Bruch mit Geschlechterklischees
Dienstag, 13.12.2022 , 05:58 Uhr

TikToker Dimitri: Jedes Kleid ist ein Schritt nach vorne

Die Social-Media-Bekanntheit Dimitri erzählt im exklusiven GZ-Interview, wie er jeden Tag mit den Geschlechterklischees bricht, warum es noch viel Aufklärungsbedarf rund um das Thema LGBTQAI+ gibt und was sogenannte Allies sind.

Auf seinem Instagramkanal folgen Dimitri 12.900 Menschen. Foto: Sophia Emmerich

Männer sind groß und stark, spielen Fußball und schminken sich natürlich nicht. Mädchen sind Prinzessinnen, ihre Lieblingsfarbe ist rosa, und von Autos haben sie keine Ahnung – Geschlechterklischees, die sich bis heute in unserer Gesellschaft halten. Es gibt allerdings nicht nur diese zwei Geschlechter. Die LGBTQAI+ Community ist Teil unserer Gesellschaft und wird immer präsenter.

Der Instagramer und TikToker Dimitri ist eine cisgeschlechtliche Person und bricht jeden Tag mit diesen Rollenklischees. Mit der Jungen Szene spricht er über seine Aufklärungsarbeit auf Social Media, warum bei diesem Thema noch unglaublich viel zu tun ist und wie sogenannte Allies die Community unterstützen.

Hallo lieber Dimi, Du zählst Dich zum cisgender, sprich Du fühlst Dich dem Geschlecht zugewiesen, welches Dir bei der Geburt zugewiesen wurde. Was genau bedeutet es für Dich, eine cis-geschlechtliche Person zu sein?

Als cis-geschlechtliche Person bin ich mir meiner Privilegien bewusst, und es ist wichtig, das zu sein. Transpersonen identifizieren sich nicht mit dem Geschlecht, welches ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde, und erleben allein deswegen viel Transfeindlichkeit. Sowohl online als auch analog. Und allein aus dem Fakt, dass ich zum Beispiel cis bin, erlebe ich diese Diskriminierung nicht.

Wer Dich auf Instagram oder TikTok verfolgt, sieht, dass Du Dich beispielsweise gerne schminkst und Deine Fingernägel machen lässt. Dinge, die für viele „Frauensache“ sind. Wie gehst Du mit den Geschlechterklischees um?

Genau so, wie ich es online zeige: Ich breche sie auf, weil ich nichts von diesen Geschlechterklischees halte. Zum einen, weil jede Person aufgrund von Interessen Dinge mag oder nicht mag und nicht aufgrund vom Geschlecht. Und zum anderen, weil diese Klischees das binäre System bedienen, also davon ausgehend, dass es nur zwei Geschlechter gibt – was so nicht stimmt.

Bist Du schon immer so offen mit Deiner Geschlechtsidentität umgegangen oder kam das Schritt für Schritt?

Das Ganze war und ist weiterhin noch ein Prozess. Mit jedem inspirierendem Gespräch, jeder positiven Begegnung, vor allem mit anderen queeren Menschen und jedem neuen „ersten Mal“ (zum Beispiel das erste Mal ein Kleid oder Rock zu tragen) gehe ich einen weiteren Schritt nach vorne, in dem ich mehr „ich“ bin. Die Jahre davor war ich natürlich auch ich selbst, aber jetzt bin ich viel selbstsicherer darin und merke, wie gut es mir tut, Dinge zu tun, die ich möchte und mich glücklich machen – und nicht die Dinge, die andere von mir sehen wollen.

Geschminkte Augen und gemachte Fingernägel sollten nicht nur für Frauen ganz normal sein. Foto: Sophia Emmerich

Du bist mit Deinem Social Media Account eine Person des öffentlichen Lebens – viele Menschen schauen Dir Tag für Tag zu. Musstest Du bereits Anfeindungen im Internet oder auch im realen Leben bewältigen?

Oh yes, it happens. Allerdings nur online. Natürlich habe ich auch schon im realen Leben queerfeindliche Anfeindungen erlebt, aber da waren meine Videos nie der Grund für. Per Instagram erreichen mich manchmal Direct-Messages, wo sich Leute erstaunlich viel Zeit nehmen, mir beleidigende Sprachnachrichten zu schicken oder lange Texte zu schreiben, die mich schlecht fühlen lassen sollen. Allerdings breche ich die Sprachnachricht nach zwei Sekunden schon ab, wenn ich merke, in welche Richtung es geht. Meine Zeit investiere ich dann doch lieber in positive Dinge, und diese Nachrichten gehören nicht dazu.

Hast Du durch Deine Aufklärungsarbeit bereits Menschen helfen können, die sich vielleicht nicht sicher mit ihrer Geschlechtsidentität waren, aber nicht den Mut hatten, dies zu hinterfragen?

Yes. Und das macht mich einfach total happy. Immer wieder erreichen mich dankbare Nachrichten, dass Leute jetzt wissen, welche Sexualität oder Geschlechtsidentität sie haben, oder dass sie sich gerade geoutet haben, weil sie durch meine Videos den Mut dazu bekommen haben. Und jedes Mal, wenn ich diese Nachrichten lese, denke ich mir: Dafür mache ich das. Das ist echt die größte Belohnung, wenn der Content so viel machen kann.

Der „Spiegel“ hat erst vor Kurzem bekannt gegeben, dass die Anzahl an trans- und homophoben Gewalttaten in Berlin einen neuen Höchststand erreicht hat. Auch Du lebst in Berlin. Was lösen solche Schlagzeilen in Dir aus? Fühlst Du Dich manchmal nicht sicher in der Stadt, in der Du lebst?

Solche Statistiken zeigen einfach, wie viel an Aufklärungsarbeit noch zu tun ist und dass sich viel, viel mehr Menschen mit der LGBTQIA+ Community solidarisieren müssen. Ich denke, dass man sich in einer Stadt sicher fühlt, wenn man sich generell wohl darin fühlt und die richtigen Leute um sich hat – so geht es mir zumindest. Und da Berlin eine der Top Städte in Deutschland für unsere Community ist, würde ich persönlich mich eher in kleineren Städten unsicherer fühlen, in denen LGBTQIA+ Menschen und Thematiken weniger repräsentiert werden.

Gibt es außer Toleranz und Offenheit Dinge, womit jeder die Queere-Community unterstützten kann?

Am Besten, wenn man ein Ally wird. Allies sind Menschen, die nicht Teil der Community sind, sie aber unterstützen. Das kann auf ganz viele Wege passieren: Sei für queere Menschen da, wenn sie gerade emotionalen Support brauchen. Gehe auf Demos, in denen es um die Rechte queerer Menschen geht, und spende an gemeinnützigen Organisationen.

Was würdest Du Dir konkret von der Gesellschaft wünschen, wenn es um Geschlechterrollen und die LGBTQAI+ Community geht?

Ich kann es voll verstehen, wenn man im ersten Blick denkt, „Wow, wofür stehen diese ganzen Wörter? Ich komme gar nicht hinterher.“ Aber das Wichtigste ist, nachzufragen, neugierig zu bleiben und offen zu sein.


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