Mathematik und Musik sind ihre beiden Leidenschaften. Auf den ersten Blick eine recht ungewöhnliche Kombination – aber Susanne Scherers Herz schlägt für beides. Über die eine Leidenschaft, nämlich Mathe, hat sie sich mit der Jungen Szene unterhalten. Scherer führt den YouTube- Kanal „MathemaTrick“ und lädt dreimal die Woche für ihre 303.000 Abonnenten, hilfreiche Erklärvideos oder auch Mathe-Rätsel hoch. Sie erzählt, wie sie sich bereits 2014 für den Fernunterricht fit gemacht hat, warum es in der Schule mit Mathe manchmal hapert und welche Rolle Musik in ihrem Leben spielt.
Das ist schon ein paar Jahre her, das erste Video habe ich 2014 hochgeladen. Aber mein Kanal ist erst in dem letzten Jahr so richtig groß geworden. Zu dieser Zeit war es auch noch total unüblich, dass Leute mit Videos gelernt haben. Auf jeden Fall habe ich zu dieser Zeit Mathenachhilfe gegeben, da ich noch in meinem Mathestudium war. Eine Schülerin ist dann krank geworden, brauchte aber trotzdem die Nachhilfestunde. Ich wollte aber nicht zu ihr fahren und mich dann auch noch erkälten, da ich zu dieser Zeit auch noch als Sängerin unterwegs war. Deswegen habe ich geschaut, wie man das Ganze auch digital hinbekommen könnte – also das, was heute komplett normal ist, und Leute besonders in den vergangenen zwei Jahren Lösungen gefunden haben, wie Fernunterricht funktioniert. Über dieses Thema haben mein Freund und ich uns durch diesen einen Krankheitsfall schon 2014 Gedanken gemacht. Wir haben unser Equipment dann so aufgebaut, dass der Digitalunterricht wirklich gut geklappt hat. Die Idee zu dem YouTube-Kanal kam dann, als uns klar wurde, dass es viel einfacher und sinnvoller wäre, nicht nur einer Person diese Nachhilfe zur Verfügung zu stellen, sondern den Inhalt in kleine Videos zu packen und dann hochzuladen. Allerdings kam diese Idee tatsächlich von meinem Freund und nicht von mir.
Der Satz kam noch in der Zeit, als das alles noch händelbar war. Mittlerweile sollte ich diesen Satz von meiner Seite löschen. Als der Account noch kleiner war, konnte ich noch individuelle Betreuung geben. Gerade wenn es am Anfang nur fünf Kommentare unter einem Video gibt. Das war zu Beginn auch ein wichtiger Punkt für mich im Vergleich zu anderen Kanälen. Mittlerweile schicken mir die Leute natürlich immer noch ihre Aufgaben, und ich benutze die auch in Videos. Manche schicken mir aber Aufgaben, in die ich mich selbst erstmal eine Stunde lang reinarbeiten müsste, und das funktioniert dann natürlich nicht. Aber bei manchen Aufgaben kann man relativ schnell helfen oder auch ein bereits existierendes Video dazu schicken. Wenn ich merke, dass ich zu einem bestimmten Thema noch kein Video habe und dieses spezielle Thema wird angefragt, dann beantworte ich die Anfragen nicht individuell, sondern mache ein Video dazu und lade es hoch. Mir erleichtern die Anfragen dann natürlich die Recherche im Sinne von: Was fehlt noch und was wird gerade gebraucht.
Auf Instagram ist Scherer unter @mathema_trick zu finden. Foto: Privat
Viele Schüler, die mir Feedback geben, sagen, dass das Lehrpersonal oft sehr verkopft und langweilig an die Sachen rangeht. Ich glaube, wenn der Lehrer oder die Lehrerin Spaß an der Materie hat, ist das schon Mal eine ganz andere Grundvoraussetzung, als wenn jemand ganz gelangweilt reinkommt. Sprich das Wichtigste gerade bei so einem recht trocknen Fach ist, dass die Energie und das Charisma stimmen. Man sollte dem Lehrenden eben auch gut zuhören können – das ist schon mal eine gute Grundvoraussetzung. Bei mir ist es so, dass ich mich selbst nicht so wichtig nehme. Bei vielen ist es so, dass, wenn sie eine Aufgabe erklären, dann wollen sie zeigen, was sie können. Das ist das Schlimmste, was man machen kann, denn ich muss niemandem zeigen, dass ich die Aufgabe kann. Ich bin in diesem Moment gar nicht wichtig. Wichtig ist, dass jemand anderes die Aufgabe versteht. Sprich, ich ziehe mich dann erstmal auf die Stufe runter, auf denen sich meine Zuhörer befinden. Man muss das Thema Schritt für Schritt mit den Leuten erarbeiten und nicht nach dem Schema vorgehen: „Wie, das weißt Du nicht? Das müsstest Du doch schon längst gehabt haben.“
Aber natürlich ist das schwer für mich zu beurteilen, da ich noch nie vor einer Klasse gestanden habe. Ein Tipp wäre aber noch: so viel wie möglich wiederholen. Gerade weil viele Themen aufeinander aufbauen. Oft sind es nämlich Kleinigkeiten, die Schüler vergessen haben, weswegen es bei der neuen Aufgabe nicht klappt. Zusammenfassend ist daher, denke ich eine positive Einstellung, Interesse und Empathie für die Schüler extrem wichtig. Lustiger weise also nichts, was ausschließlich mit Mathe zu tun hat.
Eigentlich ist das wirklich total bunt gemischt. Das Einzige, was momentan ein bisschen hervorsticht, sind Wahrscheinlichkeitsrechnungen, weil ich dazu fast noch nichts auf meinem Kanal habe. Das Thema mag ich nämlich persönlich auch echt nicht so gerne, und dadurch kann ich es auch nicht sonderlich gut erklären.
Viel bekomme ich tatsächlich auch von Studenten, das sind oft recht spezifische Themen und decken nicht das breite Interesse der Masse ab. Da ich auch Unternehmerin bin, muss ich abwägen, ob ich mich in solch ein Thema reinarbeite, obwohl es am Ende nur sehr wenig Aufrufe und Reichweite bringt – wirtschaftlich kommt da dann nicht viel zurück. Deswegen stehen diese Uni-Themen nicht so sehr in meinem Fokus.
Prinzipiell schon. Aber man muss bei der ganzen Geschichte auch unterscheiden, zwischen einfach selbst rechnen und die Rechnung erklären. Themen aus der fünften Klasse sind für mich natürlich total easy. Aber Themen Fünftklässlern zu erklären, ist viel schwieriger als zum Beispiel Studenten. Und ich habe auch keine Pädagogikausbildung oder Ähnliches, sondern hab das immer nach meinem Gefühl gemacht. Für manche ist es dann aber zu schnell erklärt, für manche zu langsam und man wird es nie allen recht machen können, aber bisher hat es immer ganz gut geklappt, wenn ich auf mein Gefühl gehört habe.
Für 100.000 Abonnenten hat Scherer einen YouTube Preis bekommen. Foto: Privat
Eigentlich summiert sich das über die Zeit einfach auf. Wenn man beispielsweise in der 8. Klasse binomische Formel hat, hängt da so viel Stoff dran, den man bereits in der 5. Klasse hatte. Sprich, oft hapert es nicht wegen eines bestimmten Themas, sondern weil bei der Mathematik vieles Miteinander zusammenhängt. Deswegen ist diese stetige Wiederholung auch so wichtig. Es gibt niemanden, bei dem ich sagen würde, der kann einfach kein Mathe. Viel Wiederholung und viel Lernstoff ist aber eben auch Arbeit, und da haben viele keine Lust drauf. Content gibt es mittlerweile zu Genüge, wenn man seinen Blick bei YouTube mal schweifen lässt.
Es ist trotzdem Arbeit. Aber wenn man das Ganze vielleicht ein bisschen mehr als Spiel betrachtet, kann der Weg der Wiederholung erleichtert werden. Wenn Matheaufgaben nicht mehr so hart aussehen, sondern etwas Leichtes an sich haben, fällt es vielen Menschen schon leichter, sich damit zu befassen. Wenn ich einen Tipp geben müsste, würde ich sagen, fangt erst mal mit leichteren Aufgaben an, gerne auch spielerisch und steigert Euch. Bloß nicht mit diesen riesen Matheaufgaben anfangen, denn dann geben viele sofort auf. Ich würde sagen, rechnet so viele Aufgaben wie möglich – auch, wenn das keiner gerne hört.
Mit der Musik habe ich tatsächlich zuerst angefangen – 2018 habe ich mich damit selbstständig mit meiner Band Moon Sun gemacht. Neben meinem Studium und meiner Ausbildung zur Mediengestalterin haben wir, also mein Freund und ich, die Musik auch immer weiter aufgebaut. So etwas Kreatives ist natürlich auf seine eigene Art total anstrengend und zeitaufwendig. Zu dieser Zeit haben sich die beiden Teile meines Lebens tatsächlich irgendwie gegenseitig ausgeglichen. Mathe ist eben doch oft sehr trocken, und manchmal dachte ich mir: „Wofür mache ich das eigentlich?“ Und bei der Musik hat man etwas Handfestes. Man schreibt ein Lied, andere Leute können damit was anfangen, man bekommt Feedback, und das ist eben was anderes, als wenn man eine Matheaufgabe hat, und die nur für sich löst. Deswegen hat mir besonders in der Anfangszeit die Musik schon sehr geholfen, einfach mal abzuschalten. Nachher, wenn es dann Dein Job ist, bekommt man allerdings noch mal einen anderen Bezug zur Musik – einfach, weil man dann liefern muss. Wenn man finanziell davon abhängig ist, sprich Auftritte spielen, Lieder schreiben und alles promoten, dann bekommt das Ganze schon einen gewissen Druck. Da kommt dann der Mathekanal ins Spiel. Seitdem der Kanal so groß ist, haben wir die Musik nicht mehr als unser Hauptstandbein und konnten ein wenig Druck ablassen.
Es wird sich wahrscheinlich immer so ein bisschen verschieben. Wenn ich gerade dabei bin, ein neues Lied zu schreiben, das einzusingen und mir parallel ein Musikvideo überlegt, dann braucht das unglaublich viel Zeit. Das heißt, es wird, denke ich, projektweise ablaufen, wo ich meinen Fokus setzte. Mal auf die Musik, mal auf den Kanal. Irgendwie müssen diese beiden Welten nebeneinander laufen. Da haben wir noch nicht die perfekte Balance gefunden. Es hört sich von außen vielleicht immer so ein bisschen lächerlich an, wenn ich sage: „Es sind drei Mathevideos die Woche.“ Aber da gehört eben auch das ganze Social-Media-Zeug, die Kommentare, die E-Mails, die Interviews, die man gibt, die Kollaborationen, die Vor- und Nachbereitung und noch viele andere Dinge dazu. Da bleibt für Musik nicht viel Platz. Aber den müssen und möchten wir uns schaffen, auch wenn der Weg dahin noch nicht ganz klar ist.