung hat weitere Informationen zu igelfreundlichen Gärten und erster Hilfe für die Tiere zusammengefasst.
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