„Tour des Lebens“: Aufgeben ist nicht drin

Die „Tour fürs Lebens“ läuft derzeit in deutschen Kinos. Foto: Veranstalter
Goslar. Andreas Beseler, genannt „Besi“ hat MS. Trotzdem ist er Extremsportler und legte in knapp vier Wochen 4000 Kilometer mit dem Fahrrad zurück.
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Andreas Beseler sitzt im Sattel und lacht. Seine Lippen sind aufgeplatzt und blutig, das Knie schmerzt schon seit Tagen. Die Unterarme, die Beine sind vom rauen Wetter in den kanadischen Rocky Mountains gegerbt und sonnenverbrannt. Doch der Hesse lacht. Er fährt den letzten Berg hinunter nach Vancouver, fast 4000 Kilometer mit dem Fahrrad in knapp vier Wochen liegen hinter ihm.
Das alles passierte 2013. Die Geschichte von Andreas Beseler gibt es nun im Kino zu sehen. „Die Tour fürs Leben“ heißt die Dokumentation. Sie feierte in Goslar „Norddeutschlandpremiere“ und kommt auch in Braunschweig und Hannover auf die Leinwände.
Drei Worte gaben den Anstoß zur Geschichte: „Rad statt Rollstuhl“, so hat der Hesse, den eine enge Freundschaft zum Radsportverein „Adler“ Goslar verbindet, sein Spendenprojekt genannt, für das er die Mammut-Tour vor drei Jahren auf sich genommen hat. Ein provokatives Motto für jemanden, der seit fast 25 Jahren an Multipler Sklerose (MS) leidet. Doch darum geht es Beseler. Der 50-Jährige will aufrütteln, will Menschen, die krank sind, die keine Perspektive mehr sehen, zeigen, zu was sie in der Lage sein können, wenn sie weiter kämpfen. Mit seinen Aktionen sucht er zudem Sponsoren und Spender, um den Kampf gegen MS zu unterstützen.
Ein Filmteam begleitete den Extremsportler nach Kanada und hielt Kilometer um Kilometer in imposanten Bildern fest – ein Mann, sein Rad und schier endlose Wildnis. Mehr als 26.000 Euro brachte die Spendenfahrt am Ende ein.
„Besi“, wie seine Freunde ihn nennen, wollte mehr, wollte auch andere dieses Glücksgefühl spüren lassen, mit ihrem Körper trotz eines Handicaps Höchstleistungen zu bringen. So entstand „Besi & Friends“ – ein Gemeinschaftsprojekt, bei dem nicht mehr nur Beseler im Fokus steht. Eine neue Spenden-Tour wurde 2014 entworfen, von Frankfurt am Main nach Barcelona – die Etappen hat übrigens der Goslarer „Adler“ Thorsten Ostrowski geplant, der wegen einer Verletzung aber nicht auf dem Rad dabei sein konnte.
Besi machte sich mit 70 Begleitern auf den Weg: mit dem Rad durch Frankreich, über die Pyrenäen bis in die katalanische Hauptstadt. Profisportler, Hobbyradfahrer, aber auch andere erkrankte Menschen waren unter seinen Mitstreitern. Und wieder war die Kamera dabei.
Neben der persönlichen Geschichte Beselers und seinem Solo-Kraftakt durch die Rocky-Mountains ist diese Gemeinschaftsfahrt nach Spanien das dritte Hauptelement des Kinofilms – und es ist der Teil, der diese Dokumentation so besonders macht. Denn der Protagonist Beseler rückt in den Hintergrund. Stattdessen erzählen Tour-Teilnehmer ihre Geschichte. Eine Frau, die ebenfalls unter MS leidet, ein Mann, der mit chronischer Nierenentzündung leben muss, und jeden Tag nach mehr als 100 Kilometern im Sattel direkt zur Dialyse wandert. Es sind bewegende Momente, wenn die Menschen erst offen über ihre Schicksalsschläge berichten und sich in der nächsten Szene gemeinsam keuchend und mit gefletschten Zähnen einen Bergpass hochquälen – Aufgeben ist keine Alternative. Mehr als 100 Minuten pures Mutmach-Material haben die Macher von Gropperfilm da zusammengestellt. Und „Besi & Friends“ planen schon weiter: Im Juni startet die nächste Gruppen-Radtour. Unter dem Motto „Vom Baggersee nach St. Tropez“ geht es von Beselers Heimat Jügesheim an die französische Côte d‘Azur.
Mehr Infos zu Film und Pro-jekt gibt’s unter www.rad-statt-rollstuhl.de

Luden zur Vorstellung ins Goslarer Theater: Ingo Thiele, Andreas Beseler, Thorsten Ostrowski und Georg Kranz. Foto: Roß