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Illegale Wildfänge: Buchfinkenfreunde im Zwielicht

Bei den Finkenmanövern, wie hier 2014 in Hohegeiß, lauschen die Tierhalter den Gesängen der Buchfinken und benoten diesen. Die Tiere sitzen in verhüllten Käfigen. Archivfoto: Schlegel

Bei den Finkenmanövern, wie hier 2014 in Hohegeiß, lauschen die Tierhalter den Gesängen der Buchfinken und benoten diesen. Die Tiere sitzen in verhüllten Käfigen. Archivfoto: Schlegel

Bottrop/Harz. Auf die Buchfinkengilde Harz, der Mitglieder aus der gesamten Region angehören, ist ein Verdacht gefallen, der die Vogelfreunde in einem schlechten Licht erscheinen lassen könnte.

Von Oliver Stade Dienstag, 25.08.2015, 16:42 Uhr

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Ihr Vorsitzender hat möglicherweise mehrere Jahre bei einem umstrittenen Vogelhändler aus Bottrop verbotene Wildfänge gekauft.

Der Fall setzt mehrere Behörden unter Druck. Ende vorigen Jahres wurden die Finkenmanöver, wie die im West- und Ostharz ausgetragenen Gesangswettstreite heißen, von der Deutschen Unesco-Kommission als Traditionsbrauchtum und immaterielles Kulturerbe geadelt.

Gefragt sein könnten die Landkreise Goslar, Osterode und Harz als Naturschutz- und Vollzugsbehörden. Sie müssen prüfen, ob die Vorwürfe zutreffen. Noch ist offen, ob Tiere beschlagnahmt werden, um sie in die Freiheit zu entlassen.

Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) geht zurzeit jedenfalls davon aus, dass bei den Buchfinkenfreunden in Altenau und anderen Harzorten rund 90 Tiere leben, die „mit hoher Wahrscheinlichkeit illegal der Natur entnommen worden sind“. Betroffen sind 30 Finker, heißt es.

Aus dem Umweltministerium Nordrhein-Westfalen wird der Verdacht bestärkt. Die Zustände in den Volieren des Bottropers seien derart schlimm gewesen, dass eine Zucht gar nicht möglich gewesen sei, sagt Jürgen Hintzmann von der Stabsstelle für Umweltkriminalität. Viele verschiedene Arten seien zusammengehalten worden. „Da entstehen Stresssituationen, unter denen Finken eigentlich nicht brüten. Erfahrene Tierfreunde hätten dies bemerken müssen. Ehrenberg stünde wie ein Mittäter da, falls die Vorwürfe zutreffen.

Wildfänge waren früher im Harz und anderswo üblich. Die Tiere wurden unter anderem mit Leimruten gefangen. Seit 1982 ist es in Niedersachsen verboten, Wildtiere zu fangen. Im Ostharz wurden noch bis Ende der 1990er Jahre Fangscheine ausgegeben.

Gegen den Bottroper wird seit 2012 ermittelt. In diesem Frühjahr wurde er wegen Verstoßes gegen das Bundesnaturschutzgesetz zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Dazu kommt eine Geldbuße von 100.000 Euro als Bewährungsauflage. Derzeit läuft ein neues Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Essen.

Finkenexperte Ehrenberg betont, die Tiere gutgläubig erworben zu haben. Der Benneckensteiner Dieter Spormann, Mitglied im Vorstand der fusionierten Gesamtharzer Finkengilde, wehrt sich entschieden gegen die Vorwürfe: „Unsere Mitglieder sind Experten und hätten kaum getäuscht werden können.“ Immerhin hätten die Behörden bis heute nicht einen Vogel beanstandet.

Ehrenberg, der als zentraler Einkäufer für den Verein tätig war, hat von etwa 2005 bis 2012 Finken bei dem Bottroper gekauft, der auch mit anderen Tieren aus illegaler Herkunft gehandelt haben soll. Alle Finken seien beringt und hätten Zertifikate gehabt. Hinweise auf eine Beringung von Altvögeln, mit denen ein Wildfang vertuscht werden soll, gebe es nicht. Als es erste Verdachtsmomente gegen den Bottroper gegeben habe, habe er den Kontakt 2012 sofort abgebrochen, betont Ehrenberg. Bei einer ersten Besichtigung Anfang der 2000er Jahre seien die Volieren in Ordnung gewesen.

Spormann geht noch weiter. Auf den Vorwurf, es sei kaum zu übersehen gewesen, dass der Bottroper Vögel keineswegs gezüchtet habe, reagiert er mit einem Gegenangriff: Das Ministerium wolle von seiner Verantwortung „zur regelmäßigen Aufsicht“ ablenken.

Auch die Medien kommen bei Spormann nicht gut weg. TV-Sender und eine Illustrierte hatten über den Bottroper und den Verdacht gegen die Finker berichtet. Die Recherchen seien nicht gründlich erfolgt, die Berichterstattung nicht objektiv, und „bedeutsame Fakten wurden wissentlich weggelassen“.

Immerhin hält der niedersächsische Landesbetrieb neben der Beschlagnahme der Tiere einen Kompromiss bereit. Die Halter sollen ihre Tiere aus Bottrop einer Absprache mit den Kreisen zufolge freiwillig den Behörden übergeben. Mittelfristig sollte den Buchfinken die Freiheit geschenkt werden – sofern sie illegal gefangen worden sind.

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