Goslar. Auch das Model Anna Wilken leidet unter der Krankheit. Auf ihrem Instagram-Kanal anna.wilken erzählt die Endometriose-Botschafterin von ihrer Krankheit und zeigt, wie es Betroffenen damit geht. Die Diagnose der Krankheit kann bis zu zehn Jahre dauern, erklärt Frauenärztin Dr. Concetta D’Errico aus Goslar.
{picture1s Frau D’Errico, da viele noch nie etwas von der Krankheit gehört haben, könnten Sie erklären, was Endometriose überhaupt ist?
Endometriose ist eine sehr komplexe Erkrankung und wird auch „das Chamäleon“ unter den gynäkologischen Erkrankungen genannt, weil sie oft nicht eindeutig zu bestimmen ist. Aus unbekannten Gründen – es gibt es mehrere Theorien, die versuchen, das zu erklären – entwickeln sich Schleimhautzellen außerhalb der Gebärmutter. Unterschieden werden muss dabei zwischen einer Endometriose interna und externa. Interna ist, wenn die Schleimhaut in der Muskulatur landet. Häufiger kommt aber die Endometriose externa vor. Da landen die Schleimhautzellen im kleinen Becken – Eileiter, Eierstöcke oder auch im Bauchfell. Dabei kann es dann auch zu Entzündungen und Verwachsungen im Bereich der Eierstöcke und Eileiter kommen. Oft zeigt sie sich in Form von kleinen Herden. Wenn sie sich im Bereich der Eierstöcke entwickelt, kann es zu sogenannten Endometriomen kommen. Diese sehen aus wie Zysten und sind mit Blut gefüllt. Daher nennt man sie auch Schokoladenzyste. Das ist auch eine Form der Endometriose, die häufiger vorkommt.
Wie kommt es dazu?Es gibt so einige Theorien dazu, warum es zu dieser Verschleppung kommt. Die häufigste Theorie ist die der retrograden Menstruation. Die Regelblutung sorgt dafür, dass das Blut nach außen fließt, aber ein bisschen Blut geht durch die Eileiter (retro, sprich: rückwärts) wieder zurück in den Bauchraum. Das Blut enthält Schleimhautzellen, und die können sich dann irgendwo im kleinen Becken implantieren. Aber bis es zu einer Endometriose kommt, müssen noch andere begünstigende Faktoren dazukommen, denn eine retrograde Menstruation haben viele Frauen. Es kann leider bis zu zehn Jahre dauern, bis Endometriose wirklich festgestellt wird, denn nicht jeder hat diese Schokoladenzysten, die man gut sieht, deuten kann und bei denen man gleich weiß, was los ist.
Also kann man nicht sagen, was die wirkliche Ursache ist?
Nein. Es gibt nur Theorien, warum es überhaupt zur Endometriose kommt. Neben der retrograden Menstruation kann es auch aufgrund von hormonellen Einflüssen sein, dass sich Zellen in endometriale Zellen verwandeln. Es gibt Zellen, die sich in alle möglichen Richtungen entwickeln können. Daher gibt es nicht die eine Ursache für Endometriose. Begünstigende Faktoren sind zum Beispiel, wenn jemand aus der Familie diese Krankheit hat, starker Alkoholkonsum oder auch Fehlbildungen im Bereich der Gebärmutter.
Ich habe gelesen, dass sich Endometriose durch extrem starke Schmerzen während der Periode äußert. Viele Frauen gehen damit zum Frauenarzt, der erste Griff geht dann zur Pille. Warum?
Das ist ein wenig kompliziert. Es ist überhaupt nicht einfach, Endometriose festzustellen. Erst einmal braucht man dafür nämlich einen Verdacht. Dieser Verdacht sind starke Menstruationsbeschwerden. Das Problem dabei ist, welche Frau hat denn keine Menstruationsbeschwerden? Meistens die, die die Pille nimmt. Denn egal ob eine Frau Endometriose hat oder nicht, die Pille ist in der Lage, die Menstruationsbeschwerden zu lindern.
Das Hauptsymptom sind allerdings nicht die Schmerzen während, sondern vor der Regel – da sollten dann schon ein bisschen die Alarmglocken angehen. Aber auch das kann man haben, ohne an Endometriose erkrankt zu sein. Dazu kommen noch Schmerzen beim Geschlechtsverkehr. Das ist zwar auch typisch, kann aber auch wieder aus anderen Gründen vorkommen.
Die meisten Endometriosepatienten haben dazu noch chronische Unterbauchbeschwerden – und zwar dauerhaft. Auch Blut im Stuhl kann ein Symptom sein, aber dies kann, wie auch die anderen Symptome, andere Ursachen haben. Wenn man diese ganzen Symptome summiert, ist es klinisch gesehen immer noch nur ein Verdacht, kein Beweis für die Krankheit.
Wenn der Verdacht da ist, wie kann festgestellt werden, ob es sich wirklich um Endometriose handelt oder nicht?
Das ist leider richtig schwierig. Zuerst wird immer der Unterbauch abgetastet, das gibt uns allerdings noch keinen Beweis. Dann kann noch eine Ultraschall-Untersuchung gemacht werden. Wenn es sich um ein Endometriom handelt, also die Schokoladenzyste, von der ich am Anfang gesprochen habe, dann ist das schon ein sehr hartes Verdachtsmoment. Den 100-prozentigen Beweis, dass es sich um Endometriose handelt und nicht um eine „normale“ Zyste, hat man nur, wenn man eine Operation durchführt.
Es gibt keinen klassischen Test?Nein, es gibt keinen Test, es gibt nur einen Verdacht. Festgestellt werden kann es nur durch eine Operation. Das macht die Feststellung der Krankheit auch so schwierig, weil man natürlich nicht jede Frau gleich einer Operation unterziehen möchte. Nicht jede Frau mit Endometriose hat die ganze Palette an Symptomen. Manche haben „nur“ starke Regelschmerzen. Da ist es das kleinere Übel, die Pille zu geben und zu schauen, ob es besser wird. Denn eine Operation bedeutet immer Vollnarkose, Risiken und eventuelle Komplikationen. Natürlich kann es dann sein, dass man eine Endometriose übersieht, oder nicht gleich wahrnimmt.
Wie kann sie behandelt werden?Grundsätzlich ist es eine gutartige Erkrankung, und es ist bei vielen auch nicht schlimm, wenn sie nicht behandelt wird. Wenn sie sich aber durch starke Schmerzen äußert, ist sie zwar in dem Sinne gutartig, dass sie nicht tödlich ist, aber sie schränkt die Lebensqualität sehr ein. Wenn man also eine Zyste mit Endometriose hat, dann muss die Zyste wegoperiert werden. Wenn dabei Endometriose-Herde entdeckt werden und man an sie rankommt, was nicht immer möglich ist, müssen diese auch entfernt werden. In 20 bis 40 Prozent der Fälle kommt die Endometriose allerdings trotzdem wieder. Daher wird eine Operation eher als letzte Option durchgeführt.
Davor wird versucht, mit Schmerzmitteln, mit der normalen Anti-Baby-Pille oder einer neueren Pille, die nicht zur Verhütung gedacht ist, zu arbeiten. Diese werden nur gegen die Menstruationsbeschwerden gegeben. Eine andere Möglichkeit, die allerdings nur zum Einsatz kommt, wenn die Endometriose wirklich nachgewiesen wurde, sind sogenannte GnRH-Analoga. Das sind Medikamente, die die Eierstöcke lahmlegen, sodass sie keine Hormone mehr produzieren. Allerdings haben diese viele Nebenwirkungen, da man damit quasi in die Wechseljahre versetzt wird.
Beeinflusst Endometriose die Möglichkeit, Kinder zu bekommen?
Ja. Neben den ganzen Symptomen, die auftreten können, ist das ein großes Problem der Endometriose. Die Krankheit kann zur Unfruchtbarkeit führen. Durch mögliche Verklebungen im Bereich der Eileiter und der Eierstöcke funktionieren sie nicht mehr so, wie sie eigentlich sollten.
Was würden Sie Mädchen raten, die einige Symptome haben und vielleicht verunsichert sind?
Sie sollten auf jeden Fall zur Untersuchung gehen und mit ihrem Arzt sprechen. Was ganz wichtig ist: nicht einfach drauflos googeln. Man darf nicht unter den Teppich kehren, dass die Krankheit häufig vorkommt, aber es hat nicht gleich jeder Endometriose, der Schmerzen hat. Meistens ist es leider so, dass die Pille mit am besten hilft.