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Bier-Attacke auf Junk: Rechter Ringleb verurteilt

<p>Justitia. Symbolbild: Koserowsky</p>

<p>Justitia. Symbolbild: Koserowsky</p>

Goslar. Das Amtsgericht Goslar hat den Ilsenburger Ulf Ringleb, Funktionär der Partei „Die Rechte“, am Montag wegen Beleidigung zu einer Geldbuße in Höhe von 1800 Euro verurteilt. 

Von Frank Heine Montag, 22.05.2017, 16:11 Uhr

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Sie ist in 60 Tagessätzen zu 30 Euro zu zahlen. Richter Pinkwart sah es als erwiesen an, dass der 33-Jährige am 1. Juli 2016 zum Auftakt des Goslarer Schützenfestes Oberbürgermeister Dr. Oliver Junk in der Bayern-Festhalle mit Bier überschüttet und als „Arschloch“ bezeichnet hat. Ringleb, der Mitte März des Vorjahres bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt noch auf Platz drei der Rechten-Liste kandidiert hatte, bestritt zum Prozessauftakt, an diesem Abend überhaupt im Festzelt gewesen zu sein.

Junk selbst und zwei Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes erkannten ihn dagegen in ihren Aussagen ohne Zögern als Täter wieder. Bei der Strafbemessung wertete Pinkwart erschwerend, dass sich die Attacke gegen einen Volksvertreter gerichtet habe. „Sie haben die Möglichkeiten der demokratischen Diskussion weit verlassen“, schrieb Pinkwart dem wortkargen Angeklagten ins staatsbürgerliche Stammbuch.

Nach den Aussagen der drei Zeugen – ein vierter aus dem Ringleb-Umfeld war nicht erschienen – war klar: Bei jenem Vorfall waren jede Menge ausländerfeindlicher Parolen und Pöbeleien zu hören gewesen, die aber nicht unzweifelhaft Ringleb persönlich zuzuordnen waren. Er sei schon als Rädelsführer, aber eben in einem Pulk von Personen unterwegs gewesen, hieß es in den Aussagen.

Gegen Ringlebs Untadeligkeit sprachen für Pinkwart weiter seine fünf Eintragungen im Bundeszentralregister, die von Trunkenheit im Straßenverkehr über Beleidigung bis hin zum Verwenden von Symbolen verfassungswidriger Organisationen reichten. Mit dem Strafmaß entsprach Pinkwart letztlich dem Antrag der Staatsanwältin, auch wenn sie in den Begründungen teils abwichen.

So wertete Pinkwart Ringlebs Einspruch gegen den ersten Strafbefehl über 50 Tagessätze von zehn Euro nicht nachteilig als Verweigern eines Schuldeingeständnisses. Andererseits war er von der Beleidigung aus Ringlebs Mund überzeugt, was wiederum die Anklage-Vertreterin nach der Junk-Aussage als nicht mehr zweifelsfrei zuzuordnen wusste.

Sie konzentrierte sich auf die tätliche Beleidigung, nämlich das Schütten mit Bier. In der Anklageschrift wurde Ringleb noch zur Last gelegt, er habe den CDU-Oberbürgermeister als „linkes Arschloch“ bezeichnet. Für den Verteidiger stand ohnehin fest, dass sein Mandant nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ freizusprechen sei – im Zweifel eben für den Angeklagten. Das Opfer habe als einziger unmittelbarer Zeuge sowohl die Beleidigung nicht zuordnen können und offenbar auch das Ausfüllen des polizeilichen Zeugen-Fragebogens nicht hinreichend ernst genommen. Er habe den Täter nicht erkennen können, zitierte der Verteidiger aus dem Papier. Und ob nun das Bier zielgerichtet oder im Eifer des Gefechts versehentlich verschüttet wurde – wer wolle das schon sicher sagen?

Argumente ausgetauscht, Urteil verkündet – aber was ist an jenem ersten Festzeltabend beim Schützenfest 2016 eine gute Viertelstunde vor Mitternacht tatsächlich abgelaufen? Der im dunklen Anzug und mit Kurzhaar-Frisur erschienene Angeklagte gab sich völlig unwissend. Er sei an jenem Abend lediglich in „zwei, drei Eckkneipen“ und Fahrgeschäften gewesen. Im Bayern-Zelt nicht? „Das wäre mir neu.“ Als er mit zwei Freunden wieder nach Hause wollte und schon den Fahrer angerufen habe, habe ihn plötzlich der Sicherheitsdienst gestoppt und „sehr unsanft am Hals gepackt“.

Kannte er Junk vorher? „Erst im Nachhinein“. Vorher nicht? „Nee, ich komme ja nicht von hier“. Auf Pinkwarts Fragen antwortete der gebürtige Wernigeröder, der verheiratet ist, aber getrennt lebt und für ein 14-jähriges Kind Unterhalt zahlt, zügig und kurz. Im Zuhörerraum verfolgten knapp zwei Handvoll seiner Bekannten den Prozess – diszipliniert und störungsfrei. Allerdings saßen auch zwei martialisch ausstaffierte Wachtmeister und zwei Kripo-Beamte vom Staatsschutz im Raum – das Duo war mit Junk im Amtsgericht erschienen.

Zurück zu Ringleb: Von den Vorwürfen gegen ihn und mit wem er es zu tun gehabt habe, will Ringleb übrigens erst „aus der Presse erfahren“ haben. Die Polizei habe ihn an jenem Abend nur mit der offiziellen Begründung „zur Gefahrenabwehr“ für 24Stunden aus Goslar und Niedersachsen verwiesen.

Es folgte der Auftritt des Oberbürgermeisters auf dem Zeugen-Stuhl. Junk hatte die Beleidigung angezeigt und war sich auch am Montag über den politischen Hintergrund der Attacke absolut sicher. Mit ausländerfeindlichen Parolen – „ein ganzes Sammelsurium“ – hätten „sieben bis acht Mann“ mit Ringleb „vorne dran“ die bis dahin „recht fröhliche“ Stimmung getrübt und der Feier – die Festzelt-Gesellschaft stand auf den Bier-Bänken – ein ebenso aggressives wie abruptes Ende gesetzt. Er habe sich zuvor in der Flüchtlingspolitik öffentlich klar positioniert, die verbalen Angriffe des Abends seien sehr auf ihn fokussiert gewesen. Nur weil er Teil einer Gruppe gewesen sei und Menschen die Kontrahenten getrennt hätten, hätten Handgreiflichkeiten verhindert werden können.

Eine viel weitere Anreise als Junk hatten die beiden anderen Zeugen hinter sich: Jeweils mehr als 300 Kilometer legten gestern die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes zurück, um von der niederländischen Grenze und aus Herne nach Goslar vor Gericht zu gelangen. Der 55-jährige Einsatzleiter und der 40-jährige Ersteingreifer mochten in ihren Darstellungen in Details abweichen, blieben in der großen Linie aber stimmig. Wann genau nun der Chef über Funk über die drohende Gefahr und das Nahen des pöbelnden Pulks in Kenntnis gesetzt wurde und mit welchen Techniken sich der ringende Ringleb – durch „Freischaufeln“ oder „Rausschlängeln“ –dem ersten Zugriff entzog, mag Akten füllen, aber vielleicht nicht gerichtsentscheidend sein.

Letztlich zählte: Das Duo erkannte Ringleb ohne Zögern wieder und hatte ihn nach eigenen Angaben auch auf der kurzen Flucht zwischen Bierdusche und finalem Zugriff am „Döner-Stand“ zu keiner Zeit aus den Augen verloren. Mächtiges Schimpfen und massiver Widerstand wurden bezeugt: „Er war aggressiv drauf.“ Ob das Weglaufen nun erst nach zwei Minuten oder schon nach ein paar Sekunden gestoppt war – ein bierseliger Abend im vollen Bayern-Zelt ist eben bisweilen unübersichtlich. Immerhin hatte einer der beiden sogar noch beobachtet, dass Ringleb sich eines Käppis und einer roten Strickjacke entledigt und sie einem Freund zugesteckt habe, bevor er die Beine in die Hand nahm. Nur noch am Rande zu erwähnen, was einem Rechten vielleicht gar nicht so recht sein mag: Ringleb wurde nach der Bierattacke ausgerechnet von einem türkischstämmigen Sicherheitsmann namens Osman überwältigt.

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