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Verhandlung am Landgericht

GZ Plus IconVerteidiger attackiert im Okeraner Mordprozess Zeugen und Medien

Zwei Männer sitzen an einem Tisch, einer trägt eine schwarze Robe, der andere eine gelbe Jacke und hält eine rote Mappe vor sein Gesicht.

Mordprozess: Der Angeklagte verdeckt sein Gesicht. Sein Verteidiger Matthias Jochmann (l.) hat am neunten Prozesstag eine Rundumschelte verteilt. Foto: Klengel (Archiv)

Am neunten Prozesstag gibt der Verteidiger eine lange Erklärung ab, stellt neue Theorien zur Tat vor und attackiert Zeugen, Medien und Staatsanwaltschaft.

Von Corina Klengel Samstag, 06.12.2025, 14:00 Uhr
Der neunte Verhandlungstag im Verfahren gegen einen 50-jährigen Syrer, dem die Ermordung seiner Ehefrau vorgeworfen wird, begann mit einer fast 50-minütigen Erklärung der Verteidigung. Rechtsanwalt Matthias Jochmann sparte nicht an Kritik wegen eines gegen seinen Mandanten gerichteten Stimmungsbildes. „Für den Angeklagten geht es um viel“, sagte er im Hinblick auf ein mögliches Urteil mit Sicherungsverwahrung.

Die angeklagten Mordmerkmale

Dass für den Angeklagten einiges auf dem Spiel steht, bewies der rechtliche Hinweis der Schwurgerichtskammer am Ende des Prozesstages. Richter Dr. Ralf-Michael Polomski verkündete, dass neben den drei bislang angeklagten Mordmerkmalen, auch ein viertes, nämlich das Verwenden gemeingefährlicher Mittel in Betracht käme. Der Vorsitzende rief in Erinnerung, dass in der Nacht zum 5. Mai ein Feuer in einem Wohnhaus ausgebrochen war. Die Bewohner gerieten in Gefahr und es sei ein Schaden von 40.000 Euro entstanden.

Die Anklage war bisher von drei Mordmerkmalen ausgegangen. Dem Angeklagten wird Heimtücke, also das Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers vorgeworfen. Wegen des Zufügens von besonders schweren körperlichen Qualen ging Staatsanwalt Ulrich Weiland zudem vom Mordmerkmal Grausamkeit aus. Und die Anklage enthielt auch das Merkmal niedrige Beweggründe, also ein Motiv, das als besonders verachtenswert eingestuft wird, wie etwa ein Femizid.

Kritik an Presse und Zeugen

Von Rechtsanwalt Matthias Jochmann kam an diesem Tag ein regelrechter Rundumschlag an Kritik. Dieser betraf mehrere Pressemedien, hier vor allem eine Jura-Professorin aus Hannover, die den Angeklagten in einem Interview über Femizide vorverurteilt habe. Aber es traf auch die GZ, den Staatsanwalt, Schöffen und vor allem die Söhne des Angeklagten. Letzteren warf Jochmann Falschaussagen und Belastungstendenz vor. Er zählte mehrere Widersprüche auf, kritisierte wechselndes Aussagenverhalten sowie den Mangel an Impulskontrolle des älteren Sohnes. „Der hat uns doch was vorgeräubert“, echauffierte sich Jochmann.

So ärgerte sich der Rechtsanwalt darüber, dass andere Prozessbeteiligte den Söhnen Mitgefühl entgegenbrachten. Beide Nebenkläger hatten im Mai ihre Mutter verloren, nachdem diese mit Brandbeschleuniger übergossen und angezündet worden war. Der Vater wurde noch vor Ort festgenommen.

Drei mögliche Varianten

Es gebe bei dieser Tat drei mögliche Varianten, erläuterte Jochmann. Es könnte sich abgespielt haben, wie angeklagt, was jedoch bestritten werde. Darüber hinaus hielt es der Anwalt auch für möglich, dass die Frau Selbstmord begangen haben könnte. Als dritte Variante hielt der Verteidiger ein von der behinderten Tochter verursachtes Unfallgeschehen für denkbar. Um seine Theorien zu untermauern, stellte Jochmann an diesem Tag mehrere Beweisanträge. Weitere Zeugen sollen die Unglaubwürdigkeit des älteren Sohnes offenbaren. Von anderen Zeugen erhofft sich Jochmann Aufschluss über die motorischen Fertigkeiten der behinderten Tochter. Er ist überzeugt, dass wenn diese die Sicherheitsgurte in ihrem Schulbus öffnen könne, dann sei sie auch in der Lage, ein Feuerzeug zu bedienen.

Staatsanwalt Weiland erteilte beiden Anträgen und Theorien eine Absage.

Man habe schon eine Sachverständige zu den Fertigkeiten der Tochter gehört. Selbst wenn es ihr durch Zufall gelänge, ein Feuerzeug zu bedienen, so sei sie dennoch nicht in der Lage, den festgestellten Tatverlauf zu initiieren. Ebenso wenig könne sich das Opfer selbst mit Benzin übergossen und angezündet haben. In diesem Fall hätte man neben dem Bett ein Behältnis für Brandbeschleuniger oder ein Feuerzeug finden müssen.

Zudem stelle sich dann die Frage, wer das Fenster geschlossen habe, nachdem die brennende Frau hinausgesprungen war. Die Rückschlüsse des Anwalts bezüglich des Sohnes hielt Weiland für „abwegig“.

Die Kammer wird erst am 17. Dezember bekannt geben, ob sie den Anträgen des Verteidigers zustimmt.

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