„Offenbar unvermeidlich“
Jens Kloppenburg Foto: GZ-Archiv
Jens Kloppenburg‘s Meinung: Für Änderungen im Bürgergeld
Für mich als Sozialdemokraten ist es wichtig, die grundgesetzlich gebotene Forderung einer auskömmlichen Grundsicherung zu sehen. Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und sozialer Ausgleich gehören zusammen.
Das Bürgergeld war ein zu begrüßender Paradigmenwechsel: weg von kurzfristigem Vermittlungsdruck und Sanktionierung, hin zu Qualifizierung, Kooperation und Existenzsicherung. Durch höhere Regelsätze, Karenzzeiten und Freibeträge verbessert es die Lage einkommensschwacher Haushalte und schützt Menschen, die unverschuldet in Not geraten, vor dem Verlust ihrer Lebensgrundlagen. In der Debatte haben sich jedoch Konfliktlinien herausgebildet: Zweifel an ausreichenden Arbeitsanreizen, Sorgen um die Wahrung des Leistungsprinzips und Kritik an ausufernden Staatsausgaben. Zudem wird diskutiert, ob das Bürgergeld ausreichend zwischen langjährig Erwerbstätigen und neu Hinzugekommenen differenziert, ob es Bürokratie reduziert und Abhängigkeiten vom Leistungsbezug verringert. Teile der Bevölkerung empfinden das System als zu großzügig, was die gesellschaftliche Akzeptanz schwächt und Polarisierung verstärken kann.
Aus meiner Sicht wirkte das Bürgergeld sozialpolitisch stabilisierend und humaner als frühere Systeme. Da es sich aus dem Gedanken der Solidarität speist, bedarf es jedoch einer breiten Akzeptanz. Wesentlicher Kritikpunkt: der teilweise geringe Abstand zwischen Erwerbseinkommen und Transferleistungen.
Für mich war das Bürgergeld nie bloßer Ersatz für Hartz IV. Es wurde ein notwendiger Perspektivwechsel vollzogen. Vorrang für Qualifizierung, Kooperation auf Augenhöhe und langfristige Teilhabe statt kurzfristiger Druck. Vor diesem Hintergrund habe ich einige Erwartungen an eine wohl unvermeidliche Weiterentwicklung der Grundsicherung:
• Zielgenaue Hilfe für Menschen in Not, unter nachvollziehbarer Mittelverwendung.
• Wahrung der fiskalischen Verantwortung angesichts hoher Ausgaben und demografischer Belastungen.
• Deutlich stärkere und nachhaltigere Vermittlung in Arbeit als zentrale sozialpolitische Aufgabe.
• Überprüfung und Anpassung der Arbeitsanreize, um mehr Menschen in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu führen.
• Vorgehen gegen Missbrauch, um die Glaubwürdigkeit des Systems und die Solidarität mit wirklich Bedürftigen zu sichern.
Die SPD sollte vertragstreu sein und, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, die Beratungen zur Weiterentwicklung der „Grundsicherung für Arbeitssuchende“ konstruktiv mitgehen. Am Ende geht es um sozialdemokratische Grundprinzipien: angemessene Regelsätze, Fokus auf Qualifizierung, kooperative Vermittlung statt Konfrontation und keine Rückkehr zu Stigma oder Über-Kontrolle.
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