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Vortrag bei Goslarer Geschichtsverein

GZ Plus IconWie die GZ den Aufstieg Adolf Hitlers feierte

Schwarz-weiß-Foto einer militärischen Parade mit mehreren uniformierten Männern und zahlreichen Hakenkreuzfahnen vor einem steinernen Gebäude.

Adolf Hitler besucht 1934 Goslar und die Kaiserpfalz. Die GZ war dem Führerkult der NSDAP bereits in den Jahren vor der Machtübernahme der Nazis erlegen. Foto: GZ-Archiv

Wie hat die GZ in den Jahren 1928 bis 1933 über die NSDAP und Hitler berichtet? Redakteur Frank Heine hat ein Buch darüber geschrieben und sucht Lehren für die Gegenwart.

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Von Hendrik Roß
Samstag, 06.12.2025, 07:00 Uhr
„Wir sind hindurch! Hitlers geradliniger Kampf und kompromisslose Politik hat gestern ihren Triumph davongetragen.“ Von journalistischer Distanz ist am 31. Januar 1933 nicht mehr viel zu lesen, als die GZ über die Ernennung von Adolf Hitler zum deutschen Reichskanzler berichtet. Wie konnte es so weit kommen, dass eine Lokalzeitung so eine Titelzeile veröffentlicht? Dieser Frage ist GZ-Redakteur Frank Heine in einem Vortrag beim Goslarer Geschichtsverein nachgegangen.

Als Quelle diente ihm dabei vor allem die eigene Forschung. „Der nationale Kandidat heißt Hitler“ heißt das Buch, in dem Heine die Rolle der GZ in den Jahren 1928 bis 1933 beleuchtet und für das er 1995 mit dem Goslarer Geschichtspreis ausgezeichnet wurde.

Ein Blick auf die Printmedien

Zunächst ein Blick auf die damalige Printmedien-Landschaft: Die Sprache war wesentlich blumiger und pathetischer als heute, schilderte Heine.
Mann mit Brille und hellblauem Hemd steht vor Mikrofonen, im Hintergrund unscharfe Wandgestaltung und Projektionsfläche.

GZ-Redakteur Frank Heine stellt im Kreishaus die Erkenntnisse seiner Forschung zur Rolle der GZ in den Jahren 1928 bis 1933 vor. Foto: Roß

Unverhohlene Parteinahme und Propaganda seien auch vor 1933 keine Seltenheit gewesen, als Zeitungen sich eindeutig politischen Lagern zuordnen ließen und mit parteieigenen Veröffentlichungen konkurrieren mussten. In den Wachstumsjahren der NSDAP vor 1933 spielte die NS-Presse vor allem in Klein- und Mittelstädten kaum eine Rolle, während die Zeitungen des bürgerlichen Lagers sich über stabile Auflagenzahlen in Millionenhöhe freuen konnten. Die Nazis erkannten früh, welchen Wert die Massenmedien für sie hatten.

Im Jahr 1932 zählte die GZ zum nationalen Lager und schwamm, so Heine, „ohne Zweifel und Selbstzweifel“ auf der Welle mit. Seit 1919 gab es zudem die Harzer Volkszeitung, ein SPD-Blatt.

Hitler braucht einige Zeit

Bis Hitler größere Aufmerksamkeit in der GZ erlangte, dauerte es jedoch einige Zeit. Zunächst standen die Protagonisten der Deutschnationalen Volkspartei oder des Frontkämpferbunds Stahlhelm im Vordergrund. Wie hat der spätere Diktator es aber geschafft, die Journalisten hinter sich zu bringen und ihn als starken Mann und Heilsbringer für Deutschland zu preisen? Heine hat sämtliche GZ-Ausgaben der Jahre 1928 bis 1933 studiert und kommt zu der Einschätzung, dass zunächst „allein das N für national“ für die Lokalzeitung interessant an den Nazis gewesen sei.
Gruppe älterer Menschen sitzt in Reihen auf Stühlen in einem großen, hellen Raum mit Holzfußboden.

Voller Saal: Der Vortrag über die Rolle der GZ unmittelbar vor Hitlers der Machtübernahme lockt viele Interessierte an. Foto: Roß

Es habe sogar Kritik an einzelnen Rednern gegeben. Allerdings: Über die SPD wurde zu diesem Zeitpunkt in der GZ schon gar nicht mehr berichtet, obwohl sie etwa bei den Reichstagswahlen im Mai 1928 stolze 35 Prozent holte, sechs Prozent mehr als im Reichsdurchschnitt. Die NSDAP holte in Goslar damals 9,6 Prozent. Bei den Gemeindewahlen ein Jahr später lagen die Nazis mit 25,2 Prozent schon knapp hinter der SPD (32,3).

NSDAP macht mächtig Betrieb

Die NSDAP machte vor Ort „mächtig Betrieb“, lud bekannte Redner in die Provinz ein. Am 6. November 1929 etwa einen gewissen Joseph Goebbels, den die Nazis in ihrer GZ-Anzeige fälschlicherweise mit einem „ö“ nach dem G ankündigten. Für die Veranstaltungen mit Unterhaltungscharakter wurde Eintrittsgeld aufgerufen, meistens 50 Pfennige. Andere Parteigänger wurden in den Anzeigen zum Kommen aufgefordert. Nur eins wurde direkt klargestellt: „Der Eintritt ist Juden verboten.“

Die GZ berichtete über volle oder überfüllte Säle bei den Nazi-Veranstaltungen, ansonsten aber „noch sachlich-nüchtern“, wie Heine darstellte. Vermehrt fanden jedoch Publikumsreaktionen den Weg in die Texte: klatschende Zuhörer, minutenlanger Beifall, stürmische Zustimmung. „Es war was los auf den Goslarer Nazi-Treffen“, fasste der Referent zusammen.

Im Zuge des Goslarer Schulfalls im November 1929 standen NSDAP und GZ erstmals komplett auf der gleichen Seite – fortan habe man die Sympathien füreinander gehegt, schilderte Heine.

Die NSDAP wurde größer und somit interessanter für die GZ. Allerdings sei über vom Nazi-Mob verübte Gewalttaten auch nach 1930 noch kritisch berichtet worden. Im März krachte es zwischen Partei und Zeitung richtig, als auf einer Veranstaltung behauptet wurde, die Lokalpresse sei abhängig von Großinserenten. Die GZ kündigte an, nur noch über NSDAP-Veranstaltungen zu berichten, aber keine Parteianzeigen mehr anzunehmen. Laut Heine wurden diese markigen Worte allerdings nicht in die Tat umgesetzt.

GZ-Redakteure erliegen dem Führerkult

Auch wenn Hitler zunächst nur als Randfigur in Berichten auftauchte, erlagen die GZ-Redakteure später dem von der NS-Propaganda zelebrierten Führerkult. Spätestens seit der Berichterstattung zur Harzburger Front im Oktober 1931 sei dies offenkundig gewesen, berichtete Heine.

Interessant dabei: Der Bericht über Hitlers Auftritt bekam zwar nur 71 Zeilen, wesentlich weniger als die Beiträge über die Stahlhelm-Bosse. Doch während die Zeitung sich bei den anderen Protagonisten aufs Referieren beschränkte, wurde der „Volksmann Hitler“ von der GZ unverblümt bewundert. Es sei ein „ästhetischer Genuss, diesen Mann reden zu hören“. Seine Sätze würden „wie Hammerschläge“ fallen und den Zuhörer „fast zur Ekstase treiben“. Heines Analyse: „Die GZ kämpfte mit Hingabe für diese Sache, verstieg sich in der Folge auch immer mehr zu Hasstiraden gegen die in Preußen regierende SPD und schwenkte in diesem Bereich voll auf den Kurs der Nazi-Propaganda ein.“ In Goslar entbrannte ein „Medienkleinkrieg“ zwischen GZ und Harzer Volkszeitung.

Das Ende der Weimarer Republik

Die Weimarer Republik taumelte ihrem Ende entgegen, begleitet und angetrieben von der GZ und weiten Teilen der deutschen Medienlandschaft. „Wie heute?“, fragte Heine in den prall gefüllten Großen Sitzungssaal des Kreishauses. Das Verhältnis von Medien, Staat und autokratischen Mächten ist aktueller denn je. Kein Wunder in einer Welt mit einem US-Präsidenten Donald Trump und einer AfD, die selbstbewusst von absoluten Mehrheiten spricht. Heine greift auf das aktuelle Buch „Sterben der Demokratie“ zurück, das aufzeige, dass Demokratien nicht mit einem Knall sterben, sondern langsam und schleichend, „wenn und weil niemand aktiv gegen wirkt“. Populisten, die dabei für sich beanspruchen, den Volkswillen durchsetzen zu wollen, würden auf einfache Fragen und Antworten setzen. Wo die „politischen Allesbesserwisser direkt am Puls des Volkes fühlen“ seien kritische Stimmen von Journalisten, Richtern oder Wissenschaftlern fehl am Platz. Wenn sie verstummen, können diktatorische Kräfte sich schnell ausbreiten. „Irgendwann wird Opposition nämlich richtig lebensgefährlich. Und kommt zu spät“, warnt Heine.

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