Goslar. Rund 300 Schüler der fünften bis siebten Klasse des Christian-von-Dohm-Gymnasiums in Goslar nahm Journalist und Autor Oliver Lück in seinem Vortrag mit dem Titel „Grenzenloses Europa“ mit auf eine bilderreiche Reise.
Oliver Lück reist in seinem blauen VW-Bus, den er bereits seit 21 Jahren besitzt und mit dem er schon über 500.000 Kilometer zurückgelegt hat, durch Europa und sammelt dabei Geschichten und Fotografien von Menschen und Orten. „In der Schule war Schreiben für mich eine große Qual“, erzählt er. Bis er anfing, über Fußball zu schreiben. Er spielte auch selbst: „Deshalb war mein Interesse, darüber zu schreiben viel größer, als es bei den Schulaufgaben der Fall war.“ Schon während seiner Schulzeit hatte er begonnen, als Sportreporter zu arbeiten. Als er erzählt, dass er auch schon mehrfach Lionel Messi und Ronaldo getroffen habe, um ein Interview mit ihnen zu führen, jubelt das Publikum laut.
Nach seinem Abitur 1993 unternahm er zunächst eine Weltreise: durch die Türkei, Indien, Vietnam, China, Japan; durch Angola und Südafrika und auch nach Südamerika. Dabei fiel ihm nicht auf, dass er Europa komplett ausgelassen hatte. Erst als ihm in Panama Menschen von der Schönheit Europas berichteten, sei ihm klar geworden: „Ich wusste gar nichts über meinen eigenen Kontinent.“
Also kaufte er seinen ersten VW-Bus, einen gelben T2, packte eine Karte von Europa im Maßstab von1:4.000.000 ein und fuhr los. Dazu sagt er: „Auf der Karte konnte man nichts sehen. Ich bin einfach losgefahren, immer an der Küste entlang.“ Begleitet hatte ihn auf seinen Reisen elf Jahre lang seine Hündin „Locke“. Sie sei dann aber krank geworden. „Vor vier Jahren musste ich sie dann einschläfern lassen.“ Er erzählt: „Sie war ein Hovawart (Anm.d.Red: eine deutsche Hunderasse), was so viel wie Hofwart heißt. Nun hatte sie keinen Hof, aber den Bus. Sie war sozusagen Buswart.“ Er bezeichnet sie auch als seine „Alarmanlage auf vier Beinen.“
Bei seinem Vortrag bezieht er die Schülerinnen und Schüler zwischendurch mit ein: Er fragt die Anwesenden, wie viele von ihnen auch schon dort gewesen seien. Bei fast allen Ländern melden sich zumindest einige der Zuschauer. Die Schüler interessieren sich für seinen Vortrag, was häufige Meldungen mit Zwischenfragen zeigen. Zwischendurch legt Lück immer wieder Pausen ein, um die Fragen zu beantworten.
Die Aula des CvD war ziemlich voll. Der Vortrag wurde mit viel Begeisterung aufgenommen. Foto: Bode
„Das Bild zeigt ein Land, um das ich lange herumgefahren bin“, beginnt er seine nächste Erzählung und präsentiert dazu ein Foto einer Allee mit knorrigen efeubewachsenen Bäumen, deren Äste die Straße einrahmen. Auf dem Bild sieht man in der Ferne seinen blauen VW-Bus am Straßenrand stehen. Zu oft hatte er in seiner Jugend von „Autobomben und Menschen, die auf offener Straße erschossen werden“, gehört. 2010 reiste er dann doch nach Nordirland. Zunächst fuhr er diese Straße nur entlang, „bis ich durch einen Blick in den Rückspiegel diesen märchenhaften Ort gesehen habe“, sagt er. Als er sechs bis sieben Jahren später dorthin zurückkehrte, hatte sich der Ort verändert. Um die Verwandlung zu verdeutlichen, zeigt er ein neueres Foto der Straße: Sie ist voller Autos, die Bäume sind kahl, einer von ihnen auch beschädigt. Der Ort sei zu einer Pilgerstätte für „Game of Thrones“-Fans geworden. „Einige Szenen der Serie wurden dort gedreht, weshalb nun deutlich mehr Menschen an diesen Ort kommen. Zwischenzeitlich wurde die Straße sogar gesperrt“, erzählt er.
Auf einer Reise nach Inari in Nordfinnland, 350 Kilometer nördlich des Polarkreises traf er Goldsucher – „verwildert aussehende Männer mit langen Bärten und Schlapphüten.“ „Sie suchen dort in einem Naturschutzgebiet mit Baggern nach Gold“, berichtet er. „Die Regierung erlaubt es, da die Männer dafür bezahlen.“ Einer der Goldsucher habe ihn zum Essen eingeladen, aber kein Geld dabeigehabt: „Doch dann zog er ein bisschen Gold aus der Tasche, und der Gastwirt kam mit einer Digitalwaage.“ In Inari konnte man auch Essen und Dinge des täglichen Bedarfs mit dem Edelmetall bezahlen.
Auf seinen Reisen entdeckte er viele lustige Übersetzungsfehler, die er mit Fotos dokumentierte: An einem Hostel in Barcelona konnte man auf einem Zettel lesen: „Bitte klopsen sie am ersten Stock“, und am Plattensee in Ungarn warb ein Schild für „gekochtes Eis“. Auf einem Campingplatz in Lettland, teilte ihm ein Hinweis auf einem Campingplatz mit: „When es ist notwendig zu reinigen oder das Fehlen von Toilettenpapier – senden SMS an ….“ „Das Angebot habe ich aber nicht genutzt“, fügt Lück hinzu.
Ein Navigationsgerät brauche er auf seinen Abenteuern nicht. „Es geht nicht darum, schnell von einem Ort zum anderen zu kommen“, erzählt Lück. „Ich habe einen Straßenatlas dabei. In ihm kreuze ich die Orte an, wo ich schon war und wo ich hin möchte.“ Manchmal, wenn er an eine Kreuzung komme, lege er auch den Atlas weg. „Ich biege dann einfach ab.“ Auf diese Weise fand er ein verlassenes Dorf in Lettland. „Dort leben nur noch sechs Menschen, alle über 60 Jahre alt.“ Ein kleines Dorf, das langsam aussterbe. Dort entdeckte er einen Garten, gefüllt mit Skulpturen. „Die Besitzerin des Gartens, Biruta Kerve, hat die Dekorationen aus Strandgut gebaut.“ Kerve habe auch ein Ölfass voll alter Zahnbürsten, die an ihren Strand gespült wurden. Über den Müll sagt er: „Die Strände sehen aus wie Müllhalden. Ich kann bei Verschmutzung nicht wegschauen.“ Wenn er sehe, wie Menschen einfach Zigarettenkippen und anderen Müll auf die Straßen werfen, dann gehe er auf diese Personen zu und mache sie darauf aufmerksam: „Sie haben da etwas verloren.“
Birutas größter Schatz waren aber fast 40 Briefe, die als Flaschenpost zu ihr gekommen seien. Da sie aber nie eine Antwort an die Absender geschickt hatte, macht Lück dies zu seinem nächsten Projekt: Er antwortete all den Absendern der Briefe.
So traf er auch Thomas, dessen Hobby es sei, Flaschenpost zu verschicken. Thomas wiederum hatte auch schon 30 Antworten auf seine Nachrichten erhalten. Lück folgte der Spur weiter. Die führte ihn unter anderem nach Ungskär – einer einsamen Insel mit nur fünf Einwohnern in Schweden. Dort traf er Arne Nordström, einen Fischer, der Bud Spencer ziemlich ähnlich sehe. „Arne hatte an seiner Insel auch schon mehr als 100 Flaschen mit Post entdeckt.“ Während Lück versuchte, die Absender der ganzen Post kennenzulernen, sammelte er fast 500 Briefe, davon einige, die schon 60 bis 70 Jahre alt seien, und traf viele Menschen. Bisher habe er 150 Antworten verfasst und auch sein Buch „Flaschenpostgeschichten“ über diese Reise geschrieben, erzählt der Journalist.
Nach dem Vortrag kommen noch einige Schüler zur Bühne, um Oliver Lück Fragen zu stellen. Foto: Bode